# taz.de -- Harsche Kritik an UNRWA-Arbeit: There is no „no alternative“
       
       > Wenn das Ende des UNRWA-Mandats gefordert wird, heißt es oft, es gebe
       > keine Alternative zum Hilfswerk für Geflüchtete. Unser Autor sieht das
       > anders.
       
 (IMG) Bild: Schulen sind wichtig, könnten aber auch staatlich betrieben werden: Schule des UNRWA im palästinensisch geprägten Ost-Jerusalem
       
       Seit die direkte Beteiligung eines Dutzends [1][UNRWA-Mitarbeiter] am
       Massaker des 7. Oktober und die Verstrickung etlicher weiterer Bediensteter
       in die Aktivitäten der Hamas für Schlagzeilen sorgen, mehren sich die Rufe
       nach einer Auflösung des Hilfswerks. Am Mittwoch forderte etwa der
       israelische Ministerpräsident Netanjahu, die [2][UNRWA-Misson] müsse ganz
       beendet werden.
       
       Im Gegenzug warnen [3][zahlreiche Verteidiger] der UNRWA, Millionen
       Palästinenser im Libanon, in Syrien, in Jordanien, im Westjordanland und im
       Gazastreifen seien auf die Leistungen dieser größten UN-Organisation
       angewiesen. Sie aufzulösen wäre unverantwortlich, niemand sonst könne deren
       Arbeit übernehmen.
       
       Es stimmt, dass Millionen Palästinenser auf Dienste der UNRWA angewiesen
       sind, doch das ist kein Argument für ein Weiterbestehen der Organisation,
       sondern belegt vielmehr ihre Dysfunktionalität.
       
       Während das für alle anderen Flüchtlinge auf der Welt zuständige
       Flüchtlingshochkommissariat UNHCR seit 1950 an der effektiven Lösung von
       Flüchtlingsproblemen arbeitet und zig Millionen Geflohenen geholfen hat,
       ein neues Leben aufzubauen, trägt die UNRWA seit Langem dazu bei, das
       palästinensische Flüchtlingsproblem aufrechtzuerhalten.
       
       Sie habe, bemerkte sie anlässlich des 60. Jahrestags ihrer Gründung
       lapidar, „kein Mandat, um dauerhafte Lösungen für die palästinensischen
       Flüchtlinge zu finden“.
       
       ## Ausnahmesituation in Gaza
       
       Stattdessen bringt sie, wie oftmals dokumentiert, den in ihren Schulen
       unterrichteten Kindern bei, die einzige Lösung für ihr Flüchtlingsdasein
       bestünde in einer „Rückkehr“ nach Israel. Da der Flüchtlingsstatus bei den
       Palästinensern – im Gegensatz zu allen anderen Flüchtlingsgruppen weltweit
       – vererbt wird, wurden aus ursprünglich rund 700.000 Flüchtlingen im Laufe
       der Jahre rund 5,9 Millionen. Würde Hilfe für Flüchtlinge überall so
       aussehen wie beim Palästinenser-Hilfswerk, wäre die Welt viel trostloser,
       als sie ohnehin ist.
       
       Verteidiger der UNRWA verweisen bevorzugt auf die Not der Menschen im
       Gazastreifen, um die angebliche Unersetzbarkeit zu untermauern. Die Lage
       der Menschen in Gaza ist ohne Zweifel ein dramatisches Problem, doch es ist
       eine Ausnahmesituation, entstanden durch den von der Hamas begonnenen
       Krieg.
       
       Womit die UNRWA in normalen Zeiten beschäftigt ist, zeigt ein Blick auf
       ihre eigenen Angaben: Nur sechs Prozent des Budgets werden für Sozial- und
       Hilfsleistungen (wie Nahrungsmittel) aufgewendet, 58 Prozent für Bildung,
       also für rund 700 Schulen, in denen über eine halbe Million Schüler
       unterrichtet wird.
       
       ## Hilfen für reguläres Schulsystem statt UNRWA-Schulen
       
       Wozu braucht es in Jordanien, wo rund 2,3 Millionen palästinensische
       Flüchtlinge registriert sind (die meisten jordanische Staatsbürger),
       abseits des staatlichen Schulsystems noch separate UNRWA-Schulen?
       
       Warum gibt es im Westjordanland (fast 900.000 registrierte Flüchtlinge)
       neben den Schulen der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA) auch noch
       solche?
       
       Was leisten die UNRWA-Schulen, was nicht von regulären Schulsystemen
       erbracht werden kann?
       
       Die internationalen Gelder können genauso gut zur Unterstützung der
       jeweiligen staatlichen Bildungssysteme verwendet, die UNRWA-Lehrer in
       staatliche Dienstverhältnisse überführt werden. Im Westjordanland würde
       dies eine Stärkung der Position der PA bedeuten. Mit Druck der Geberländer
       könnten Reformen in den Curricula angestoßen werden, um hetzerische und
       gewaltverherrlichende Inhalte zu streichen.
       
       ## Die Arbeit könnte ersetzt werden
       
       Was für die Bildung gilt, trifft auch auf den Gesundheitsbereich (15
       Prozent des UNRWA-Budgets) und alle anderen Felder zu: Nichts, was die
       UNRWA macht, könnte nicht von Staaten, internationalen Einrichtungen wie
       dem World Food oder dem UN Development Programm und Hilfsorganisationen
       geleistet werden.
       
       Eine Auflösung der UNRWA könnte die Flüchtlingshilfe in die Zuständigkeit
       des UNHCR überführen, das bei der Überwindung des Flüchtlingsproblems
       behilflich sein kann, wie überall auf der Welt. Das damit einhergehende
       Ende der Vererbbarkeit des Flüchtlingsstatus wäre ein absolut notwendiger
       Schritt, um das Problem nicht wachsen zu lassen.
       
       Verteidiger der UNRWA behaupten, das palästinensische Flüchtlingsproblem
       könne nur durch eine Lösung des Konflikts mit Israel bewältigt werden, doch
       auch das Argument ist unhaltbar: Das UNHCR hat auch kein Mandat, Konflikte
       zu lösen, kann aber trotzdem Flüchtlingen helfen – warum soll das im Falle
       der Palästinenser unmöglich sein?
       
       Das einzige Besondere am palästinensischen Flüchtlingsproblem ist das
       Interesse einer Reihe von Akteuren, es nicht zu lösen, sondern als
       schwelende Wunde im Kampf gegen Israel zu erhalten.
       
       Was die UNRWA betrifft, gilt: Es kann kein Zurück vor dem 7. Oktober geben.
       Die Auflösung der UNRWA ist praktisch möglich – und dringender geboten als
       je zuvor.
       
       2 Feb 2024
       
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Florian Markl
       
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