# taz.de -- Arbeitsbedingungen in der Paketbranche: Auslieferung ohne Ausbeutung
       
       > Niedersachsen und Bremen wollen Subunternehmen und Werkverträge bei
       > Paketdiensten verbieten. Vorbild ist das Vorgehen in der
       > Fleischindustrie.
       
 (IMG) Bild: Eine Sackkarre voller Pakete: Paketzusteller:innen haben immer mehr zu tun
       
       HAMBURG taz | Fristlose Kündigungen wegen Krankheit, [1][regelmäßige
       Überschreitung der gesetzlichen Höchstarbeitszeit, Bezahlung unterhalb des
       Mindestlohns:] Schon bald könnte Schluss sein mit miesen
       Arbeitsbedingungen, unter denen Paketzusteller:innen zu leiden haben.
       Das hofft jedenfalls der niedersächsische Arbeitsminister Andreas Philippi
       (SPD).
       
       Niedersachsen will gemeinsam mit Bremen und weiteren Bundesländern mit
       einem Verbot von Subunternehmen und Werkverträgen die Arbeitsbedingungen in
       der Paketbranche verbessern. „Der ausufernde Einsatz von Subunternehmen und
       Soloselbstständigen über Werkverträge untergräbt den Mindestlohn und
       befördert Scheinselbstständigkeit“, sagt Philippi mit Blick auf den
       kommenden Freitag. Dann soll im Bundesrat das Vorhaben auf den Weg gebracht
       werden.
       
       Bezug nehmen die Länder auf das Vorgehen in der Fleischindustrie: Auch dort
       wurden [2][jahrelang die Arbeitsbedingungen beklagt und immer wieder
       Verstöße gegen die Rechte von Arbeitnehmer:innen aufgedeckt] – so wie
       es Gewerkschaften auch heute weiterhin in der Paketbranche beklagen. „Wir
       müssen konsequent handeln, wenn in bestimmten Branchen Arbeitnehmerrechte
       regelhaft unterlaufen werden“, sagt Philippi nun – und bezieht sich auf das
       robuste Vorgehen der Politik in der Fleischindustrie.
       
       Denn mit dem Anfang 2021 in Kraft getretenen Arbeitsschutzkontrollgesetz
       ist es dort seither grundsätzlich verboten, Fremdpersonal im Kerngeschäft,
       also bei der Schlachtung, Zerlegung und Verarbeitung, einzusetzen. „Daher
       sollte auch wie in der Fleischbranche mit einem Verbot von Werkverträgen
       reagiert werden“, forderte der Minister.
       
       ## Bundesregierung will Postgesetz reformieren
       
       Die Idee ist nicht ganz neu, schon in vergangenen Jahr hatte sich der
       rot-grün-rote Bremer Senat für ein solches Verbot starkgemacht und eine
       Bundesratsinitiative angeschoben, die aber keinen Erfolg gebracht hatte.
       Nun sehen die Länder einen anderen, vielversprechenderen Hebel: Vor einem
       Monat hatte die Bundesregierung den Entwurf zum sogenannten
       Postrechtsmodernisierungsgesetz beschlossen.
       
       Vorrangig geht es der Bundesregierung darum, Postdienstleistungen „zu
       erschwinglichen Preisen sicherzustellen und den fairen Wettbewerb zu
       fördern“. Die Länder haben dazu jetzt einen Änderungsantrag eingebracht,
       mit dem das Verbot von Werkverträgen und Subunternehmen in das
       Postrechtsmodernisierungsgesetz mit aufgenommen werden soll.
       
       Darin soll auch eine Kennzeichnungspflicht für mittelschwere und schwere
       Pakete aufgenommen werden, ebenso das Gebot, dass schwere Pakete über 20
       Kilogramm künftig nur dann von einer Person zugestellt werden dürfen, wenn
       technische Hilfsmittel zur Verfügung stünden.
       
       Thomas Warner hält das Vorhaben für eine gute Idee. Er ist bei Verdi im
       Landesbezirk Niedersachsen-Bremen für die Post- und Paketbranche zuständig.
       „Wir sprechen uns schon seit Langem dafür aus“, sagt Warner. Die Arbeit in
       der Branche habe schließlich massiv zugenommen. Tatsächlich ist die Anzahl
       der Sendungen von Kurier-, Express- und Paketdiensten in Deutschland
       zwischen 2014 und 2022 um rund 33 Prozent auf 4,1 Milliarden pro Jahr
       gestiegen.
       
       Der Bundesverband Paket & Express Logistik (Biek) rechnet für die kommenden
       Jahre mit einem anhaltenden Wachstum, schon in vier Jahren könnte die
       5-Milliarden-Marke geknackt werden: „Der florierende Onlinehandel ist der
       Hauptgrund für die größere Sendungsmenge“, erklärt der Branchenverband.
       Zugleich ist die Zahl der Mitarbeiter:innen nicht im selben Maß
       gestiegen, sodass die Belastung wächst. „Es herrscht ein hoher Druck“, sagt
       Warner.
       
