# taz.de -- „Manifest“ für einen neuen ÖRR: Jammern am rechten Rand
       
       > Kritiker des öffentlich-rechtlichen Rundfunks haben ein „Manifest“
       > veröffentlicht. Politische und persönliche Motive sind bunt gemischt.
       
 (IMG) Bild: Eine der Erstunterzeichnerinnen: Liza Fitz
       
       Rund 100 Künstler*innen, Journalist*innen und
       Wissenschaftler*innen sind besorgt. Das geht aus einem „Manifest für
       einen neuen öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Deutschland“ hervor, das am
       Mittwoch auf der dafür erstellten Seite [1][meinungsvielfalt.jetzt]
       veröffentlicht wurde. Die Unterzeichnenden würden einen
       „öffentlich-rechtlichen Rundfunk (ÖRR) als Säule der Demokratie“ schätzen.
       Aber der sei aktuell in Gefahr.
       
       Die Unterzeichner*innen beklagen, dass Meinungsmache und
       Berichterstattung verschwimmen würden, in einer Form „die den Prinzipien
       eines seriösen Journalismus widerspricht.“ Man nehme auch eine zunehmende
       Diskrepanz zwischen Programmauftrag und Umsetzung wahr. Das Papier listet
       zudem eine Reihe von Reformvorschlägen auf, darunter ein offenes Archiv von
       allen Veröffentlichungen und mehr Bürgerbeteiligung.
       
       Der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Deutschland steht seit langem in der
       Kritik – nicht nur aus Kreisen der Erstunterzeichner*innen. Einige Themen
       des Manifests wie etwa die Nähe und Einflussnahme von Politik, zunehmender
       Zeitdruck bei Recherchen und Zwang zur Wirtschaftlichkeit beschäftigen
       viele Journalist*innen.
       
       Der Bundesvorsitzende des Deutschen Journalistenverbands (DJV), Mika
       Beuster, hatte in einem ersten Statement betont, dass auch er einige
       Kritikpunkte, wie die sich verschlechternden Arbeitsbedingungen beim ÖRR
       und die Situation von Freiberufler*innen durchaus teile.
       
       ## Zündstoff für die Rechten
       
       Um sich mit berechtigter Kritik zu beschäftigen, hat die Rundfunkkommission
       der Länder am 8. März 2023 den Rat für die zukünftige Entwicklung des
       öffentlich-rechtlichen Rundfunks (Zukunftsrat) eingesetzt, damit
       beauftragt, eine langfristige Perspektive für den öffentlich-rechtlichen
       Rundfunk und seiner Akzeptanz zu entwickeln und im Januar 2024 seine
       [2][Empfehlungen] veröffentlicht. Gerade die Koordinationsschwierigkeiten
       zwischen den einzelnen Rundfunkanstalten hatte der [3][Zukunftsrat]
       kritisiert und Reformen gefordert.
       
       Warum einige dieser durchaus sinnvollen Vorschläge aber mit dem Manifest in
       neurechten Kreisen kursieren, verwundert. D[4][ie Plattform für Hetze und
       Falschbehauptungen Tichys Einblick ] ist die Erste, die am Mittwoch
       ausführlich auf das Manifest einging. In einem langen Interview führte
       Erstunterzeichnerin und rbb-Journalistin Annekathrin Mücke die Forderungen
       aus.
       
       Auch ein Blick in die Liste der weiteren Unterzeichner*innen lässt die
       teils legitimen Forderungen dubios wirken. Denn hierunter befinden sich
       auch Menschen, die der neurechten Szene nahestehen. Mit dabei sind etwa
       [5][Michael Meyen, Ex-Herausgeber der Zeitung Demokratischer Widerstand],
       eines Organs der radikalen Szene aus Querdenker*innen und
       Coronaleugner*innen. [6][Auch die Kabarettistin Lisa Fitz] ist
       Erstunterzeichnerin. Sie verbreitete während der Covid-19- Pandemie immer
       wieder Desinformationen, etwa zu der angeblichen Zahl von 5.000 Toten durch
       Impfungen.
       
