# taz.de -- Soldaten in der Ukraine: Ein Krankenwagen für die Kameraden
       
       > Für jeden getöteten Soldaten zahlt die Ukraine den Hinterbliebenen
       > eine Entschädigung. Viele Familien spenden das Geld – etwa für die
       > Truppen.
       
 (IMG) Bild: Viele Hinterbliebene gefallener Soldaten spenden die Entschädigung – zum Beispiel für einen neuen Sportplatz
       
       LUZK taz | 15 Millionen Hrywna – umgerechnet rund 365.000 Euro – für ein
       Menschenleben. Auf diese Summe beläuft sich die Entschädigung, die der
       ukrainische Staat an Hinterbliebene von im Krieg getöteten Soldaten
       auszahlt. Einen entsprechenden Beschluss fasste die Regierung nur wenige
       Tage nach dem Beginn von [1][Russlands Invasion in der Ukraine am 24.
       Februar 2022]. Das Geld kommt zuverlässig und schnell.
       
       Oft beschließen Familien, einen Teil dieser Entschädigung für die
       Bedürfnisse der Armee zu spenden. Eine weitere Möglichkeit ist, dass die
       Ukrainer*innen dieses Geld für Infrastrukturprojekte in ihren Städten
       oder Dörfern ausgeben, damit sich mehr Menschen an den Einsatz der Soldaten
       erinnern.
       
       Maria Peschko ist Mutter eines [2][verstorbenen ukrainischen Soldaten]. Sie
       hat die Entschädigung vom Staat für den Bau eines Fußballplatzes im Dorf
       Orwjanitza in der westukrainischen Region Riwne gespendet.
       
       Maria war 40 Jahre lang Lehrerin an der örtlichen Schule. Auch ihr Sohn
       Iwan Kljuko hat diese Schule besucht. Maria weint die ganze Zeit, wenn sie
       von ihm spricht. Die Wunde durch den Verlust ihres einzigen Sohnes ist
       immer noch tief. Von Zeit zu Zeit huscht ein verhaltenes Lächeln über ihr
       Gesicht, dann erzählt sie, was für ein Mensch ihr Iwan war.
       
       ## „Für mein Alter reicht das, was ich verdient habe“
       
       Das erste Mal ging er 2014 an die Front. Iwan sagte, er würde gehen, um
       sein Land zu verteidigen. Er könne doch nicht zu Hause sitzen und die Hände
       in den Schoß legen. Nach der Demobilisierung arbeitete er im Ausland, wo er
       seine zukünftige Frau kennenlernte.
       
       Im April 2022 unterschrieb Iwan zum zweiten Mal einen Vertrag bei der Armee
       und machte sich auf in den Krieg – als Flugabwehrschütze. Seine Mutter sah
       ihn nicht wieder. Der 35-jährige Sohn starb in der ostukrainischen Region
       Luhansk.
       
       Nach der Beerdigung beschloss Maria, die Erinnerung an ihren Sohn
       wachzuhalten. Nachdem sie für Iwans Tod das Geld vom Staat erhalten hatte,
       begann sie einige Monate später, sich für den Bau eines modernen
       Fußballplatzes im Dorf zu engagieren. Im vergangenen Oktober wurde der
       Platz offiziell eröffnet. Das erste Spiel bestritten Iwans Kameraden, die
       für einige Tage von der Front zurückgekehrt waren.
       
       „Ich habe nicht zwei Leben. Für mein Alter reicht das, was ich verdient
       habe. Um etwas von mir und meinem Sohn zu hinterlassen, habe ich
       beschlossen, für meine Dorfbewohner etwas Gutes zu tun. Dieser Platz ist
       die beste Erinnerung an Iwan“, sagt Maria Peschko.
       
       Eine Geschichte wie diese ist in der Ukraine nicht ungewöhnlich. Ein
       Mitarbeiter der Abteilung für soziale Dienste in der westukrainischen Stadt
       Luzk, die die Entschädigungsfälle bearbeitet, sagt, dass in fast allen
       Fällen Angehörige fragten, wie sie Geld an Wohltätigkeits- oder
       Hilfsprojekte der Armee überweisen könnten.
       
       „Wir haben in solchen Fällen kein Recht auf formelle Beratung, bitten
       jedoch um eine erneute Rücksprache mit der Familie. Sehr oft spenden
       Angehörige der Opfer an die Kampfeinheiten, in denen ihre Ehemänner oder
       Söhne gedient haben“, sagt ein anderer Mitarbeiter, der anonym bleiben
       will.
       
       ## Eine Kirchenglocke für die Gemeinde
       
       Auf den Seiten von Wohltätigkeitsstiftungen sind weitere Geschichten
       nachzulesen. Da ist zum Beispiel Nadeschda Derkat, eine 57-jährige Witwe
       aus der Region Wolhynien. Die über 350.000 Euro Entschädigung für den Tod
       ihres Mannes spendete sie der Armee. 50 Kamikaze-Drohnen, drei
       Aufklärungsdrohnen und eine Wärmebildkamera wurden an vier Brigaden an der
       Front übergeben.
       
       „Während eines Urlaubs unterhielt sich mein Mann mit unserem Sohn über
       Zahlungen vom Staat im Todesfall. Mein Mann sagte: Was tun mit diesem Geld?
       Besser ist es doch, für das Militär Drohnen oder Autos zu kaufen, um den
       Soldaten ihren Dienst zu erleichtern. Daher war die Entscheidung, Geld an
       die Streitkräfte der Ukraine zu überweisen, wohl überlegt“, sagt Nadeschda
       Derkat.
       
       Iwan und Jaroslawa Soltys aus der Stadt Sudowaja Vishnja verloren im Krieg
       ihren einzigen Sohn Wladimir, er hatte sich freiwillig für einen Einsatz an
       der Front gemeldet. Sie kauften in Polen einen Krankenwagen. Wladimir war
       34 Jahre alt. „Ich habe gesehen, in welchem Zustand der Körpers meines
       Sohnes war, als sie ihn brachten. Da habe ich beschlossen, einen
       Krankenwagen zu kaufen, um seinen Kameraden an der Front zu helfen“, sagt
       Ivan Soltys.
       
       Anna Kubay, Ehefrau eines getöteten Soldaten aus der Stadt Mena in der
       Region Tschernihiw, schenkte ihrer Gemeinde eine Kirchenglocke und einen
       Spielplatz. Sie hat fünf Söhne. Sie alle kämpfen jetzt für die Ukraine
       gegen die russischen Truppen.
       
       Der Vater des Scharfschützen Stepan Gabrus aus der Region Lwiw kaufte mit
       der Entschädigung, die ihm der ukrainische Staat gezahlt hatte, drei
       Fahrzeuge für die Streitkräfte der Ukraine. „Mein Sohn kommt nicht mehr
       zurück, aber es gibt andere, für die wir an allen Fronten kämpfen müssen“,
       sagt er.
       
       Aus dem Russischen von Barbara Oertel
       
       16 Feb 2024
       
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