# taz.de -- Brandanschlag in Saarlouis 1991: Prozess gegen „Gewaltäter“
       
       > Beim Brand der Asylunterkunft in Saarlouis starb Samuel Yeboah. Jetzt
       > wird dem Hauptbelastungszeugen Beihilfe zum Mord vorgeworfen.
       
 (IMG) Bild: Die Bundesanwälte Alexander Sylla (links) und Malte Merz im Gerichtssaal des Oberlandesgerichts in Koblenz am 27. Februar 2024
       
       KOBLENZ taz | Seit Mitte Februar muss sich Peter St., 54, vor dem OLG
       Koblenz wegen Beihilfe zum Mord und 12-fachem Mordversuch verantworten. Im
       September 1991 war der 27-jährige Ghanaer Samuel Yeboah ums Leben gekommen,
       als das Asylbewerberheim, in dem er lebte, mit Brandbeschleunigern in
       Flammen aufgegangen war. Der 54-jährige Angeklagte, zur Tatzeit Kopf der
       damaligen rechten Skinheadszene, soll S., einen jüngeren Kumpel aus dieser
       Szene, zu dem Anschlag „veranlasst“ haben, so die Anklage der
       Bundesanwaltschaft.
       
       Das OLG hat den [1][jüngeren Peter S. im Oktober] letzten Jahres wegen der
       Haupttat nach Jugendrecht zu sechs Jahren und zehn Monaten Haft verurteilt,
       weil er zur Tatzeit erst 20 Jahre alt war. Nun geht es um den möglichen
       Tatbeitrag des älteren St., laut Anklage „Initiator“ des Brandanschlags.
       
       Man kann sich den Zeugen Heiko S., inzwischen 51 und sichtlich gealtert,
       kaum noch als jungen Skinhead vorstellen. Ein roter Pulli spannt über
       seinem Bauch. Er blinzelt durch dicke Brillengläser, hakt mehrfach nach,
       weil er Fragen nicht auf Anhieb versteht.
       
       Seit einer lebensbedrohlichen Sepsis, die er nur knapp überlebt hat, klagt
       er über Erinnerungslücken, nimmt Psychopharmaka, leidet unter
       Schlafstörungen und Depressionen. Schon Mitte der 1990er ist er aus der
       rechten Szene ausgestiegen, gilt als „Verräter“. Doch er steht zu seiner
       Vergangenheit. Sein Kopf trägt noch immer das Tattoo „Gewaltäter“, mit nur
       einem t. „Bei Schlägereien war ich auch dabei“, bekennt er.
       
       Am Vorabend des tödlichen Brandanschlags waren die drei zusammen, Heiko S.,
       der damals 20-jährige Peter S. und der angeklagte Peter St. „Wir sind nicht
       in die Kneipe, um Wasser zu trinken“, erinnert sich Heiko S. an das
       Besäufnis im „Bayerischen Hof“. Allerdings habe er danach noch
       selbstständig zu Fuß nach Hause gehen können. „Der St. hat schon bestimmt“,
       sagt Heiko S. und bestätigt dessen Führungsrolle.
       
       Auf die Frage, ob er mehr als 30 Jahre nach dessen Ausstieg noch Angst vor
       St. habe, antwortet sein früherer Kumpel mit einem klaren Ja: „Er ist
       gewalttätig.“ Bedeutend ist seine Erinnerung an den Satz, als von den
       Angriffen auf Ausländer in Hoyerswerda die Rede war: „Hier müsste auch mal
       so was passieren!“, habe St. gesagt.
       
       ## Vorbild rechter Mob in Hoyerswerda
       
       Mit Sympathie hätten sie über die gewalttätigen Angriffe des [2][rechten
       Mobs in Hoyerswerda] gesprochen, erinnert sich der Zeuge. „Bei uns müsste
       auch mal etwas brennen oder passieren!“, steht in einer Vernehmungsakte aus
       dem Jahr 2020. Das Wort „brennen“ wertet die Bundesanwaltschaft als
       Initialzündung für den Brandanschlag.
       
       Auch auf mehrfache Nachfrage erinnert sich Heiko S. daran nicht. Das Wort
       „brennen“ habe er sogar mit Kuli aus dem polizeilichen Vernehmungsprotokoll
       gestrichen, sagt er. Er habe die Worte von St. damals eher so verstanden,
       dass die Gruppe vielleicht am nächsten Tag zum Asylbewerberheim ziehen
       würde, „um Randale zu machen“, wie in Hoyerswerda, „um ihnen Angst zu
       machen, damit sie verschwinden“.
       
       Als er am Morgen nach der Tat vom Brandanschlag gehört habe, sei er
       überrascht gewesen. S. habe ihn am Telefon informiert; die Menschen säßen
       vor dem Heim auf Matratzen auf der Straße, habe der berichtet, kannte also
       offenbar die Szenerie am Tatort. Er habe S. zwar gefragt, ob der den Brand
       gelegt habe, doch eigentlich habe er es ihm nicht zugetraut. „Er hat nicht
       die Eier, so eine Tat zu begehen“, so Heiko S. fast 33 Jahre später.
       
       Für die Verteidigung ist mit der Aussage von Heiko S. die Anklage gegen
       ihren Mandanten zusammengebrochen; Rechtsanwalt Wolfgang Stahl beantragt
       deshalb die Entlassung des Angeklagten aus der Untersuchungshaft.
       Bundesanwaltschaft und Nebenkläger widersprechen. Der Senat muss nun
       entscheiden, ob St. bei der nächsten Hauptverhandlung freikommt.
       
       In jedem Fall wird sich der Bundesgerichtshof mit dem tödlichen
       Brandanschlag von Saarlouis beschäftigen müssen. Gegen das Strafurteil
       gegen Peter S. haben Bundesanwaltschaft, Verteidigung und Nebenklage
       Revision eingelegt. Die Klageschriften sind fristgerecht eingegangen und
       nach Karlsruhe weitergeleitet worden.
       
       5 Mar 2024
       
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