# taz.de -- Kunst und Kolonialismus in London: Verwobene Vergangenheit
       
       > Eine Ausstellung in der Royal Academy in London zeigt, wie sich
       > Kolonialismus in der Kunst von 1768 bis heute abbildet. Sie ist nicht nur
       > düster.
       
 (IMG) Bild: Ein ungewöhnliches Abendmahl: Tavares Strachan, „The First Supper (Galaxy Black)“, (Detail), 2023
       
       Eine lange Speisetafel steht derzeit in dem steinernen Hof der Royal
       Academy of Arts in London. Sie ist üppig gedeckt mit Früchten und
       Weinkrügen, mit karibischen und westafrikanischen Gerichten. Daran haben
       sich 13 wild gestikulierende Personen niedergelassen. „The First Supper“,
       betitelt der bahamaische Künstler Tavares Strachan seine lebensgroße
       Tischgesellschaft aus Bronze.
       
       An die Stelle von Jesus aber tritt bei Strachan der äthiopische Kaiser
       Haile Selassie, der von den Rastafari als Messias verehrt wurde. Umgeben
       ist der von historischen Schwarzen amerikanischen Persönlichkeiten, von der
       [1][Menschenrechtsaktivistin Harriet Tubman] oder dem Politiker Marcus
       Garvey. Auch Strachan selbst ist beim Dinner dabei, als Judas.
       
       Mit Strachans Neuinterpretation des biblischen Abendmahls steigt man ein in
       die Ausstellung „Entangled Pasts. 1768–now“. Sie arbeitet auf, wie
       verwickelt die Kunst mit dem Kolonialismus des britischen Empire ist, die
       in der 1768 gegründeten Royal Academy of Arts entstand. Die Idee sei der
       Kuratorin Dorothy Price gekommen, nachdem [2][die Ermordung des Schwarzen
       Amerikaners George Floyd durch einen Polizisten 2020] in den USA auch in
       Großbritannien so viele Unruhen auslöste. Nur bald darauf [3][stürzte in
       Bristol das Denkmal des Sklavenhändlers Edward Colston].
       
       Die Schau zeigt mit über 100 Kunstwerken von 1768 bis heute, dass der
       britische Kolonialismus auch durch die Tätigkeit der Kunsthochschule
       weitergetragen wurde. Und dies auf sehr unterschiedlichen Wegen:
       Künstler:innen ließen sich mit Geld bezahlen, das durch koloniales
       Unrecht erwirtschaftet wurde, oder sie stammten selbst aus Familien mit
       Besitz in den Kolonien. Andere wiederum trugen den Kolonialismus über die
       Bilder weiter.
       
       ## Porträt von Monarch und Knappe
       
       Wie Joshua Reynolds, erster Präsident der Royal Academy, wenn er auf einem
       Porträtgemälde dem damaligen Prinzen und späteren König Georg IV. einen
       Schwarzen Knappen an die Seite stellt. Der zupft dem Monarchen noch
       unterwürfig am Saum, sein Gesicht ist nicht zu erkennen. Ohnehin bleiben
       die meisten Persons of Color auf den Bildern dieser Ausstellung namenlos.
       
       Ganz anders ist das Porträt des Schwarzen Ignatius Sancho. Als Sklave
       geboren, konnte er sich durch sein Talent im Großbritannien des 18.
       Jahrhunderts als Schriftsteller und Komponist etablierten. Thomas
       Gainsborough, ein Zeitgenosse und Konkurrent von Reynolds, bildete Sancho
       dann auch als eine solche Prominenz ab, die er bereits zu Lebzeiten war.
       
       Im Mittelpunkt der Ausstellung steht das Meer, als wichtigster Handlungs-
       und Schicksalsort des Kolonialismus. Dutzende Modellschiffe lässt etwa
       Künstler Hew Locke von der Decke im zweiten Saal hängen.
       
       In [4][John Akomfrahs erhabenen Filmarbeiten] erscheint das Meer zunächst
       in aller Schönheit – und löst sich in Brutalität auf, wenn daneben Ellen
       Gallagher auf ihren Malereien ein grausames Motiv aufgreift, mit dem auch
       der einstige Royal-Academy-Stipendiat William Turner um 1840 die britische
       Öffentlichkeit aufschreckte: [5][schwangere, versklavte afrikanische
       Frauen, die auf der Atlantikpassage über Bord geworfen werden].
       
       ## Der Reformdenker Frederick Douglass
       
       Doch es gibt auch optimistische Blicke auf die Vergangenheit in dieser
       Ausstellung: Auf mehrere Leinwände projiziert Isaac Julien seine bildstarke
       Filminszenierung über den Reformdenker Frederick Douglass. Der reiste im
       19. Jahrhundert weit, um sich für die Abschaffung der Sklaverei
       einzusetzen.
       
       10 Apr 2024
       
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