# taz.de -- Ramadan in Beirut: Lichter, Girlanden – und Krieg
       
       > Überall ist es geschmückt, es gibt viel gutes Essen. Doch die richtige
       > Ramadan-Stimmung kommt in diesem Jahr auch im Libanon nicht auf.
       
 (IMG) Bild: Menschen kaufen in einem Geschäft in Beirut Dekoration für den Fastenmonat Ramadan ein
       
       BEIRUT taz | „Natürlich ist dieser Ramadan nicht wie jeder andere“, sagt
       Bilal Etani, während er Teigtaschen in einem Sieb in heißes Fett hält. Vor
       einem Süßspeisenladen im muslimisch geprägten Viertel Sanajeh in Beirut
       frittiert Kalladsch, Teigtaschen mit Cremefüllung, die hier nur im Ramadan
       verkauft werden. „Alhamdullilah, dieser Ramadan ist gut für mich, weil ich
       Arbeit habe. Doch ich denke an die Menschen in Gaza, die im Krieg sterben.
       Sie sind Araber, unsere Brüder. Nicht nur als Muslime fühlen wir mit ihnen,
       schließlich sind sie Menschen wie du und ich.“
       
       Die Menschen in der libanesischen Hauptstadt blicken außerdem besorgt in
       den Süden. Dort beschießen sich das israelische Militär und
       propalästinensische Milizen wie die Hisbollah. Auf beiden Seiten der Grenze
       [1][haben Tausende Menschen ihre Häuser verlassen] müssen. Im Libanon sind
       rund 80.000 Menschen in Schulen, leerstehende Hotels oder zu Verwandten im
       Landesinneren gezogen.
       
       „Die Menschen flüchten nach Beirut. Die Wohnungen in der Nachbarschaft sind
       rund dreimal so teuer geworden“, erzählt Rabih Massri. Ihm gehört der
       Süßwarenladen Schloss der Süßigkeiten. Seit 13 Jahren lebt er in
       Deutschland und ist nur zu Besuch hier.
       
       Er habe mindestens drei Kriege im Libanon durchlebt, sagt Massri, zuletzt
       2006. Damals sei er fast Opfer eines Bombardements geworden. Fünf Minuten
       später, und es hätte ihn erwischt. Im Januar hat Israel erstmals seit 2006
       wieder ein Ziel in Beirut angegriffen: Eine Drohne nahm ein Wohnhaus ins
       Visier, [2][getötet wurde der Hamas-Kommandeur Saleh al-Aruri].
       
       Obwohl die Sicherheitslage angespannt ist, möchte Massri wieder in den
       Libanon ziehen. „In Deutschland habe ich kein Leben. Ich arbeite bis tief
       in die Nacht, sehe meine Familie kaum. Hier gibt es zwar keine
       Krankenversicherung, aber die Menschen genießen das Leben.“ Angst habe er
       nicht. „Der Bürgerkrieg war gefährlich für alle, aber im Krieg mit Israel
       können wir absehen, welche Ziele angegriffen werden.“
       
       Angst um den eigenen Vater 
       
       In der Einkaufsstraße mit Cafés, Supermärkten und Handwerksläden bildet
       sich zwei Stunden vor dem Fastenbrechen ein Stau. Glühlampen hängen an
       Kabeln über die Straße, vor einem Kiosk sind Lichtschläuche um Bäume
       gewickelt, Girlanden mit Halbmonden zieren die Häusereingänge. Eine
       Werbetafel wünscht „Ramadan Mubarak“, einen gesegneten Fastenmonat.
       
       Die 18-jährige Nour kann das nicht genießen. „Dieser Ramadan ist hart, weil
       mein Vater im Süden ist und wir die Ramadan-Stimmung nicht haben“, sagt
       sie. Ihr Vater arbeite als Kameramann. „Ich habe Angst. Der Bruder einer
       Freundin ist bei einem israelischen Luftangriff gestorben.“
       
       Auf einem Tisch am Straßenrand stehen Türme aus Plastikflaschen, gefüllt
       mit Säften: Kiwi, Avocado und Erdbeere, Bananenmilch mit Datteln. Vor einem
       Obstladen steht der Syrer Aimad. Der 22-Jährige möchte seinen Nachnamen aus
       Angst vor dem syrischen Geheimdienst nicht nennen. Zwei Jahre nach Beginn
       des Syrien-Kriegs 2011 flüchtete er in den Libanon und arbeitet hier als
       Verkäufer. „Wie du weißt, dürfen wir nicht in allen Jobs arbeiten. Wir
       stehen mächtig unter Druck.“ [3][Syrer*innen sind im Libanon Rassismus
       und Repressionen ausgesetzt]. „Wir Syrer haben den Krieg durchlebt, wir
       wissen, wie es sich anfühlt. Wir brechen das Fasten, genießen das Essen,
       aber die Menschen in Gaza, sie haben nichts. [4][Die Kinder hungern]. Und
       wir hier im Libanon, wir können nicht helfen.“
       
       „Wir sind schon im Krieg“, sagt Said Mahmud. Der 31-jährige Architekt hat
       gerade Gemüse gekauft. „Ich bin zwar Druse, wir feiern Ramadan nicht, aber
       mir gefällt die Idee der Abstinenz. Seit Jahren faste ich deshalb auch im
       Ramadan.“ Mit Blick auf den Krieg bleibt er recht gelassen. „Welche
       Infrastruktur wollen sie denn zerstören? Wir haben keinen Staat. Wir haben
       unsere eigenen Generatoren, wir kaufen unser eigenes Frischwasser, selbst
       die Dekoration über den Straßen haben wir selbst aufgehängt!“
       
       23 Mar 2024
       
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Julia Neumann
       
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