# taz.de -- Kürzungen und Entlassungen beim MDR: Massive Sparmaßnahmen
       
       > Ausgerechnet bei Recherche und dem Politikmagazin beschließt der MDR
       > Kürzungen. Währenddessen bleiben Privilegien in den Führungsetagen üppig.
       
 (IMG) Bild: Applaus bei der Wahl des neuen MDR-Intendanten Ralf Ludwig, November 2023
       
       Ralf Ludwig ist gelernter Instandhaltsmechaniker, sein Studium schloss er
       als Diplom-Kaufmann ab, arbeitete für eine Wirtschaftsberatung. Heute ist
       Ludwig Intendant des MDR. Und „hält den Laden instand“, wie auf den Fluren
       gewitzelt wird.
       
       Dabei hat Ludwig weniger das Programm und eher die Zahlen im Blick: 300. So
       viele Mitarbeiter verlassen den Sender bis 2028 inklusive
       Nachbesetzungsstopp. 160 Millionen Euro. So viel möchte Ludwig einsparen
       bis 2028, also jährlich 40 Millionen. Dabei wurde in der laut
       Eigenbeschreibung „schlanken Anstalt“ bereits kräftig gespart. 12,8
       Millionen Euro allein in diesem Jahr.
       
       Ein Grund für die Sparorgie: Die Kommission zur Ermittlung des
       Finanzbedarfs hat die Finanzanmeldung der öffentlich-rechtlichen Sender für
       die kommende Gebührenperiode um zwei Drittel gekürzt. Die Einsparungen
       betreffen nun auch das Programm. 47 Millionen Euro soll das bringen.
       
       Besonders betroffen ist die Redaktion „Politische Magazine und Reportagen“.
       So wird das regionale Politikmagazin „exakt“ von 44 auf 21 Sendeplätze
       gekürzt. Und das in einem Sendegebiet, in dem die AfD in Umfragen zur
       stärksten politischen Kraft gewachsen ist. Der MDR ist der wichtigste
       journalistische Anbieter in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen.
       Regionalzeitungen kämpfen hier um das Überleben, aufwendige investigative
       Recherchen können sie sich meist nicht leisten.
       
       ## Recherche-Redaktion bereits 2023 halbiert
       
       Doch dagegen regt sich Widerstand. Die Mitarbeiter fühlen sich übergangen.
       Weder der Freienrat noch der Redakteursausschuss oder der Personalrat
       wurden im Vorfeld um Stellungnahme gebeten. [1][In einem offenen Brief, der
       auch beim Deutschen Journalisten-Verband veröffentlicht wurde],
       protestieren nun aktuelle und ehemalige Mitarbeiter, aber auch Künstler und
       Hochschullehrer: [2][„Wir fürchten um die publizistische Schlagkraft des
       MDR,] um die Erfüllung unseres öffentlich-rechtlichen Auftrags und nicht
       zuletzt um das Vertrauen unseres Publikums.“
       
       Verwiesen wird auf zahlreiche relevante Beiträge zu V-Leuten im Umfeld des
       NSU, zu Hintergründen zum Fall Lina E. oder über die rechtsextremen „Freie
       Sachsen“, aber auch darauf, dass die Redaktion Recherche erst 2023 halbiert
       wurde.
       
       „Das ist absurd“, „beim RBB wurde nicht bei der Recherche gekürzt“ oder
       „der Sender schaufelt sich sein eigenes Grab“ sind Sätze, die man von
       MDR-Redakteuren hört. Es wird bezweifelt, ob man bei einem Jahresetat von
       700 Millionen Euro tatsächlich ausgerechnet hier sparen muss. Einer sagt:
       „Wir legen uns mit der AfD, mit der CDU oder dem Bauernverband an und sind
       denen natürlich lästig.“ Zitieren möchte sich damit lieber niemand lassen.
       
       ## Geschenke für die Führungsetage
       
       Dafür redet Heiko Hilker. Er sitzt für den DJV Sachsen im Rundfunkrat des
       MDR. Er sagt: „Seit Jahren bauen die Verlage regionalen Journalismus ab.
       Anstatt zu überlegen, wie der MDR das ausgleichen kann, will die
       Geschäftsführung die ARD stärken. Dies widerspricht dem MDR-Staatsvertrag.
       Die finanziellen Ressourcen, die regionale Berichterstattung auszubauen,
       hätte der MDR, wenn es langfristig gelänge, die ARD-Umlagen zu reduzieren.
       15 Millionen Euro im Jahr würden ausreichen, um im Programmetat nicht
       kürzen sowie keine journalistischen Stellen streichen zu müssen.“
       
