# taz.de -- Streit über Asylgesetz in Großbritannien: Etappensieg für Premier Sunak
       
       > Großbritanniens Premierminister bekommt sein Gesetz zur Abschiebung von
       > nicht legal eingereisten Asylbewerbern nach Ruanda souverän durchs
       > Unterhaus.
       
 (IMG) Bild: Bekommt sein Gesetz zur Abschiebung: Rishi Sunak, Großbritanniens Premierminister, ist sichtlich zufrieden
       
       LONDON taz | Das britische Parlament hat dem Gesetzesentwurf der Regierung
       zu Abschiebungen nach Ruanda von Asylsuchenden, die auf unerlaubte Weise
       auf die Insel gelangten, am Mittwochabend, wie schon im Dezember,
       zugestimmt. Es gab 320 „Ayes“ und 276 „Nays“, unter letzteren waren auch
       elf Konservative.
       
       Zu ihnen gehörten Innenminister James Cleverlys Vorgängerin und Vorgänger
       Suella Braverman und Robert Jenrick, sowie Danny Kruger und Miriam Cates,
       die Vorsitzenden der erzkonservativen „New Conservatives“-Gruppe. 18
       weitere Tories enthielten sich.
       
       Bevor es zu diesem Ja kam, überstand der konservative Premier Rishi Sunak
       jedoch den größten Aufstand seiner bisher 15-monatigen Amtszeit. Am
       Dienstag erst hatte er mit Lee Anderson und Brendan Clarke-Smith zwei
       stellvertretende Parteichefs verloren. Sie traten zurück, um gegen den
       Fraktionszwang für Änderungsanträge stimmen zu können.
       
       Bei dem Gesetz geht es um Sunaks Versprechen nach Amtsantritt, Überfahrten
       von Asylsuchenden über den Ärmelkanal zu stoppen. Die geplanten
       Abschiebungen ins ostafrikanische Ruanda, für das London Ruanda schon mehr
       als die Hälfte der bewilligten umgerechnet 465 Millionen Euro ausgezahlt
       hat, sollen Asylsuchende von den gefährlichen Bootsfahrten abschrecken und
       das Geschäftsmodell von Menschenschleusern zerstören. Erst in der Vorwoche
       starben fünf Personen nach Sinken eines Boots vor der französischen Küste.
       
       ## Ruanda macht sich in Abkommen zum sicheren Drittstaat
       
       Im November hatte Großbritanniens Supreme Court bezweifelt, dass Ruanda ein
       sicherer Drittstaat sei. Seitdem handelte die Sunak-Regierung [1][ein
       zweites Abkommen mit Ruanda] aus, um Garantien für deportierte Asylsuchende
       zu erhalten. Selbst im Fall eines abgelehnten Asylantrags sollen
       abgeschobene Personen bleiben können. Sie dürfen nur ins Vereinigte
       Königreich geschickt werden und in kein anderes Land abgeschoben werden.
       
       Der neue Ruanda-Abschiebungsgesetzentwurf erklärt nun auf Basis dieses
       Abkommens Ruanda zum sicheren Drittstaat. Nur in individuellen
       Ausnahmefällen könne juristisch dagegen vorgegangen werden.
       
       Die Tory-Rebell:innen sorgten sich vor allem, dass der Europäische
       Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) trotzdem Abschiebungen weiter
       aufhalten könnte. Deshalb wollten sie dem EGMR die Zuständigkeit für
       Abschiebungen nach Ruanda entziehen. Der Gesetzesentwurf würde immerhin
       Minister:innen in Einzelfällen erlauben, EGMR-Verordnungen ignorieren
       zu können.
       
       Doch einer Gruppe von 61 Tories reichte das zunächst nicht. Sie verlangten
       in einem Änderungsantrag das automatische Ignorieren des EGMRs bei
       Abschiebungen. Sunaks Regierung gab sich sicher, dass die vorgesehenen
       Verschärfungen ausreichten. Eine weitere Verschärfung wurde von der
       Mehrheit des moderateren Flügels der Tories abgelehnt. Das führte zu
       Spekulationen, ob Sunak dies politisch überleben würde.
       
       ## Sunak erlaubt Beamten, den EGMR zu ignorieren
       
       Um den konservativen Rebellen entgegenzukommen, versprach darauf Sunak,
       britischen Beamt:innen zu verordnen, dass sie im Fall von ministeriellen
       Anweisungen bei Abschiebungen nach Ruanda EGMR-Anweisungen ignorieren
       müssten. Das reichte, um von den 61 Tory-Kritikern 50 zur Zustimmung oder
       Enthaltung zu bewegen und damit den Gesetzentwurf abzusegnen.
       
       Dabei hatte der Generalsekretär einer Gewerkschaft des öffentlichen
       Dienstes Sunaks Versprechen kritisiert. So erklärte Dave Penman von der
       Gewerkschaft FDA, dass Beamt:innen zwar erwarten würden, der Regierung
       zu dienen, nicht aber internationales Recht zu brechen.
       
       Der Gesetzesentwurf geht nun wieder ins Oberhaus, wo die Konservativen aber
       keine Mehrheit haben. Danach kann er noch mehrfach zwischen Unter- und
       Oberhaus hin und her gehen, bis das Gesetz gültig wird.
       
       ## Nigel Farage wittert schon seine Chance
       
       Sollte Sunak sein Versprechen reduzierter Asylbewerberzahlen nicht vor den
       Wahlen halten können, dürfte dies die rechte Partei Reform UK stärken. Die
       wurde von Nigel Farage als Nachfolgepartei der Brexitpartei Ukip
       mitgegründet. Farage sprach bereits von einem „Brexit 2.0-Thema“.
       
       Die Popularität der Konservativen liegt laut jüngster Yougov-Umfrage nur
       noch bei 20 Prozent, während Reform UK mit 12 Prozent drittstärkste Partei
       hinter Labour (47 Prozent) ist. Die Idee von Abschiebungen nach Ruanda
       stammt bereits von der Boris-Johnson-Regierung.
       
       18 Jan 2024
       
       ## LINKS
       
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