       ## Amazon setzt auf Subunternehmen
       
       Der Branchenverband hält ein solch weitreichendes Verbot allerdings für
       illegal. „Ein Verbot von Vertragspartnern bei der Paketzustellung greift
       tief in die Berufsfreiheit der Partnerunternehmen ein, ihre Berufstätigkeit
       wird verboten“, heißt es seitens des Biek.
       
       [3][Ein Gutachten, das im Auftrag der Hans-Böckler-Stiftung für
       Arbeitsrecht erstellt wurde,] kommt hingegen zum gegenteiligen Schluss: Ein
       Direktanstellungsgebot in der Paketzustellung sei sehr wohl mit dem
       Verfassungs- und Europarecht vereinbar.
       
       Treffen würde es in der Branche alle, sagt Warner, aber nicht in gleichem
       Maß: Für die Deutsche Post und seine Pakettochter DHL fiele ein Verbot
       nicht allzu sehr ins Gewicht, bei anderen umso mehr: „Ob GLS, DPD oder
       Hermes – sie alle lassen Pakete komplett von Subunternehmen zustellen“,
       sagt Warner. [4][Selbes gilt auch für Amazon,] seit der Onlinehändler immer
       weniger Pakete durch DHL, sondern selbstorganisiert zustellt: Der
       Marktanteil Amazons ist im vergangenen Jahr bei den Paketsendungsmengen
       laut der Bundesnetzagentur auf bis zu 25 Prozent gestiegen.
       
       „Amazon stellt aber ja nicht selber zu, sondern beauftragt Subunternehmer
       mit der Durchführung“, sagt Warner. Und dort seien es mittlerweile vor
       allem Migrant:innen, die von den katastrophalen Arbeitsbedingungen
       betroffen sind: Subunternehmen würden gezielt Migrant:innen suchen und
       damit werben, dass man für diesen Job kein Deutsch können muss. „Das
       begünstigt dann die Rechtsverstöße der Subunternehmen“, sagt Warner.
       
       29 Jan 2024
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Arbeitsbedingungen-in-der-Paketbranche/!5956835
 (DIR) [2] /Ausbeutung-bei-Amazon/!5980811
 (DIR) [3] https://www.boeckler.de/de/pressemitteilungen-2675-paketbranche-52074.htm
 (DIR) [4] /Subunternehmen-One-Motion-Logistic/!5752381
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) André Zuschlag
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Paketdienste
 (DIR) Amazon
 (DIR) Niedersachsen
 (DIR) Werkverträge
 (DIR) Gewerkschaft
 (DIR) Postgesetz
 (DIR) Deutsche Post
 (DIR) Mindestlohn
 (DIR) Zusteller
 (DIR) Deutsche Post
 (DIR) Online-Shopping
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Verdi kritisiert Verkauf von Post-Aktien: „Schlussverkauf-Mentalität der FDP“
       
       Nach dem Verkauf von Anteilen der DHL Group kritisiert Verdi Finanzminister
       Lindner. Die Bahn querzufinanzieren sei „geradezu absurd“.
       
 (DIR) Deutschland verkauft Post-Anteile: Aktien für 2,17 Milliarden Euro
       
       Der deutsche Staat macht 50 Millionen Post-Aktien zu Geld.
       Bundesfinanzminister Christian Lindner will durch Privatisierungen den
       Haushalt aufstocken.
       
 (DIR) Mehr Verstöße gegen den Mindestlohn: Weniger Kontrollen, mehr Delikte
       
       Der Zoll hat im vergangenen Jahr weniger Arbeitgeber kontrolliert als noch
       2022. Die Zahl der Gesetzesverstöße aber geht nicht zurück.
       
 (DIR) Arbeitsbedingungen in der Paketbranche: Zusteller bleiben schutzlos
       
       In der Paketbranche sorgen vor allem dubiose Subunternehmer für
       katastrophale Arbeitsbedingungen. Gewerkschaften kämpfen für ein Verbot.
       
 (DIR) Beschwerden auf Rekordniveau: Die Post kommt nicht
       
       In den vergangenen Monaten warteten viele Bundesbürger vergeblich auf ihre
       Briefe. Zahl der Beschwerden verdreifachte sich im vergangenen Jahr.
       
 (DIR) Drohnen als Lieferanten: Schöne Städte statt Paketflut
       
       Fünf Jahre nach dem ersten Test mit einer Paketdrohne steht fest: Neben den
       Straßen wäre damit auch der Luftraum verstopft.