# taz.de -- „Wir haben es satt!“ fordert Agrarwende: Bunter Protest vor dem Kanzleramt
       
       > Für eine nachhaltigere Agrarpolitik demonstrierten Tausende am Samstag in
       > Berlin. Bundeslandwirtschaftsminister Özdemir gestand zuvor Fehler ein.
       
 (IMG) Bild: „Rechte Rüben unterpflügen“ steht auf einem Traktor bei der „Wir haben es satt“-Auftaktkundgebung am Willy-Brandt-Haus in Berlin
       
       BERLIN taz | Tausende Menschen demonstrierten am Samstag in Berlin
       friedlich und laut für eine nachhaltigere Landwirtschaftspolitik. Ein
       Bündnis von zivilgesellschaftlichen Organisationen und Landwirt*innen
       hatte zum 14. Mal zum „Wir haben es satt!“-Protest aufgerufen. Unter dem
       Motto „Gutes Essen braucht Zukunft – für eine gentechnikfreie, bäuerliche
       und umweltverträgliche Landwirtschaft!“ zogen die zwischen 7.000 und 8.000
       Teilnehmenden unter bunten Fahnen vom Willy-Brandt-Haus in Berlin bis vor
       das Bundeskanzleramt.
       
       Das Bündnis aus knapp 60 Organisationen, darunter Natur-, Umwelt- und
       Klimaschutzorganisationen sowie die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche
       Landwirtschaft (AbL), [1][fordert eine „sozial gerechte Agrarwende“], die
       insbesondere kleinere Landwirtschaftsbetriebe schützt. Es spricht sich
       gegen Gentechnik aus, für fairere Preise, für Klima- und Umweltschutz und
       gegen den großflächigen Aufkauf von Agrarland. Die geplanten
       Subventionskürzungen beim Agrardiesel lehnt das Bündnis nicht kategorisch
       ab, kritisiert aber deren kurzfristige Umsetzung.
       
       Demonstrierende hatten ihre Forderungen schon am Vormittag an
       Landwirtschaftsminister Cem Özdemir übergeben: Eine Gruppe
       Landwirt*innen und Aktivist*innen war dafür in einem Protestzug von
       etwa 50 Traktoren vor das Messezentrum in Berlin gezogen, wo seit Freitag
       die Agrarmesse „Grüne Woche“ stattfindet. Ihre „bäuerliche Protestnote“
       hatten zuvor laut eigenen Angaben über 60.000 Menschen unterschrieben.
       
       Trotz aller Kritik blieb die Stimmung vor der Messe ruhig: „Sie sind zum
       Ankündigungsminister geworden“, warf Inka Lange, Sprecherin des Bündnisses,
       Özdemir vor. Nur 17 Prozent der im Koalitionsvertrag angekündigten Vorhaben
       seien bisher umgesetzt. Auf der aktuellen Protestwelle müssten jetzt die
       schon lange bekannten Forderungen umgesetzt werden, ergänzte Anastasia Kühn
       von der jungen AbL. Es müssten „endlich die Bedingungen für eine Zukunft
       junger Landwirt*innen und eine Vielfalt der Höfe geschaffen werden.“
       
       ## Geteilte Kritik an FDP und SPD
       
       Özdemir bekräftigte bei seiner Rede die Chancen des Moments, warnte
       zugleich aber vor der [2][Gefahr eines Rechtsrucks]: Vom CDU-nahen
       Deutschen Bauernverband (DBV) und von der Regierung enttäuschte
       Landwirt*innen würden „nicht nach links, sondern nach rechts ziehen“.
       Diese Entwicklung gelte es gemeinsam zu bekämpfen. Er sei zuletzt auf
       Protesten gewesen, wo der Ton „ein ganz anderer“ gewesen sei, so Özdemir.
       
       Im Zusammenhang mit Subventionskürzungen gestand er stellvertretend für die
       Ampel-Regierung Fehler ein: „Wenn man was ausgefressen hat, so wie wir in
       der Regierung, dann muss man Proteste abkönnen“. Langsame Fortschritte im
       Agrarbereich schob er allerdings auf zähe Verhandlungen in der Koalition:
       „Was die FDP will, das wissen wir alle. Was die SPD will, da bin ich mir
       selbst noch nicht so sicher.“
       
       ## Sozial gerechte Landwirtschaftspolitik
       
       Auf der Wir-haben-es-satt-Demonstration adressierten Redner*innen
       mehrmals Bundeskanzler Olaf Scholz. Auch die Protestroute von der
       SPD-Parteizentrale bis vor das Kanzleramt wurde nicht zufällig gewählt,
       bestätigte Sprecherin Inka Lange der taz: „Die SPD hat vergessen, was
       sozial gerechte Politik ist“ – dem Höfesterben sehe der Bundeskanzler
       einfach zu.
       
       Für die kommende Woche sind weitere Proteste angekündigt, allerdings vom
       Deutschen Bauernverband, dessen [3][Forderungen mit jenen des „Wir haben es
       satt“-Bündnisses teilweise unvereinbar] sind. Sollten die Sparpläne der
       Bundesregierung im Agrarbereich nicht vollständig zurückgenommen werden,
       würden [4][„Nadelstiche, die wehtun“] folgen, so Verbandspräsident Joachim
       Rukwied. Die aktuellen Proteste seien „nur ein Vorbeben“, bald folge „die
       Eruption“.
       
       20 Jan 2024
       
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