# taz.de -- Wohnungsnot in Deutschland: Miese Aussichten in der Baubranche
       
       > Etwa jeder zehnte Deutsche lebt in einer überbelegten Wohnung. Zum
       > Wohnungsbautag fordern Verbände deshalb mehr staatliche Fördermittel.
       
 (IMG) Bild: Merhfamilienhaus in Köln: Aus Sicht der Baubranche und der Wohnungssuchenden wird zu wenig gebaut
       
       BERLIN taz | Mehr staatliche Fördermittel und weniger Bauanforderungen – so
       stellt sich die Baubranche den Weg aus der Krise vor. „Unsere Unternehmen
       sind unter den aktuellen Rahmenbedingungen gezwungen, den Neubau
       einzustellen, denn er ist nicht mehr bezahlbar – weder für die Bauherren
       noch für die künftigen Mieter“, warnte Axel Gedaschko, Präsident des
       Spitzenverbandes der Wohnungswirtschaft (GdW), am Donnerstag in Berlin.
       
       Zum Wohnungsbautag forderte das Verbände-Bündnis Wohnungsbau, dem der
       Deutsche Mieterbund, die Gewerkschaft IG Bauen-Agrar-Umwelt sowie die
       Wohnungswirtschaft und Verbände der Bauindustrie angehören, 23 Milliarden
       Euro an Subventionen pro Jahr. 15 Milliarden Euro für die von der Regierung
       versprochenen 100.000 neuen Sozialwohnungen, weitere 8 Milliarden Euro für
       den Neubau von 60.000 bezahlbaren Wohnungen.
       
       Diese Förderungen dürften zudem nicht an so hohe Standards geknüpft sein.
       „Wir müssen nicht Zuckerguss fördern, sondern das bezahlbare Schwarzbrot“,
       sagte Gedaschko. Gemeint war damit zum Beispiel: Auf Fahrstühle und Balkone
       verzichten oder weniger Dämmvorschriften machen.
       
       Gleich zwei Studien wurden zum Branchengipfel präsentiert. Im Fokus zum
       einem: die Entwicklung von Baukosten und die sozialen Folgen. Zum anderem:
       Die wirtschaftliche Bedeutung der deutschen Baubranche.
       
       11 Prozent der Bevölkerung lebten laut der neuen Studie der
       Arbeitsgemeinschaft für zeitgemäßes Bauen (Arge) aktuell in überbelegten
       Wohnungen, also auf zu wenig Platz. Seit 2020 hätten sich gleichzeitig die
       Baukosten um 42 Prozent verteuert, erklärte Studienleiter Dietmar Walberg.
       „Um schnell wieder bezahlbare Wohnungen bauen zu können, müssen sofort alle
       Möglichkeiten genutzt werden, die Baukosten zu senken.“ Das gehe nur über
       geringere Standards.
       
       ## „Dauersubventionen wird es nicht geben“
       
       Die zweite Studie des Beratungsunternehmen der Deutschen Instituts für
       Wirtschaftsforschung (DIW Econ) stellte heraus, dass die
       Gesamtinvestitionen in den Wohnungsbau seit drei Jahren rückläufig sind.
       2024 dürften sie nominal um 5,4 Prozent sinken, so die Prognose. Das habe
       fatale Folgen für die Wirtschaft.
       
       Denn für das vergangene Jahr 2023 wurde eine Bruttowertschöpfung von rund
       537 Milliarden Euro berechnet, ein Wert, der als Maß für die
       wirtschaftliche Leistung herangezogen wird. Damit stehe „jeder siebte Euro
       der gesamtwirtschaftlichen Bruttowertschöpfung in Beziehung zur
       Wohnungsbaubranche“, ebenso jeder siebte Arbeitsplatz.
       
       6,6 Millionen Arbeitsplätze hingen direkt und indirekt mit der
       Wohnungsbaubranche zusammen. Und sie brachten dem Staat Steuereinnahmen von
       141 Milliarden Euro, das seien 17 Prozent der gesamten Steuereinnahmen. Der
       prognostizierte Einbruch würde einen geschätzten Verlust von 5 Milliarden
       Euro an Steuereinnahmen bedeuten.
       
       [1][Bundesbauministerin Klara Geywitz] (SPD) und Bundeswirtschaftminister
       Robert Habeck (Grüne) erteilten den hohen Subventionsforderungen aber eine
       klare Absage. „Mit einer Dauersubvention in allen Bereichen wird es nicht
       gehen“, kritisierte Geywitz. Es brauche einen Markt, „wo es sich trägt, in
       den frei finanzierten Wohnungsbau zu investieren“.
       
       Habeck sah sogar leise Anzeichen der Besserung: Die Inflation sei stark
       zurückgegangen und auch die Zinsen würden in absehbarer Zeit wieder sinken.
       „Wir müssen noch ein bisschen durchhalten, und das ist die ehrliche
       Antwort, die ehrliche Analyse“, sagte er.
       
       ## „Sanierung wird immer wichtiger“
       
       Bernhard Daldrup, wohnungspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion, sieht
       zudem nicht nur die Politik in der Pflicht. „Die renditegewohnte Branche“
       sei „mit Innovationsdefiziten konfrontiert, die kaum öffentlich diskutiert
       werden“, erklärte er der taz. Digitalisierung oder modularer und serieller
       Wohnungsbau würden „nur von Wenigen angenommen.“
       
       Der Grünen-Abgeordnete Kassem Taher Saleh, der selbst Bauingenieur ist,
       betonte, dass in der aktuellen Rezession auch „Sanierung immer wichtiger
       werde.“ Anforderungen an Energieeffizienz dürften „nicht fallen gelassen
       werden, sondern müssen durch gezielte Förderung in die Breite getragen
       werden“, sagte er der taz.
       
       Wohnungspolitikerin Caren Lay forderte, dass der Bund mehr in den sozialen
       und bezahlbaren Wohnungsbau investieren müsse. Die Ampel investiere „zu
       wenig und zu ungezielt“, sagte die Linken-Politikerin der taz. Die
       Bundesregierung hatte eigentlich 400.000 Wohnungen pro Jahr versprochen,
       davon 100.000 Sozialwohnungen – doch davon ist man derzeit weit entfernt.
       
       11 Apr 2024
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jasmin Kalarickal
       
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