# taz.de -- Bundesweiter Bauernprotest: Blockaden? Bitte nur angemeldet
       
       > Seit dem frühen Morgen demonstrieren bundesweit Bauern. Innenminister
       > warnen vor Straftaten – und rechtsextremen Instrumentalisierungen.
       
 (IMG) Bild: So wie kürzlich hier in Thüringen wollen Bauern bundesweit am Montag Straßen in Beschlag nehmen
       
       BERLIN taz | Die ersten Traktoren rollten schon in der Nacht vor das
       Brandenburger Tor in Berlin sowie in Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern
       Richtung Autobahnauffahrten. Seit dem frühen Morgen demonstrieren Bauern
       [1][bundesweit mit Protestaktionen gegen Steuererhöhungen in der
       Landwirtschaft]. Sie wollen die ganze Woche aktiv sein, unter anderem
       Straßen blockieren. Innenminister der Länder appellieren, das
       Versammlungsrecht einzuhalten – und Extremisten auszuschließen.
       
       Erste Proteste gab es am Montagmorgen unter anderem in Hamburg, Wuppertal
       und Berlin. Gegen 7 Uhr blockierten mehrere Bauern die Autobahn A 1
       zwischen Hamburg und Bremen in beiden Richtungen. In Bremen sowie in
       Hamburg erwartet die Polizei im Lauf des Tages jeweils bis zu 2000
       Fahrzeuge, die von Niedersachsen aus sternförmig in die Hansestadt ziehen.
       In Sachsen blockierten Bauern mehrere Autobahnauffahrten. Bereits am
       Sonntagabend hatten sich dutzende Traktoren am Brandenburger Tor
       versammelt, am Morgen standen dort bereits rund 200 Fahrzeuge, weitere
       waren unterwegs.
       
       Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) erklärte, friedliche Proteste
       für legitime politische Ziele seien von der Rechtsordnung geschützt. Wer
       aber „Sachen beschädigt, Menschen nötigt oder gegen die Ordnung des
       Grundgesetzes hetzt, stellt sich gegen unsere Rechtsordnung“.
       
       Auch Herbert Reul, CDU-Innenminister von NRW, sagte, er verstehe den Unmut
       der Landwirte. „Aber das ist ganz sicher kein Freifahrtschein für
       Straßenblockaden.“ Nicht jede Protestform nütze der Sache. „Das gilt für
       Klebeaktionen wie für Traktorensperren. Wer über die Stränge schlägt, muss
       mit Konsequenzen rechnen.“
       
       Ähnlich äußerte sich Rheinland-Pfalzs Innenminister Michael Ebling. „Eine
       klare Grenze ist dann erreicht, wenn Unbeteiligte oder Einsatzkräfte in
       Gefahr gebracht werden“, so der Sozialdemokrat. Gleiches gelte, wenn Not-
       und Rettungswege blockiert würden. Dann müsse und werde die Polizei
       reagieren.
       
       Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) erklärte, seine
       Landesregierung unterstütze den Bauernprotest „voll und ganz“, dieser sei
       „ein Hilfeschrei“. Aber auch er appellierte, dass Teilnehmende das
       Versammlungsgesetz einhalten müssten. „Gezielte Blockaden werden wir nicht
       tolerieren.“
       
       ## Gut 300 Proteste allein in Bayern geplant
       
       Die bundesweiten Proteste sollen am Montag beginnen und eine Woche
       andauern. Am kommenden Montag soll dann eine zentrale Großdemonstration in
       Berlin stattfinden, zu der bisher 10.000 Teilnehmende mit 3.000 Traktoren
       angemeldet sind.
       
       Für diese Woche haben Bauern allein in Bayern 309 Protestveranstaltungen
       angemeldet. Für eine Kundgebung am Montag auf dem Münchner Odeonsplatz
       wurde mit 5.000 Teilnehmenden gerechnet. In Nordrhein-Westfalen lagen
       zuletzt 115 Anmeldungen vor, in Rheinland-Pfalz waren es rund 100
       Versammlungen mit rund 10.000 Teilnehmenden und mehreren tausend
       Fahrzeugen. Selbst in Bremen wurde für Montag mit dem Eintreffen von bis zu
       2.000 Fahrzeugen gerechnet. In Berlin waren für diesen Tag 300 Fahrzeuge
       angemeldet.
       
       In Sachsen erklärte das Innenministerium, dass für Montag „fast
       fläckendeckend“ Blockaden der Autobahnzufahrten angemeldet wurden. Diese
       seien zumeist erlaubt worden, wenn Rettungsgassen freiblieben. Der
       Erzgebirgekreis dagegen verbot die Blockaden zweier Autobahnzufahrten und
       auch spontane Proteste bis zum 15. Januar.
       
       Auch in Mecklenburg-Vorpommern waren für alle Autobahnanschlussstellen
       Blockaden durch Traktoren angemeldet. Dazu kamen gut 40 weitere Korsos oder
       angezeigte Blockaden. In Kooperationsgesprächen wurden sich laut
       Innenministerium geeinigt, die Autobahnblockaden auf die Zeit von 6 bis 9
       Uhr und nur auf Zufahrten zu beschränken. Ausfahrten und Rettungsgassen
       sollten frei bleiben. Innenminister Christian Pegel (SPD) sprach von „sehr
       guten und kooperativen Gesprächen“.
       
       Auch andere Länder betonten die bisher „hohe Kooperationsbereitschaft“ der
       Bauern. Die Polizeien rechneten aber fast überall mit „erheblichen
       Verkehrsbehinderungen“ und weiteren nicht angemeldeten Protesten.
       
