# taz.de -- Union Progressiver Juden klagt: Beschwerde für Staatsvertrag
       
       > Liberale Juden pochen auf Gleichbehandlung mit dem Zentralrat der Juden.
       > Jetzt haben sie eine Klage beim Bundesverfassungsgericht eingereicht.
       
 (IMG) Bild: Prof. Walter Homolka bei der Eröffnung des Europäischen Zentrums für Jüdische Gelehrsamkeit im August 2021
       
       FREIBURG taz | Die Union Progressiver Juden (UPJ) hat an diesem Montag
       Verfassungbeschwerde erhoben, weil sie – wie bereits der Zentralrat der
       Juden in Deutschland – einen Staatsvertrag und regelmäßige Zuwendungen
       haben möchte.
       
       Hauptunterschied zwischen der liberalen und der orthodoxen Strömung im
       Judentum ist die Gleichberechtigung der Geschlechter. In liberalen
       Gemeinden können Frauen alle Ämter einnehmen und im Gottesdienst sitzen
       Männer und Frauen bunt gemischt.
       
       In Deutschland hat das liberale Judentum eigentlich seinen Ursprung, wurde
       jedoch im Faschismus ausgelöscht. Die jüdischen Gemeinden wurden nach dem
       Krieg überwiegend von „Displaced Persons“ aus Osteuropa wiederaufgebaut,
       die der orthodoxen Richtung anhingen und den Zentralrat dominierten und
       dominieren. Erst 1997 gründete sich die Union Progressiver Juden (UPJ).
       
       Der Zentralrat der Juden in Deutschland hat mit der Bundesregierung 2003
       einen Staatsvertrag über garantierte finanzielle Unterstützung
       ausgehandelt. So erhält der Zentralrat im Jahr 2024 [1][rund 22 Millionen
       Euro aus dem Bundesetat]. Davon sollen aber nur 189.000 Euro als
       institutionelle Förderung an die UPJ gehen, „weniger als ein Prozent“, wie
       die UPJ in ihrer Verfassungsbeschwerde kritisiert.
       
       Laut der Klageschrift, die der taz vorliegt, vertritt der Zentralrat
       derzeit rund 94.000 Gläubige in 104 Gemeinden, während die UPJ rund 4.000
       Gläubige in 19 Gemeinden organisiert. Die UPJ hält es deshalb für
       angemessen, wenn sie zwischen vier und fünfzehn Prozent der
       Staatszuwendungen erhielte.
       
       ## Klage hat gute Chancen
       
       Die UPJ verlangt mit ihrer Hauptforderung einen eigenen Staatsvertrag, so
       dass sie nicht auf die „willkürliche“ Weiterleitung von Gelder durch den
       Zentralrat angewiesen ist. Alternativ wäre die UPJ aber auch damit
       zufrieden, wenn der Staatsvertrag mit dem Zentralrat um eine inhaltlich
       präzise Weiterleitungspflicht von Zuwendungen in angemessener Höhe ergänzt
       wird.
       
       Zwar habe eine Religionsgemeinschaft keinen originären
       Finanzierungsanspruch gegen den Staat. Wenn der Staat jedoch eine
       Religionsgemeinschaft finanziell fördere, ergebe sich aus der staatlichen
       Pflicht zur religiösen Neutralität ein Teilhabeanspruch anderer
       Religionsgemeinschaften, argumentiert Anwalt Christofer Lenz, der die Klage
       geschrieben hat.
       
       Die Klage in Karlsruhe hat gute Chancen, weil sie sich auf eine
       [2][Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts von 2009] berufen kann. In
       einem ähnlichen Konflikt erklärten die Richter:innen damals, der Staat
       dürfe eine Religionsgemeinschaft nicht in ein „Abhängigkeitsverhältnis“ von
       einer anderen Religionsgemeinschaft bringen.
       
       Die Lage hat sich 2023 allerdings verkompliziert, weil sich sieben der bis
       dahin 26 liberalen jüdischen Gemeinden von der UPJ lossagten und unter dem
       Dach des Zentralrats zum „Jüdisch liberal egalitären Verband“ (JLEV)
       zusammengeschlossen haben. Die UPJ warnte, der finanzstarke Zentralrat
       werbe ihr die Gemeinden ab.
       
       Tatsächlich ist die Abspaltung aber auch eine Folge interner Konflikte,
       [3][um den langjährigen UPJ-Vorsitzenden Walter Homolka], dem
       Machtmissbrauch vorgeworfen wurde.
       
       27 Feb 2024
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Staatsleistungen-an-juedische-Gemeinschaft/!5930699
 (DIR) [2] https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2009/05/rs20090512_2bvr089006.html
 (DIR) [3] /Skandal-in-Juedischer-Gemeinde-zu-Berlin/!5981631
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Christian Rath
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Glaube, Religion, Kirchenaustritte
 (DIR) Religion
 (DIR) Judentum
 (DIR) Zentralrat der Juden
 (DIR) Juden
 (DIR) Antisemitismus
 (DIR) Jüdische Gemeinde
 (DIR) Antisemitismus
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Antisemitischer Überfall auf FU-Student: Deutsche Ignoranz bei Judenhass
       
       Ein jüdischer Student wird in Berlin verprügelt. Die Reaktion der
       Universitätsleitung darauf ist emblematisch für den Umgang mit
       Antisemitismus.
       
 (DIR) Skandal in Jüdischer Gemeinde zu Berlin: Risse in der Gemeinschaft
       
       Walter Homolka und Gideon Joffe, zentrale Figuren des Rabbinerkollegs und
       der Jüdischen Gemeinde, sind skandalumwittert. Sie kleben an der Macht.
       
 (DIR) Zentralratspräsident über Antisemitismus: „Erkenne dieses Land nicht wieder“
       
       Wie können Jüd:innen nach dem 7. Oktober besser in Deutschland geschützt
       werden? Ein Gespräch mit Josef Schuster vor der Innenministerkonferenz.