# taz.de -- Nachwahlen im Vereinigten Königreich: Keir Starmer weiter auf Siegkurs
       
       > In zwei Nachwahlen konnte sich Labour am Donnerstag behaupten. Ein Erfolg
       > für die linke Partei.
       
 (IMG) Bild: Labour-Politikerin Gen Kitchen (Mitte) freut sich am 16. Februar über ihren Sieg
       
       LONDON taz | Als ekstatisch bezeichnete die 28 Jahre alte Labour-Kandidatin
       Gen Kitchen ihren Sieg. Dann hielt sie sich wieder an die merkbar
       vorbereiteten Texte mit den Slogans ihrer Partei. Sie bekam 13.844 Stimmen,
       also 45,9 Prozent, bei der Nachwahl im englischen Wellingborough, 100
       Kilometer nördlich von London. 2019 hatte Labour dort noch einen
       ordentlichen Rückstand. Damals gewann der konservative Peter Bone mit 62,2
       Prozent und Labour lag mit 35,7 Prozentpunkten dahinter.
       
       Dieses Mal wählten Welligboroughs konservative Kandidatin Helen Harrison
       lediglich 24,6 Prozent. Die unabhängige [1][Kandidatin Marion Turner-Hawes]
       wählten nur 1.115 Wähler:innen, das entspricht 3,7 Prozent der Stimmen.
       Labour konnte in Wellingborough seit 19 Jahren nicht mehr gewinnen.
       
       Und auch im westenglischen Wahlkreis Kingswood, in der Nähe von Bristol, wo
       am Donnerstag ebenfalls für das Parlament nachgewählt wurde, nachdem der
       konservative Abgeordnete Chris Skidmore aus Protest zur konservativen
       Klimapolitik zurückgetreten war, konnte Labour zum ersten Mal seit 2010
       triumphieren. Labours Kandidat Damien Egan, einst Bürgermeister im
       Südlondoner Bezirk Lewisham, gewann mit 11.176 Stimmen, die 44,9 Prozent
       entsprechen, und feierte seinen Sieg als Erstes mit einem Kuss und einer
       Umarmung seines Ehemanns.
       
       2019 stand Labour hier mit 33,4 Prozent noch hinter den Tories, die 56,2
       Prozent der Stimmen erzielten. Die Tories erreichten diesmal nur 34,9
       Prozent. Da der Wahlkreis zu den bevorstehenden Nationalwahlen aufgrund
       Veränderungen der Wahlkreise abgeschafft wird, muss Egan dann im Wahlkreis
       Bristol North-East kandidieren.
       
       ## Labour siegt trotz Krise
       
       Seit Juni letzten Jahres hat Labour nun ganze sechs parlamentarische
       Nachwahlen gewonnen und die Nachwahl in Boris Johnsons ehemaligen Wahlkreis
       Uxbridge and West Rusilip nur knapp verloren. Ein weiterer Wahlkreis,
       Somerset and Frome, wechselte von den Konservativen an die
       Liberaldemokrat:innen.
       
       Labour erzielte ihre Wahlsiege trotz der aktuellen Parteikrise. Obwohl sich
       der Labour-Kandidat in Rochdale – dort wird am 29. Februar nachgewählt –
       antisemitisch geäußert hatte, ließ die Partei nur zögerlich von ihm ab. In
       Kingswood spielte das Thema aber keine Rolle. Damien Egan ist zum Glauben
       seines Ehemanns konvertiert und selbst Jude.
       
       Mit Blick auf die Ergebnisse schätzte bei der BBC der renommierte britische
       Wahlexperte Professor Sir John Curtice, der [2][Labour-Vorsitzende Keir
       Starmer sei auf Kurs, der nächste Premierminister des Vereinigten
       Königreichs] zu werden. Starmer selbst lobte den Erfolg seiner Partei als
       fantastisch. Das zeige, dass Menschen eine Veränderung sehen wollten und
       dafür einer veränderten Labourpartei ihr Vertrauen schenkten.
       
       ## „Konservative Familie“ muss sich wieder vereinen
       
       Auch für die rechte Reform-UK-Partei war die Wahl ein Erfolg, sie
       etablierte sich. In Wellingborough erzielte sie mit 13 Prozent der Stimmen
       für Ben Habib das drittbeste Ergebnis und ihr bisher bestes
       Nachwahlergebnis.
       
       Ben Habib, der Co-Parteiführer der Reform-UK ist, bezeichnete Reform UK
       nach dem Ergebnis als die „wahre“ konservative Partei. Auch in Kingswood
       wurde die einst von Nigel Farage und Geschäftsmann Richard Tice gegründete
       Partei drittstärkste Kraft, mit zehn Prozent der Stimmen. Während Nigel
       Farage sagte, Reform UK sei nun eine erwachsene Partei, betonte Tice, es
       sei nicht seine Aufgabe, die konservative Partei aufzupoppen, sondern
       eigene Programme vorzuschlagen.
       
       Der konservative Tory-Abgeordnete Jacob Rees-Mogg schlug stattdessen vor,
       dass sich „die konservative Familie“ wieder vereinen solle. Der
       Parteivorsitzende der Tories, Richard Holden, sprach von einem
       enttäuschenden Ergebnis in beiden Nachwahlen für seine Partei. Die
       Ergebnisse werden [3][Premierminister Rishi Sunak weiter unter Druck]
       setzen.
       
       Labour-Chef Keir Starmer führte das schlechte Abschneiden der Tories auf
       die wirtschaftliche Rezession zurück. Die zeige, dass Premierminister Sunak
       versagt habe. Dabei bezog er sich auf die neuesten Angaben des britischen
       statistischen Amtes, laut derer die britische Wirtschaft zwischen Oktober
       und Dezember um 0,3 Prozent stagnierte.
       
       16 Feb 2024
       
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