       ## Krankenhaus gibt Mitarbeitenden Passierscheine
       
       Das Versammlungsrecht unterscheidet sich von Bundesland zu Bundesland, auch
       Auflagen für die Proteste wurden in den Ländern unterschiedlich erteilt.
       „Sollte es zu Blockadeversuche kommen, ist die Polizei darauf bedacht,
       diese von vorneherein zu verhindern“, erklärte etwa ein Sprecher des
       NRW-Innenministeriums. In Sachsen erklärte das Innenministerium nur für
       unangemeldete Straßenblockaden, die Polizei werde darauf „entschlossen
       reagieren“. Hierbei könne es sich um Nötigung oder einen Gefährlichen
       Eingriff in den Straßenverkehr handeln.
       
       Die Verunsicherung ist groß. So berichtete der Nordkurier, dass
       Mitarbeitende des Asklepios-Klinikums Pasewalk Schreiben erhielten, die sie
       als eine Art Passierschein im Falle von Traktorblockaden vorzeigen könnten
       und hoffentlich durchgelassen würden. Andererorts wurde eine Präsenzpflicht
       an Schulen aufgehoben oder für Spediteure das Sonntagsfahrverbot
       aufgehoben.
       
       Jochen Kopelke, Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei, appellierte an
       die Bauern, sich bei ihren Protesten an Recht und Gesetz zu halten.
       „Großproteste mit Landmaschinen, Traktoren und LKW erfordern grundsätzlich
       nur polizeiliche Verkehrsmaßnahmen. Durch die aufgeheizte Stimmung dürfen
       diese großen Maschinen aber nicht zur ernsthaften Gefahr werden.“ Die
       Fahrzeugführer müssten sich an Anweisungen von Polizisten halten.
       
       Bereits am Donnerstag hatte es für Empörung gesorgt, dass demonstrierende
       Bauern im schleswig-holsteinischen Schlüttsiel Vizekanzler Robert Habeck
       (Grüne) am Aussteigen einer Fähre gehindert hatten. [2][Auch Rechtsextreme
       hatten dort zum Protest mitmobilisiert].
       
       ## Thüringer Verfassungsschutz warnt vor Rechtsextremen
       
       Inzwischen rufen weite Teile der rechtsextremen Szene auch dazu auf, [3][an
       den bundesweiten Protesten teilzunehmen]: die AfD, „Die Heimat“ (einst
       NPD), der „III. Weg“, die „Freien Sachsen“, das „Ein Prozent“-Netzwerk oder
       das „Compact“-Magazin. Einige beschwören einen „Generalstreik“ und
       Umsturzfantasien.
       
       Der Deutsche Bauernverband wies die Unterstützungsaufrufe zurück. Man
       distanziere sich „aufs Schärfste von Personen, die Umsturzfantasien
       propagieren oder Gewalt verherrlichen sowie Personen aus
       rechtsextremistischen Kreisen“. Der Protest müsse friedlich bleiben und
       dürfe keine illegalen Aktionen oder Übergriffe beinhalten. Auch Symbole wie
       Galgen oder extremistische Embleme lehne man entschieden ab, erklärte der
       Verband.
       
       In der rechtsextremen Szene ließ man sich davon aber bisher nicht stoppen.
       Eine Sprecherin von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) erklärte, es
       sei davon ausgehen, dass Rechtsextremisten im Verlauf der Protestwoche
       versuchen werden, „die entsprechenden Veranstaltungen für eigene Interessen
       zu instrumentalisieren“. Die Sicherheitsbehörden hätten dies „genau im
       Blick“. Und die Protestinitiatoren sollten dafür sorgen, „dass solche
       Instrumentalisierungsversuche durch Extremisten nicht verfangen“.
       
       Auch Thüringens Verfassungsschutzchef Stephan Kramer sagte der taz, schon
       in den vergangenen Jahren hätten Rechtsextremisten „stetig und konsequent
       versucht, jede Form von legitimem Bürgerprotest zu unterwandern und damit
       in die Mitte der Gesellschaft vorzudringen, indem sie sich als die wahren
       Volksvertreter aufspielen“. „Daher ist es nicht wirklich eine Überraschung,
       dass jetzt auch die Bauernproteste genutzt werden sollen.“ Jedes emotionale
       Thema sei für diese Strategie geeignet und werde auch genutzt, so Kramer.
       „Es bleibt abzuwarten, ob die Rechnung für die Rechtsextremisten aufgeht.“
       
       Der Verfassungsschutz Nordrhein-Westfalen erklärte ebenso, verschiedenste
       Akteure der rechtsextremen Szene oder der früheren Coronaproteste
       versuchten sich auf die Bauernproteste „aufzusatteln“. Während die Bauern
       aber legitime Kritik an politischen Entscheidungen übten, stellten die
       Verfassungsfeinde das politische System als solches in Frage. Bisher lägen
       jedoch noch keine Erkenntnisse vor, dass die Bauern in Nordrhein-Westfalen
       auf die rechtsextremen Avancen positiv reagierten.
       
       Christian Pegel (SPD), Innenminister von Mecklenburg-Vorpommern,
       appellierte dennoch an die Bauern aufzupassen, „mit wem Sie demonstrieren“.
       Der Protest müsse auf dem Boden der demokratischen Grundordnung bleiben.
       „Klare Indizien dafür sind der Respekt vor der Menschenwürde und jeglicher
       Verzicht auf Gewalt.“
       
       8 Jan 2024
       
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