# taz.de -- Christ*innen in Iran: Haft und Peitschenhiebe
       
       > In Iran geraten Christ*innen immer mehr unter Druck des Regimes. Eine
       > Konvertierung zum Christentum wird als politischer Angriff angesehen.
       
 (IMG) Bild: Misstrauen vom Staat: Bischof Neshan Topouzian in seiner Kirche in Chaldran, 850 Kilometer nordwestlich von Teheran
       
       BERLIN taz | Weil die 60-jährige Iranerin Mina Khajavi zum Christentum
       konvertierte, wurde sie vom Teheraner Revolutionsgericht wegen angeblichem
       „Handeln gegen die nationale Sicherheit durch die Förderung des
       ‚zionistischen‘ Christentums“ zu sechs Jahren Haft verurteilt. Ihre
       Haftstrafe musste sie Anfang Januar antreten, obwohl ihr in Folge eines
       Autounfalls Metallplatten in den Fußknöchel operiert werden mussten und sie
       bis heute nicht richtig gehen kann. Derzeit befindet sie sich im
       berüchtigten Evin-Gefängnis.
       
       Khajavi ist nicht die Einzige, die aufgrund der Zugehörigkeit zum
       Christentum verfolgt wird. Die Islamische Republik gehört zu den zehn
       Ländern mit der stärksten Christenverfolgung weltweit. Für das vergangene
       Jahr zählt die in Großbritannien ansässige Organisation [1][Article 18] 166
       Verhaftungen.
       
       Mehr als 100 Christ*innen wurden allein in drei Monaten im Sommer
       inhaftiert, kurz vor dem Jahrestag der Ermordung von [2][Jina Mahsa Amini].
       Um zu verhindern, dass neue Proteste entstehen, erhöhten die Behörden den
       Druck auf zahlreiche Gruppen, vor allem Frauen und ethnische Minderheiten
       sowie Angehörige der religiösen Minderheit der Baha’i.
       
       Auch Christ*innen, die bei den [3][Protesten 2022] aktiv waren, wurden vor
       dem Jahrestag erneut verhaftet oder vorgeladen. Ihnen wurde mit neuen
       Anklagen gedroht, sollten sie an Protesten teilnehmen.
       
       ## Andere Religionen als der Islam gelten als Bedrohung
       
       Dies hielt iranische christliche Organisationen und Kirchen nicht davon ab,
       im September 2023 ein [4][gemeinsames Statement] zu veröffentlichen, in dem
       sie „Respekt vor den Menschenrechten und das Ende der Herrschaft von
       Diskriminierung und Ungerechtigkeit“ forderten. Auch in der Weihnachtszeit
       wurden verstärkt Christ*innen festgenommen.
       
       Mindestens 1,2 Millionen Christ*innen zählt die Organisation [5][Open
       Doors] in Iran. Die Zahl nehme durch Konvertierungen zu, erklärt Mansour
       Borji, Geschäftsführer von Article 18. „Vier Jahrzehnte autoritärer
       Herrschaft haben zu Enttäuschung über islamistische Versprechungen
       geführt“, so Borji.
       
       Durch diese Enttäuschung konvertierten immer mehr Menschen zu anderen
       Religionen oder entschieden sich für ein Leben als Atheist. „Eine
       beträchtliche Anzahl hat sich auch dafür entschieden, den christlichen
       Glauben anzunehmen, da er ihnen Hoffnung und spirituelle Verbundenheit
       bietet“, erklärt Borji weiter.
       
       Dieser Akt wird vom Regime als politischer Angriff gewertet. Andere
       Religionen werden als Bedrohung für die Islamische Republik und ihre Werte
       angesehen. Zwar genießen aramäische und assyrische Christ*innen in der
       iranischen Verfassung offiziell Schutz, doch erfahren sie dennoch
       Diskriminierung. Sie dürfen unter anderem nicht in persischer Sprache
       Gottesdienste abhalten oder mit Muslim*innen über ihren Glauben
       sprechen.
       
       ## Konvertiten dürfen sich nicht in Kirchen versammeln
       
       Die numerisch größte christliche Gemeinschaft in Iran sind Konvertiten aus
       dem Islam. Diese werden vom Staat nicht anerkannt und vom Regime massiv
       verfolgt. Konvertiten dürfen sich nicht in Kirchen versammeln, sondern sind
       gezwungen, sich heimlich in privaten Häusern zu treffen, um Gottesdienste
       abzuhalten, sogenannte Hauskirchen. Regelmäßig werden diese Hauskirchen vom
       Geheimdienst und von der Revolutionsgarde ausspioniert und gestürmt. Ihre
       Mitglieder werden festgenommen und wie Mina Khajavi zu langen Haftstrafen
       verurteilt. Neben der Haft werden auch weitere Methoden der Bestrafung
       gewählt, beispielsweise Auspeitschung oder Zwangsarbeit.
       
       Gegenüber Article 18 gaben viele Betroffene an, zur Teilnahme an
       „islamischen Umschulungen“ gezwungen worden zu sein. Dabei wurden sie in
       Anwesenheit des Geheimdienstes gefilmt, mit dem Ziel, aus ihren Aussagen
       neue Anklagen gegen sie zu entwickeln. Nach der Haftentlassung geht die
       Diskriminierung weiter: Viele berichten, dass sie von ihren Arbeitsplätzen
       entlassen wurden, oft auf Druck des Geheimdienstes. Auch Familienangehörige
       werden unter Druck gesetzt.
       
       Aufgrund der massiven Einschüchterung sprechen viele Betroffene nicht mit
       Medien und Organisationen über ihr Schicksal. „Die Islamische Republik
       droht den Opfern mit Inhaftierung und sogar physischer Gewalt gegen sie und
       ihre Familien, um sie zum Schweigen zu bringen“, sagt Geschäftsführer Borji
       auf Anfrage der taz. Der Jahresbericht von Article 18 trägt daher den Titel
       „Gesichtslose Opfer“.
       
       19 Feb 2024
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://articleeighteen.com/
 (DIR) [2] /Frauenrevolution-im-Iran/!5967632
 (DIR) [3] /Demonstrationen-im-Iran/!5884279
 (DIR) [4] https://articleeighteen.com/news/13769/
 (DIR) [5] https://www.opendoors.de/christenverfolgung/weltverfolgungsindex/laenderprofile/iran
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Daniela Sepehri
       
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