# taz.de -- Antifeminismus auf Tiktok: Propaganda mit dem Kochlöffel
       
       > Die „Tradwives“ kochen, erziehen und gehorchen ihren Männern. Sie
       > inszenieren Selbstbestimmung, aber docken in Wahrheit rechten Ideologien
       > an.
       
 (IMG) Bild: Sie putzt, geht einkaufen, kocht. Sie gebärt Kinder
       
       BERLIN taz | Finger mit beige lackierten Nägeln rollen Teig aus, ziehen
       betont sanft die Schleife der Küchenschürze enger, arrangieren Blumenvasen
       und schreiben Tagebuch. Nebenbei beantwortet die Frau hinter dem
       Instagram-Account „Tradwifefactory“ Fragen von ihren gut 12.000 Followern:
       Wie hört man als Ehefrau auf zu nörgeln? Wie entspricht man den optischen
       Vorstellungen des Ehemannes? Und was sind eigentlich die Aufgaben einer
       Ehefrau?
       
       Die Antwort: Sie putzt, geht einkaufen, kocht. Sie gebärt Kinder und zieht
       sie auf, richtet das Haus schön ein und achtet auf ein gepflegtes Äußeres.
       Die Anfang-30-Jährige, die ihren echten Namen bei Instagram nicht
       preisgibt, bezeichnet sich als Tradwife. Hinter dem Social-Media-Trend
       stehen meist weiße, gut situierte Frauen, die es sich leisten können, nur
       vom Einkommen ihres Ehemanns zu leben und [1][die sich in sozialen Medien
       als traditionelle Hausfrau inszenieren].
       
       Das Phänomen stammt aus den USA, erfährt aber auch in Deutschland immer
       mehr Zuwachs. In unzähligen Videos auf Instagram oder Tiktok präsentieren
       Tradwives oder unverheiratete Stay-At-Home-Girlfriends, ihren Alltag, in
       der Regel untermalt mit sanfter Musik und einem weißwaschenden Filter.
       Gerechtfertigt wird die Rückkehr zum „traditionellen Familienbild“ oft mit
       dem christlichen Glauben, der aus ihrer Sicht gebietet, dass Frauen in die
       Küche und Männer in die Minen gehören.
       
       ## Selbstbestimmt Stereotype reproduzieren
       
       Viele der Frauen beschreiben den Lebensstil, den sie propagieren, als einen
       selbstbestimmten. Schließlich bedeute Feminismus doch, dass Frauen sich ihr
       Leben so aussuchen und gestalten dürfen, wie sie wollten. Dabei
       reproduzieren sie vor allem veraltete Geschlechter- und Familienstereotype.
       
       Familie bedeutet Mutter, Vater, Kind. Sie kümmert sich, er geht arbeiten.
       Heterosexualität ist die Norm, es gibt nur zwei Geschlechter. In den USA
       unterrichten Tradwives ihre Kinder. Ihre Sprösslinge sollen gut behütet zu
       Hause aufwachsen und bloß nicht mit der Diversität der realen Welt in
       Berührung kommen.
       
       Viele dieser Accounts vermeiden es bewusst, [2][ihre Botschaften als
       politisch zu verkaufen]. Doch die Grenzen sind fließend, und vom harmlosen
       Backvideo bis zur parteipolitischen Werbung ist es nicht weit. Schon im
       US-Wahlkampf 2016 trendete das Hashtag
       #MakeTraditionalHousewivesGreatAgain.
       
       Darunter versammelten sich unzählige Posts von Frauen, die sich beim
       Verrichten häuslicher Aufgaben filmen und dabei Trump dafür danken, dass er
       die traditionellen Eherollen wieder auf die Beine stellt. Dabei wird nicht
       nur mit hübschen Kleidern und frischem Sauerteig geworben, sondern manchmal
       auch mit Waffen und damit, als starke Hausfrau seine Rechte verteidigen zu
       müssen.
       
       ## AfD nutzt Bild der Tradwives auch für sich
       
       In Deutschland macht die AfD sich genau solche Vorbilder zunutze. Sie wirbt
       mit Sprüchen auf Wahlplakaten wie: „Traditionell? Uns gefällt’s!“, oder:
       „Neue Deutsche? Machen wir selber“ neben einem schwangeren Bauch. [3][Nicht
       zufällig fordert die Partei höhere Geburtenraten unter Deutschen] und ein
       Verbot von Schwangerschaftsabbrüchen.
       
       Die AfD weiß, wie man Social Media für die eigene Zielgruppe nutzt. Auf
       einem ihrer Accounts umarmt sich ein Cartoon-Hetero-Pärchen und verspricht
       sich vom Parteibeitritt eine bessere Zukunft für die eigenen Kinder. Eine
       junge Frau hält ein Baby an ihre Brust und lächelt es an; darüber ein
       Aufruf zum Marsch für das Leben, einer christlich-fundamentalistischen
       Demonstration gegen Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen und
       Selbstbestimmung.
       
       In einem anderen Post lächelt ein Paar mit Kind sich verliebt an, während
       ein Schriftzug verkündet, die AfD stehe an der Seite von Familien. In ihrem
       Fall wie bei den Tradwives heißt das: an der Seite von weißen,
       heterosexuellen Familien mit Kindern.
       
       Das Phänomen der Tradwives ist also weder unpolitisch noch harmlos. Denn
       Fragen von finanzieller Sicherheit und einem sorglosen Leben, ohne im sich
       immer drehenden Rad des Kapitalismus um seine Existenz kämpfen zu müssen,
       beschäftigen viele junge Menschen. Auch wenn Tradwives und
       Stay-At-Home-Girlfriends sich nicht immer explizit für rechte Parteien
       aussprechen oder direkt rassistische und queerfeindliche Aussagen
       verbreiten. Mit ihrer Inszenierung propagieren sie doch ein Weltbild, in
       dem genau dies die Norm ist.
       
       7 Mar 2024
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Frauenbilder-bei-Instagram-und-Co/!5565869
 (DIR) [2] /Instagram-will-unpolitisch-werden/!5989073
 (DIR) [3] /Rueckgang-an-Geburten/!5949300
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ann Toma-Toader
       
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