       Was die Mitarbeiter besonders erbost: Bei ihnen soll massiv gespart werden,
       aber in der Führungsetage bleiben die Privilegien erhalten und es werden
       sogar Geschenke verteilt. So trat [3][Klaus Brinkbäumer nach drei Jahren
       als Programmdirektor Leipzig ab,] erhält aber weiter seine vollen Bezüge
       von 228.000 Euro im Jahr. Dafür moderiert er ab und zu die Talkshow
       „Riverboat“ oder möchte über die US-Wahl schreiben. Offen ist, ob
       Brinkbäumer nach 2026 ein Ruhegehalt von 70 Prozent erhält.
       
       Kommissarisch leitet die Direktion nun Jana Brandt und erhält dafür eine
       Zulage vom MDR, da sie ja schon die Programmdirektion Halle leite.
       Journalistische Schwerpunkte sind von Brandt nicht zu erwarten – sie stammt
       aus dem Bereich Unterhaltung und Fiktion.
       
       ## Rentnerprogramm statt Zukuftskonzept
       
       Überhaupt vermisst die Belegschaft ein Zukunftskonzept. Auch dafür, dass
       der MDR zum Jahresanfang das ARD-Mittagsmagazin übernommen hat, gibt es
       kein Verständnis. Eine Sendung, die in der ARD wie eine heiße Kartoffel
       weitergereicht wurde – vom BR zum RBB und nun zum MDR. Der verdoppelte die
       Sendezeit auf zwei Stunden, [4][um den Osten innerhalb der ARD zu stärken].
       Der MDR beziffert den jährlichen Mehrbedarf auf 6 Millionen Euro. „Wir
       wollten eigentlich in neue, digitale Formate investieren. Stattdessen
       schmeißen wir jetzt Millionen für eine analoge Rentnersendung raus“,
       lästert ein Redakteur.
       
       Ein Rundfunkratsmitglied ergänzt: „Auf vier Jahre hochgerechnet sind das 24
       Millionen Euro. Das ist über die Hälfte dessen, was jetzt im Programm
       eingespart werden soll.“ Er vermutet sogar höhere Kosten, da der RBB schon
       knapp 4 Millionen Euro im Jahr in die einstündige Sendung investierte.
       
       Dabei hatte der MDR 2023 versprochen, mit dem Mittagsmagazin „Reportagen
       und investigative Inhalte“ zu stärken. Wie das konkret aussieht, konnte man
       sich exemplarisch am Montag ansehen: Die Sendung beginnt mit dem Thema
       Einsamkeit. Die mache krank. Der Beitrag wird mit einem Expertengespräch
       vertieft.
       
       ## Erdbeerpreise und Alkoholdusche
       
       Weiter geht es mit der Erdbeerernte. „Werden die Erdbeeren in diesem Jahr
       teurer? Nein.“ Dann geht es um den Darm, denn „Geht es dem Verdauungstrakt
       gut, verbessert sich unser Wohlbefinden“. Wieder ein Beitrag und ein
       Expertinnengespräch inklusive Werbung für deren Buch. Nun ein
       Selbstversuch: Eine Redakteurin möchte abnehmen und lässt sich dabei in der
       Klinik filmen. Dann Fußball. Jubelbilder mit Alkoholdusche vom Aufstieg.
       Erst nach 50 Minuten wird es mit dem ESC ein wenig politisch.
       
       Auf den offenen Brief hat [5][der MDR mit einer Stellungnahme] reagiert.
       Darin heißt es: „Investigation ist für den Mitteldeutschen Rundfunk
       übergreifend sehr wichtig. Deshalb wird es im MDR auch in Zukunft
       Investigativ-Journalismus mit entsprechenden Angeboten geben. Neben
       Information gehören auch Bildung, Kultur und Unterhaltung zu unserem
       öffentlich-rechtlichen Auftrag.“
       
       Der Autor arbeitete 15 Jahre als Redakteur bei MDR aktuell und leitete 3
       Jahre den MDR-Redakteursausschuss.
       
       14 May 2024
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.djv.de/news/offene-briefe/keine-kuerzungen-beim-mdr/
 (DIR) [2] /Mitteldeutscher-Rundfunk-reformbeduerftig/!5960893
 (DIR) [3] /Wechsel-in-Fuehrungsebene-von-MDR-und-RBB/!6003852
 (DIR) [4] /Wechsel-beim-Mittagsmagazin/!5942030
 (DIR) [5] https://www.mdr.de/presse/stellungnahme-offener-brief-100.html
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Alexander Teske
       
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