# taz.de -- Studie zu Waffenexporten: Deutsche Panzerfäuste in Gaza
       
       > Deutschland ist Israels zweitgrößter Waffenlieferant, sagt eine neue
       > Studie. In den Wochen nach dem 7. Oktober 2023 nahmen die Exporte stark
       > zu.
       
 (IMG) Bild: Deutschland ist einer der wichtigsten ausländischen Waffenlieferanten der israelischen Armee
       
       BERLIN taz | Deutschland ist ein enger Partner Israels, das ist bekannt.
       Weniger bekannt ist, wie umfangreich die militärische Zusammenarbeit
       zwischen beiden Staaten ist. Forensis, die deutsche Schwesterorganisation
       der britischen Rechercheagentur Forensic Architecture, ist dieser Frage
       nachgegangen. Am Freitag präsentierte sie die Ergebnisse ihrer
       Nachforschungen der Öffentlichkeit. Wie aus ihrem Bericht hervorgeht, ist
       Deutschland der zweitgrößte Waffenlieferant Israels.
       
       Im vergangenen Jahr war die Bundesrepublik demnach sogar für 47 Prozent
       aller israelischen Waffenimporte verantwortlich, dicht hinter den USA mit
       53 Prozent. Dies ergebe sich aus Daten des Stockholmer
       Friedensforschungsinstituts (SIPRI). Die Zahl schließt die Lieferung von
       zwei Kriegsschiffen der Sa'ar 6-Klasse sowie von Raketen und Motoren für
       Panzer ein. Über einen längeren Zeitraum von fünf Jahren betrachtet –
       zwischen 2019 und 2023 – machten Lieferungen aus Deutschland immerhin 30
       Prozent aller Waffenimporte aus, während 69 Prozent aus den USA stammten.
       Diese Waffen werden zumindest zum Teil auch in Gaza eingesetzt.
       
       „Israel verfügt über eine eigene Waffenindustrie, ist aber auf Importe
       angewiesen“, stellte die Forensis-Mitarbeiterin und Architektin Dimitra
       Andritsou am Freitag klar. Für ihren Bericht nutzten die Forensis-Forscher
       öffentlich zugängliche Quellen über vergangene und aktuelle
       Exportgenehmigungen und Lieferungen von Waffen und Rüstungsgütern aus
       Deutschland nach Israel. Da die Daten über Rüstungsexporte oft lückenhaft
       und unvollständig sind und der deutsche Rüstungsexportbericht für das Jahr
       2023 noch nicht veröffentlicht worden ist, handelt es sich um eine
       Annäherung.
       
       Deutlich wird aber, dass Deutschland einer der wichtigsten ausländischen
       Waffenlieferanten der israelischen Armee ist, und deutsche Waffenexporte in
       den vergangenen Jahren [1][trotz der andauernden israelischen Besatzung
       palästinensischer Gebiete] sowie mehrerer umstrittener militärischer
       Offensiven der israelischen Armee im Gazastreifen, in der Regel ohne
       Einschränkungen genehmigt wurden.
       
       Seit 2003 hat Deutschland demnach 4.427 Einzelgenehmigungen für
       Rüstungsexporte nach Israel erteilt, mit einem Gesamtwert von circa 3,3
       Milliarden Euro. Das geht aus den jährlichen Rüstungsexportberichten der
       Bundesregierung hervor. Nur 54 Ausfuhrgenehmigungen wurden abgelehnt, was
       einer Genehmigungsquote von 99,75 % entspricht. Seit zwanzig Jahren belegt
       Deutschland bei den Gesamteinfuhren größerer konventioneller Waffen durch
       Israel damit durchgehend den zweiten und in manchen Jahren sogar den ersten
       Platz.
       
       ## Sprunghafter Anstieg
       
       Allein in den vergangenen fünf Jahren, zwischen 2019 und 2023, soll
       Deutschland Exporte von Rüstungsgütern nach Israel im Wert von über 1,1
       Milliarden Euro genehmigt haben – fast die Hälfte davon betrafen
       Kriegswaffen. Die Zahlen für die tatsächlichen Kriegswaffenexporte in
       diesem Zeitraum wurden von der Bundesregierung in den entsprechenden
       Berichten geschwärzt, deshalb handelt es sich um eine Schätzung.
       
       Im Jahr 2023 ist der Gesamtwert der genehmigten Rüstungsexporte sprunghaft
       angestiegen, er lag bei 326,5 Millionen Euro und damit rund zehn Mal höher
       als im Jahr 2022. Der größte Teil dieser Exporte wurde in der zweiten
       Jahreshälfte 2023 genehmigt, überwiegend seit [2][dem Terroranschlag der
       Hamas auf Israel und den ersten Gegenangriffen der Armee] im Oktober.
       Klammert man Genehmigungen für große Kriegsschiffe – U-Boote und Korvetten
       – aus, dann hat die Bundesregierung im Jahr 2023 so viele Waffenexporte
       genehmigt wie nie zuvor in den vergangenen zwanzig Jahren, sagen die
       Forscher.
       
