# taz.de -- Nach Aus für Nationalpark Ostsee: Ein Kompromiss, den niemand mag
       
       > Mit Einzelmaßnahmen will Schleswig-Holstein auf den schlechten
       > Umweltzustand der Ostsee reagieren. Kritik daran kommt nun von fast allen
       > Seiten.
       
 (IMG) Bild: Musste sich am Dienstag Kritik von Umweltschützern anhören: Ministerpräsident Daniel Günther (CDU)
       
       RENDSBURG taz | Größere Schutzzonen, weniger Düngemittel und teilweise
       Fischereiverbote sieht [1][das Konzept zum Schutz der Ostsee] vor, das die
       schwarz-grüne Landesregierung in Kiel Anfang der Woche vorstellte. Einen
       Nationalpark, wie die Grünen wollten, soll es zurzeit nicht geben.
       
       Die Regierungsparteien loben ihren Kompromiss, aber der Streit geht weiter:
       Umweltverbände halten das Paket aus 16 Maßnahmen für zu wenig, um dem Meer
       wirksam zu helfen. Landwirtschaft und Fischereiverbände sehen dagegen
       Probleme auf ihre Mitglieder zukommen. Größter Streitpunkt ist die Frage,
       wie die Überdüngung des Meeres verringert werden kann.
       
       Bis zum Jahr 2035 soll die Menge an Stickstoff und Phosphat, die aus
       Düngemitteln von den Feldern in die Ostsee fließen, um 20 Prozent sinken.
       „Das sind sehr kurze Zeiträume in der Landwirtschaft“, sagte Klaus Peter
       Lucht, Präsident des Bauernverbandes Schleswig-Holstein, dem NDR. Es sei
       „der größte Wurf, den wir jemals erreicht haben“. Lob für „dieses klare
       Bekenntnis und die klare Bereitschaft der Landwirtschaft“ kam bei der
       Parlamentsdebatte am Donnerstag von Cornelia Schmachtenberg (CDU).
       
       Doch aus Sicht der Kritiker:innen ist das scheinbare Versprechen
       keines: „Die Nährstoffeinträge in die Küstengewässer müssen im Zuge der
       Wasserrahmenrichtlinie bis 2027 ohnehin drastisch reduziert werden, das ist
       geltendes EU-Recht“, sagt [2][der Nabu-Landesvorsitzende Alexander
       Schwarzlose.] Die Regierung wolle „diese alte Pflicht als neue
       Errungenschaft verkaufen“.
       
       ## „Der Schweinswal wird profitieren“
       
       Spott gab es im Landtag auch von Sandra Redmann, der umweltpolitischen
       Sprecherin der SPD: „Eine ganz wunderbare Einigung, bei der die ersten
       Regeln erst 2026 greifen und ab 2030 Erfolge erzielt werden.“ Sie
       kritisierte, dass es keine verpflichtenden Maßnahmen geben werde, sondern
       eine „Zielvereinbarung“, die das CDU-geführte Landwirtschaftsministerium
       mit dem Bauernverband schließen soll.
       
       Auf die Anfrage, ob die Kritik der Umweltverbände berechtigt ist, anwortete
       das Umweltministerium: „Schleswig-Holstein ist leider bisher nicht auf
       gutem Weg bei der Erreichung der Ziele der Wasserrahmenrichtlinie. Mit dem
       Aktionsplan ergreifen wir klar vereinbarte Maßnahmen, damit sich das
       ändert.“
       
       Umweltminister Tobias Goldschmidt (Grüne) stellte bei seiner Rede im
       Landtag die positiven Seiten des Kompromisses in den Vordergrund: „Die
       Ostsee wird profitieren, der Schweinswal wird profitieren“, sagte er am
       Donnerstag. Durch die Ausweitung der Schutzzonen „geben wir den Tieren auf
       einem Achtel der Ostsee Rückzugs- und Ruheräume“. Doch das sei zu wenig,
       beklagen Umweltverbände. Sie hatten gefordert, die Stellnetze, in denen
       sich Wale und Enten verheddern und qualvoll ertrinken, auf der ganzen
       Ostsee zu verbieten.
       
       Aus der Sicht des Landesfischereiverbandes Schleswig-Holstein sind aber
       bereits diese Einschränkungen zu groß. Der stellvertretende Vorsitzende
       Benjamin Schmöde fürchtet durch die neuen Schutzgebiete um die
       wirtschaftliche Existenz der rund 60 hauptberuflichen Fischer an der
       Ostseeküste. „Allein in dem Gebiet westlich von Fehmarn holen die Kollegen
       bis zu 80 Prozent ihres Umsatzes raus“, sagte er dem NDR. Wenn dieses
       Gebiet nun unter Schutz gestellt werde, „ist das natürlich ein massiver
       Einschnitt“.
       
       ## Immerhin: Hobby-Angler sind zufrieden
       
       Zufrieden sind dagegen die Hobby-Angler:innen. Sie dürfen weiter auch in
       den Schutzgebieten vom Strand aus auf Jagd nach Fischen gehen. „Dies war
       eine unserer zentralen Forderungen in den Verhandlungen mit der Politik,
       wir sind dankbar, dass dies berücksichtigt wurde“, heißt es in einer
       Stellungnahme.
       
       Redmann erinnerte im Landtag noch einmal [3][an den mühevollen Weg zum
       Kompromiss:] „Ein Jahr hat Minister Goldschmidt auf zahlreichen
       Veranstaltungen versucht, seinen Traum von einem Nationalpark Ostsee
       umzusetzen. Aber im Grunde war beim Auftaktabend schon klar: Das wird so
       nix.“ Der Versuch, alle Beteiligten früh einzubinden, sei von Hindernissen
       und Widerständen geprägt gewesen, urteilte Redmann. Am Ende stehe ein Plan
       „mit viel Prosa, mit vielen offenen Fragen“.
       
       21 Mar 2024
       
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