       Die Unterzeichner*innen kritisieren, dass „Stimmen, die einen – medial
       behaupteten – gesellschaftlichen Konsens hinterfragen, wahlweise ignoriert,
       lächerlich gemacht oder gar ausgegrenzt“ würden. Auch die angebliche
       inflationäre Verwendung von Begriffen wie „Schwurbler, Klimaleugner oder
       Putin-Versteher“ kritisieren sie. Meinung von Minderheiten würden so
       mundtot gemacht.
       
       ## Widerspruch von ARD und ZDF
       
       Das Forderungspapier „liegt in zentralen Punkten falsch“, widersprach die
       Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Redakteursausschüsse (AGRA)
       am Donnerstag. Im [7][AGRA-Statement] heißt es weiter: „Wir haben überall
       eine lebhafte Streitkultur, bei der alle Meinungen geäußert werden.
       Berichterstattung findet grundsätzlich nach journalistischen Prinzipien
       statt.“
       
       Auf der Website des Manifests wird betont, dass die Ersteller*innen
       Mitarbeiter*innen der öffentlich-rechtlichen Anstalten seien. Unter
       den rund 100 namentlich genannten Erstunterzeichner*innen befinden
       sich aber nur sechs aktive Journalist*innen, merkte Hendrik Zörner in
       [8][einem Kommentar auf dem DJV-Blog] an.
       
       Im Manifest werden neben den Erstunterzeichner*innen noch 33 weitere
       öffentlich-rechtliche-Mitarbeiter*innen genannt, die ihre Unterschriften
       bei einem Rechtsanwalt hinterlegt hätten und somit nicht öffentlich
       einsehbar sind.
       
       ## Anonyme Statements
       
       Neben dem Manifest sind auf der Website auch Statements verfasst, die die
       persönliche Erfahrung der Unterzeichner*innen in der
       öffentlich-rechtlichen Medienwelt darstellen sollen. Die meisten davon
       anonym, da die Sorge vor beruflichen Konsequenzen groß sei, so die
       Mitwirkenden auf der Website.
       
       In ihnen ist die Coronaberichterstattung ein wichtiger Punkt, er hat einen
       eigenen Reiter. „Wir wurden, fand ich, weiter mit Halbwahrheiten von den
       gleichen ‚Experten‘ billig abgespeist“, schreibt etwa eine
       SWR-Mitarbeiterin zum Thema.
       
       In den vergangenen Tagen übernahmen einige Medien Teile oder das gesamte
       Manifest, als Zeichen ihrer Zustimmung. Darunter Telepolis, ein Magazin von
       Heise Online oder die Berliner Zeitung.
       
       Andere Medien kritisieren das Manifest aber. René Martens etwa nennt die
       Formulierungen in der MDR-Kolumne „Das Altpapier“ nach „KI klingendes
       Formulierungsbausteingewitter“ und vermutet hinter dem Manifest „die Rache
       eines gut vernetzten Sounddesigners“.
       
       Denn Ole Skambraks, Presserechtlich Verantwortlicher von
       meinungsvielfalt.jetzt wurde 2022 beim SWR entlassen – weil er „den SWR und
       damit die hier tätigen Kolleginnen und Kollegen fortgesetzt durch falsche
       Tatsachenbehauptungen in der Öffentlichkeit diskreditiert“ habe. Mit seinem
       Verhalten habe Skambraks auch den Betriebsfrieden „empfindlich gestört“.
       Hintergrund war die Kritik Skambraks an der Corona-Berichterstattung des
       Senders. So schließt sich der Kreis.
       
       5 Apr 2024
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://meinungsvielfalt.jetzt/
 (DIR) [2] https://rundfunkkommission.rlp.de/fileadmin/rundfunkkommission/Dokumente/Zukunftsrat/ZR_Bericht_18.1.2024.pdf
 (DIR) [3] /Debatte-ueber-OeR-Reform/!5936859
 (DIR) [4] /Tichys-Einblick-verliert-vor-Gericht/!5663133
 (DIR) [5] /Disziplinarverfahren-gegen-LMU-Professor/!5945218
 (DIR) [6] /Lisa-Fitz-bei-Spaetschicht/!5822849
 (DIR) [7] https://www.agra-rundfunk.de/wordpress/
 (DIR) [8] https://www.djv.de/startseite/service/blogs-und-intranet/djv-blog/detail/news-nah-am-rand
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ann-Kathrin Leclere
       
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