# taz.de -- Ukraine-Hilfen der EU: Hauptsache, mehr Kriegswaffen
       
       > Die EU will die Ukraine weiter aufrüsten. Doch der Plan, dafür
       > eingefrorenes russisches Geld zu nutzen, stößt auf Kritik.
       
 (IMG) Bild: Ein ukrainischer Soldat feuert eine Panzerfaust auf russische Stellungen an der Frontlinie in der Nähe von Awdijiwka ab
       
       BRÜSSEL taz | Die EU will unkonventionelle und umstrittene Wege gehen, um
       die Ukraine weiter aufzurüsten und die europäische Verteidigung zu stärken.
       Brüssel erwägt, die Profite aus dem eingefrorenen russischen
       Zentralbankvermögen abzukassieren und für Waffenkäufe zu nutzen. Auch die
       Schaffung einer „Kriegswirtschaft“ ist im Gespräch.
       
       „Wenn wir Frieden wollen, müssen wir uns auf den Krieg vorbereiten“,
       schrieb [1][der EU-Ratsvorsitzende Charles Michel] kurz vor dem EU-Gipfel,
       der am Donnerstag in Brüssel beginnt. „Wir müssen daher verteidigungsbereit
       sein und in einen Kriegswirtschafts-Modus übergehen“, so der Belgier, der
       das Gipfeltreffen leitet.
       
       Ein konkreter Vorschlag kommt vom EU-Außenbeauftragten Josep Borrell. Der
       Spanier will Zinsgewinne aus russischem Vermögen abschöpfen; es geht um
       mindestens drei Milliarden Euro pro Jahr. Das Geld soll zu 90 Prozent in
       Waffen und Munition für die Ukraine fließen, die restlichen zehn Prozent in
       die Rüstungsindustrie des Landes.
       
       Allerdings stoßen die verschiedenen Vorhaben auf Widerstand. Zweifel gibt
       es nicht nur, weil die EU erst im Januar eine 50 Milliarden Euro schwere
       Finanzspritze an die Ukraine beschlossen hat und sich nun herausstellt,
       dass das Geld immer noch nicht ausreicht. Am Mittwoch wurden erstmals 4,5
       Milliarden Euro aus dem neuen Programm ausgezahlt.
       
       ## 70 Prozent der eingefrorenen Gelder liegen in Belgien
       
       Viele EU-Politiker fragen auch, ob die Ideen politisch und rechtlich
       vertretbar sind. So ist es nach EU-Recht eigentlich ausgeschlossen, dass
       Geld aus dem Gemeinschaftsbudget für Waffenkäufe eingesetzt wird. Zudem
       könnte es politisch nach hinten losgehen, kurz vor der Europawahl mehr Geld
       für Kriegszwecke auszugeben, aber bei Klima und Sozialausgaben zu sparen.
       
       Eine Einigung zeichnet sich deswegen nicht ab. Diesmal liegt es allerdings
       nicht nur am [2][erwartbaren Nein] des ungarischen Regierungschefs Viktor
       Orbán. Auch andere EU-Staaten haben Bedenken. Wenn man russisches Vermögen
       nutze, das in Europa angelegt ist, könne dies zu einem Vertrauensverlust in
       den Euro und Verwerfungen auf den Märkten führen, so eine Sorge. Zudem
       wenden sich Irland oder Österreich dagegen, die russischen Profite für
       Waffen zu verwenden und nicht – wie zunächst geplant – für den Wiederaufbau
       in der Ukraine.
       
       Etwa 70 Prozent aller im Westen eingefrorenen russischen Vermögenswerte
       liegen bei der belgischen Finanzinstitution Euroclear. Dort sind
       Wertpapiere und Bargeld der russischen Zentralbank im Wert von 190
       Milliarden Euro gelagert. Euroclear hatte zuletzt mitgeteilt, 2023 rund 4,4
       Milliarden Euro an Zinseinnahmen gemacht zu haben, die in Verbindung zu
       Russlandsanktionen stehen.
       
       Schrille Warnungen kommen aus Moskau. Borrells Vorschlag käme Banditentum
       und Diebstahl gleich, erklärte die Sprecherin des russischen
       Außenministeriums, Maria Sacharowa. Der Vorschlag sei nicht mit
       internationalem Recht vereinbar, sagte Präsidialamtssprecher Dmitri Peskow.
       Der Kreml hat bereits damit gedroht, im Gegenzug in Russland angelegtes
       westliches Vermögen zu beschlagnahmen.
       
       ## As long as it takes
       
       Die EU will sich davon aber nicht abschrecken lassen. Man werde die Ukraine
       „so lange wie nötig“ unterstützen und die Waffenlieferungen
       „intensivieren“, heißt es im Entwurf der Gipfelerklärung. Wie lang der
       Krieg noch dauern könnte und ob es auch diplomatische Bemühungen zu seiner
       Beendigung gibt, wird aus dem Entwurf nicht deutlich. Auch der Streit über
       die Strategie, der das deutsch-französische Verhältnis belastet, wird
       ausgeblendet.
       
       Frankreichs Präsident Emmanuel Macron bereitet sein Land auf einen
       [3][möglichen Einsatz von Bodentruppen] in der Ukraine vor, Scholz lehnt
       das ab. Macron fordert auch einen schuldenfinanzierten europäischen
       Rüstungsfonds – doch Scholz sagt auch hier Nein. Man müsse sich auf das
       Machbare konzentrieren, heißt es in Berlin.
       
       Einigkeit besteht immerhin darin, dass auch die Europäische
       Investitionsbank (EIB) für die Aufrüstung genutzt werden soll. Allerdings
       ist dies nach dem Mandat der EIB bisher verboten. Deutschland, Frankreich
       und 12 weitere Länder wollen nun durchsetzen, dass die EU-Hausbank
       zumindest mehr sowohl zivil wie militärisch nutzbare „Dual-Use“-Güter
       finanziert. Mehr Kriegswaffen, so schnell wie möglich – so das
       unausgesprochene Motto dieses EU-Gipfels.
       
       21 Mar 2024
       
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