       Im vergangenen November berichtete die Financial Times, die deutsche
       Regierung habe eine Arbeitsgruppe des Auswärtigen Amtes, des
       Wirtschaftsministeriums und des Amtes für Ausfuhrkontrolle gegründet, um
       die Bearbeitung israelischer Waffenanträge zu beschleunigen.
       
       Und obwohl sich die humanitäre Lage im Gazastreifen seit Monaten stetig
       verschlechtert hat und die israelische Kriegsführung immer stärker in die
       Kritik geraten ist, hat die Bundesregierung weiterhin Ausfuhrgenehmigungen
       für Rüstungsgüter und Kriegswaffen nach Israel erteilt. Ob der Umfang der
       Genehmigungen in den ersten Monaten diesen Jahres auf einem ähnlichen
       Niveau liegt wie Ende 2023, lässt sich noch nicht abschließend bewerten.
       
       ## In Gaza im Einsatz
       
       Die deutschen Waffen werden auch in Gaza eingesetzt. Als Beispiel dafür
       nannte Forensis-Forscherin Dimitra Andritsou am Freitag Panzerfäuste der
       Marke Matador, die von der Firma „Dynamit Nobel Defence“ im
       nordrhein-westfälischen Burbach hergestellt werden. Deutsche
       Sa’ar-Korvetten aus Kiel wiederum würden eingesetzt, um die Seeblockade vor
       Gaza aufrechtzuerhalten und mit Raketen auf Ziele an Land zu schießen, wie
       es anhand von Aufnahmen der israelischen Armee gezeigt wurde.
       
       Ein anderes Beispiel sind die Dieselmotoren aus deutscher Produktion, mit
       denen unter anderem die israelischen Merkava-4-Panzer ausgerüstet werden.
       Auch diese werden in Gaza eingesetzt.
       
       Berliner Anwälte haben jetzt beim Berliner Verwaltungsgericht einen
       Eilantrag gestellt, um deutsche Waffenexporte nach Israel zu stoppen. Dafür
       reiche die Annahme, dass mit diesen Waffen völkerrechtswidrige Verstöße
       begangen werden, sagte der Berliner Anwalt Ahmed Abed am Freitag in Berlin.
       Das 9-köpfige Anwaltskollektiv, dem er angehört, beruft sich auf das
       Kriegswaffenkontrollgesetz.
       
       Die Juristen meinen, Deutschland verstoße mit seinen Waffenlieferungen aber
       auch gegen internationale Abkommen wie den Vertrag über den Waffenhandel
       (ATT) von 2013 und die Genfer Konvention sowie gegen die Auflagen, die der
       Internationale Gerichtshof im Februar verfügt hat, um einen möglichen
       Völkermord in Gaza zu verhindern.
       
       ## Juristisch nicht einfach
       
       Grundsätzlich [3][bietet das deutsche Exportrecht wenig Möglichkeiten], um
       juristisch mit Erfolg gegen Waffengeschäfte vorzugehen. Das Hilfskonstrukt,
       das die Berliner Anwälte gewählt haben: Sie handeln im Namen von Mandanten,
       die sich in Rafah befinden. Alle seien aus Ihren Häusern geflohen und
       hätten Angst, zu verhungern oder bei der Rafah-Offensive zu sterben, sagt
       der Anwalt Ahmed Abed, der sie vertritt. Sie wollten namentlich nicht
       genannt werden, „um sich zu schützen“, sagte er.
       
       Beflügelt fühlen sich die Juristen durch das Urteil eines niederländischen
       Gerichts, das im Februar verfügte, die Niederlande müssten ihre
       Rüstungsexporte nach Israel stoppen, sonst würde sich das Land
       möglicherweise an Verstößen gegen das Völkerrecht mitschuldig machen. Dabei
       ging es um Ersatzteile für Kampfjets. Just am Freitag hat auch der
       Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen gefordert, Waffenlieferungen an
       Israel zu stoppen. Deutschland stimmte gegen die nicht bindende Resolution,
       die USA und vier weitere Länder ebenfalls. 28 Länder stimmten dafür,
       darunter auch die EU-Staaten Belgien, Finnland und Luxemburg. Frankreich
       und die Niederlande enthielten sich.
       
       Ab Montag muss sich Deutschland außerdem vor dem Internationalen
       Gerichtshof verteidigen. Nicaragua hat dort die Bundesrepublik wegen
       „Beihilfe zum Völkermord“ angeklagt, weil es Israels Regierung unterstützt
       und [4][Zahlungen an das UN-Hilfswerk UNRWA für dessen Arbeit in Gaza
       ausgesetzt] hatte.
       
       5 Apr 2024
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Internationaler-Gerichtshof-zu-Israel/!5990390
 (DIR) [2] /Nach-dem-Angriff-auf-Israel/!5965022
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 (DIR) [4] /Zahlungen-an-Hilfswerk-UNRWA/!6000864
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Daniel Bax
       
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