# taz.de -- Bataillon „Netzach Jehuda“: Sanktionen gegen israelische Militäreinheit
       
       > US-Außenminister Blinken stellt Maßnahmen gegen die Militäreinheit
       > „Netzach Jehuda“ in Aussicht. Ihr werden Menschenrechtsverstöße im
       > Westjordanland vorgeworfen.
       
 (IMG) Bild: Soldaten des streng religiösen Bataillons „Netzach Yehuda“
       
       BERLIN taz | US-Außenminister Antony Blinken legte bei einer
       Pressekonferenz in Italien nahe, gegen eine Einheit des israelischen
       Militärs Sanktionen verhängen zu wollen. Das Bataillon „Netzach Jehuda“
       soll wegen Menschenrechtsverstößen im von Israel besetzten Westjordanland
       von militärischer Unterstützung ausgeschlossen werden.
       
       Die Sanktionen würden den Transfer von US-Waffen an die Infanterieeinheit
       unterbinden und deren Soldaten daran hindern, mit US-Streitkräften zu
       trainieren oder an Aktivitäten teilzunehmen, die mit US-Mitteln finanziert
       werden.
       
       Netzach Jehuda ist eine Einheit des israelischen Militärs, die 1999
       eingerichtet wurde, um sogenannten Haredim – Ultraorthodoxen – den Eintritt
       ins Militär zu erleichtern. Eigentlich sind Haredim in Israel – zumindest
       bislang – vom Militär befreit. Ultraorthodoxe dienen auch in anderen
       Einheiten; bei Netzach Jehuda jedoch haben sie nicht den gleichen Umgang
       mit Frauen wie andere Soldaten; die Einheit besteht ausschließlich aus
       Männern. Außerdem erhalten sie zusätzliche Zeit für Gebete und religiöse
       Studien.
       
       Doch die Militäreinheit verwandelte sich bald nach ihrer Gründung in ein
       Sammelbecken nicht für Ultraorthodoxe, sondern für sogenannte Hardalim,
       Nationalreligiöse, von denen viele radikalideologische Siedler sind, die
       etwa der Partei des rechtsextremen Finanzministers [1][Bezalel Smotrich]
       nahestehen.
       
       ## Vorwürfe wegen Misshandlung und Folter
       
       In den letzten Jahren waren ihre Mitglieder in zahlreiche gewalttätige
       Vorfälle verwickelt, einige von ihnen wurden wegen Misshandlung
       palästinensischer Gefangener verurteilt. Weitere Vorwürfe wegen
       Misshandlung und Folter stehen im Raum.
       
       Die israelische Regierung reagierte erzürnt auf die Ankündigung. Sanktionen
       gegen eine Einheit des Militärs seien ein „moralischer Tiefpunkt“, zumal in
       einer Zeit, in der „Soldaten gegen terroristische Monster“ kämpften,
       schrieb der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu auf X.
       
       Auch der zentristische Politiker Benny Gantz, Ex-Armeechef und Mitglied im
       Kriegskabinett, übte heftige Kritik an dem Schritt. „Der Staat Israel
       verfügt über ein starkes, unabhängiges Justizsystem“, sagte er. Jede
       Behauptung eines Verstoßes gegen die Befehle und den Verhaltenskodex der
       Armee würde genauestens geprüft.
       
       Dem aus Washington angedeuteten Schritt geht ein langer Prozess voraus.
       Schon vor Monaten hat ein Gremium des US-Außenministeriums empfohlen,
       israelische Militär- und Polizeieinheiten von US-Militärhilfe
       auszuschließen, nachdem dieses Gremium Vorwürfe geprüft hatte, dass
       Mitglieder der Einheiten schwere Menschenrechtsverletzungen begangen haben.
       
       ## Die USA sind nicht mehr willens, die Augen zu verschließen
       
       Ende Dezember 2023 hatte das israelische Militär bereits die Einheit
       Netzach Jehuda vom Westjordanland in den Norden Israels verlegt. Auch wenn
       die Armee dies nicht zugibt, zweifelt doch kaum jemand daran, dass dieser
       Schritt angesichts der gewalttätigen Vorfälle durch Mitglieder der Einheit
       vorgenommen wurde – wohl auch auf Druck Washingtons hin.
       
       „Es sieht so aus, als seien die USA nicht mehr willens, die Augen vor den
       Menschenrechtsverletzungen einiger Soldaten zu verschließen“, sagt Jehuda
       Schaul vom Israeli Center for Public Affairs. Dies dürfte auch an dem
       [2][wachsenden innenpolitischen Druck] liegen, der auf der US-Regierung
       lastet. Am Samstag hatten die USA [3][erneut eine Milliardenhilfe für
       Israel bewilligt], während Israel angesichts seiner Kriegsführung im
       Gazastreifen im Kreuzfeuer der Kritik steht.
       
       Dabei sei in Shauls Augen der Begriff „Sanktionen“ nicht angemessen. Es
       gehe vielmehr lediglich um die Umsetzung eines Gesetzes: namentlich des
       Leahy-Gesetzes. Das Leahy-Gesetz verbietet es, US-Mittel für die
       Unterstützung von Einheiten ausländischer Sicherheitskräfte zu verwenden,
       wenn glaubwürdige Informationen vorliegen, dass diese Einheit in grobe
       Menschenrechtsverletzungen verwickelt ist.
       
       Währenddessen eskaliert die Situation nicht nur im Gazastreifen, sondern
       auch im Westjordanland weiter. Bei einem Einsatz des israelischen Militärs
       in Tulkarem wurden mindestens zehn Palästinenser getötet, neun israelische
       Sicherheitskräfte wurden verletzt.
       
       21 Apr 2024
       
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