# taz.de -- Antisemitismus an Berliner Hochschulen: Rauswurf mit Eile
       
       > Nach antisemitischen Übergriffen von Studierenden will der Senat bis Ende
       > März eine Gesetzesänderung für Zwangsexmatrikulationen auf den Weg
       > bringen.
       
 (IMG) Bild: Die Umfallerin: Wissenschaftssenatorin Ina Czyborra war eigentlich gegen Exmatrikulationen. Nun kann es nicht schnell genug gehen
       
       BERLIN taz | Erst stellte sich Wissenschaftssenatorin Ina Czyborra (SPD)
       quer, nun hat sie dem Druck innerhalb der Koalition nachgegeben: Ihr Haus
       bereite eine Gesetzesänderung vor, mit der Exmatrikulationen von
       „Gewalttätern und Straftätern“ an Berliner Hochschulen wieder möglich
       gemacht werden, sagte Czyborra am Dienstag im Anschluss an die
       Senatssitzung.
       
       Der Gesetzentwurf soll „so schnell wie möglich“, jedenfalls noch vor der
       Osterpause Ende März, vom Senat beschlossen werden. Bis zum Sommer könnte
       die Novelle des Hochschulgesetzes dann das Abgeordnetenhaus passieren,
       sagte Czyborra. „Wir sehen da eine große Eilbedürftigkeit“, assistierte ihr
       Senatssprecherin Christine Richter.
       
       Der Eilbedürftigkeit vorausgegangen war Anfang Februar die [1][brutale
       Attacke eines Studenten der Freien Universität auf einen jüdischen
       Kommilitonen] in Mitte. Die Staatsanwaltschaft geht von einem gezielten
       Angriff mit antisemitischem Hintergrund aus. Gegen den Angreifer hat die FU
       bereits ein dreimonatiges Hausverbot auf dem gesamten Campus ausgesprochen
       – mit Option auf Verlängerung. Mehr ist nach einer Änderung des
       Hochschulgesetzes 2021 nicht drin. Das soll nun geändert werden.
       
       Mit ihrem Bekenntnis, „einen sicheren Rechtsrahmen“ für Exmatrikulationen
       schaffen zu wollen, legt die Wissenschaftssenatorin letztlich [2][eine
       veritable Rolle rückwärts] aufs Parkett. So hatte Czyborra noch vor gut
       zwei Wochen darauf verwiesen, dass es an Hochschulen auch „mal Konflikte“
       gebe. Werde das zu arg, reiche das Mittel des Hausverbots. Das müsste eben
       nur angewandt werden. Was für sie nicht infrage komme, sei ein
       Hochschulrausschmiss „aus politischen Gründen“.
       
       ## Blick in andere Bundesländer wenig hilfreich
       
       Die Empörung über die „Skandalsenatorin“ Czyborra war groß. Auch in den
       eigenen Reihen. Zumal sie sich mit ihrem klaren Nein zu Exmatrikulationen
       auch gegen den Regierenden Bürgermeister Kai Wegner (CDU) und
       Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey (SPD) stellte, die zuvor ein hartes
       Durchgreifen gegen Antisemit:innen an Hochschulen gefordert hatten.
       
       Die Abneigung der Senatorin gegen eine Gesetzesänderung kommt dabei nicht
       von ungefähr. Schließlich war sie 2021 in der damaligen rot-rot-grünen
       Koalition als zuständige Fachsprecherin der SPD-Fraktion aktiv daran
       beteiligt, die Möglichkeit zur Exmatrikulation nach Straftaten aus dem
       Hochschulgesetz zu streichen. Eine Entscheidung, die sie auch am Dienstag
       offensiv verteidigte: Der seinerzeitige Paragraf hätte, so Czyborra, „sinn-
       und zusammenhangslos“ im Gesetz gestanden und „wurde nie angewandt“. Es
       habe sich um „totes Recht“ gehandelt.
       
       Ob Letzteres mit der Neuregelung anders wird, steht in den Sternen.
       Czyborras Blick in die Exmatrikulations-Bedingungen anderer Bundesländer
       scheint schon mal wenig hilfreich gewesen zu sein: „Viele der Regeln
       anderer Länder sind in meinen Augen nicht anwendbar.“
       
       Die Linke warnte am Dienstag dann auch vor Schnellschüssen und
       verfassungsrechtlichen Hürden. Die Hochschulen müssten zwingend „umfassende
       Gegenstrategien“ gegen [3][Antisemitismus im akademischen Kontext]
       entwickeln, erklärte der Linke-Abgeordnete Tobias Schulze. Allein: „Ein
       übereiltes Vorgehen bei der geplanten Einführung der Exmatrikulationen von
       Studierenden als zentrale Maßnahme im Kampf gegen Antisemitismus an
       Hochschulen wird dem nicht gerecht.“
       
       20 Feb 2024
       
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 (DIR) Rainer Rutz
       
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