# taz.de -- Klimaschutz à la FDP: Brauchen wir Fahrverbote?
       
       > Im Namen des Klimaschutz spricht Bundesverkehrsminister Wissing eine
       > radikale Drohung aus. Was seine Idee bringen würde.
       
 (IMG) Bild: Gähnende Leere: Wegen der Ölkrise wurde im November 1973 zum ersten Mal ein sonntägliches Fahrverbot verhängt
       
       „22 Millionen Tonnen CO2 lassen sich [1][nur durch Fahrverbote] einsparen“,
       sagte nun Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) am Freitag im
       [2][Deutschlandfunk]. Damit will er die Koalitionspartner unter Druck
       setzen, die geplante Reform des Klimaschutzgesetzes voranzubringen, mit der
       verbindliche Zielvorgaben einzelne Ministerium entfallen würden. Hat er
       recht?
       
       Nach aktueller Gesetzeslage sind manche Ministerien verpflichtet, ein
       Klima-Sofortprogramm zu erarbeiten: nämlich diejenigen, deren
       Zuständigkeitsbereiche im vergangenen Jahr klimaschädlicher waren, als es
       das Bundesklimaschutzgesetz erlaubt. Dass Wissings Verkehrswesen
       dazugehört, gilt als sicher – da hat der Minister schon mal recht. Ein
       Sofortprogramm soll laut Klimaschutzgesetz dafür sorgen, dass die
       CO2-Grenzwerte der folgenden Jahre nicht mehr gerissen werden.
       
       Doch beim Verkehrssektor ist für 2024 bisher mit 22 Millionen Tonnen CO2
       zu viel zu rechnen, so eine Prognose des Umweltbundesamts. Auf diese Zahl
       bezieht sich Wissing in seiner Aussage. Man könnte argumentieren, dass er
       eigentlich auch noch die im vergangenen Jahr zu viel ausgestoßenen Tonnen
       aufrechnen müsste. Schließlich wird die Klimaschutz-Lücke mit jedem Jahr
       größer: Weil die Ziele nach und nach schärfer werden und sich die zuletzt
       jährlichen Verfehlungen aufsummieren.
       
       Tatsächlich liegt das größte Einsparpotenzial des Verkehrssektors auf der
       Straße. Im kommenden Jahr wird der Verkehrssektor wohl rund 145 Millionen
       Tonnen CO2 emittieren. Der Straßenverkehr verursacht davon rund 140
       Millionen Tonnen. Selbst wenn also hypothetisch der inländische Flug-,
       Schiffs- und Schienenverkehr komplett eingestellt würde, wäre [3][das
       Verkehrswesen noch viel zu klimaschädlich].
       
       ## Mobilitätsalternativen fehlen
       
       Also wirklich am besten [4][ein Autofahrverbot am Wochenende]? „Es wird
       keine Maßnahmen geben, die schnell wirken, außer einem Tempolimit und wie
       auch immer gearteten Fahrverboten“, sagt Jens Hilgenberg vom Bund für
       Umwelt und Naturschutz. Fahrverbote fordert er aber nicht. Das Problem: Die
       Mobilitätsalternativen fehlen. „Für eine Verlagerung des Verkehrs braucht
       man eine Infrastruktur, die wir aktuell nicht haben.“
       
       Mehr und bessere Verbindungen beim öffentlichen Nah- und Fernverkehr,
       höhere Taktraten, mehr angebundene Orte. Dass es die nicht gebe, liege
       daran, dass Wissing wie auch die Vorgängerregierungen unter Führung der
       Union jahrelang kaum etwas dafür getan hätten.„Es ist ein Dilemma, das mit
       Ansage kommt“, kritisiert Hilgenberg.
       
       Keinem der von der taz befragten Expert:innen sind Studien dazu bekannt,
       wie viel CO2 Wissings angedrohtes Fahrverbot einsparen würde. Ein
       Tempolimit allein würde jedenfalls nicht ausreichen, um die 22 Millionen
       Tonnen CO2 einzusparen. Man käme aber doch schon recht weit. Einer
       [5][Studie des Umweltbundesamts] aus dem vergangenen Jahr zufolge würde
       eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf maximal 120 Kilometer pro Stunde
       jährlich 6,7 Millionen Tonnen CO2 im Jahr einsparen.
       
       Würde zusätzlich zu der 120er-Grenze auf Autobahnen ein Tempolimit von 80
       Kilometern pro Stunde auf Landstraßen eingeführt, würde das
       Reduktionspotenzial noch einmal steigen: auf insgesamt 8 Millionen Tonnen
       CO2 jährlich. Mit einem Autobahn-Tempolimit auf 100, 80 außerorts und 30 in
       Städten kommt die Deutsche Umwelthilfe (DUH) auf 11 Millionen Tonnen
       Einsparungen.
       
       Wiebke Zimmer vom [6][Thinktank Agora] Verkehrswende empfiehlt einen
       längerfristigen Blick. „Es gibt Studien, die vorrechnen, wie die Klimaziele
       des Verkehrswesens für 2030 und darüber hinaus erreicht werden können“, so
       die Expertin.
       
       „Keine davon setzt auf Fahrverbote, sondern ganz im Gegenteil auf
       Maßnahmen, die Fahrverbote unnötig machen: auf den Hochlauf der
       Elektromobilität, auf die Förderung von öffentlichem Verkehr, auf die
       Stärkung von Rad- und Fußverkehr.“
       
       12 Apr 2024
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Verkehrssektor-verfehlt-Klimaziele/!6004123
 (DIR) [2] https://www.deutschlandfunk.de/sektorziele-durch-fahrverbote-interview-volker-wissing-fdp-verkehrsminister-dlf-2eccc217-100.html
 (DIR) [3] /Einfluss-der-Autobranche-auf-Klimaschutz/!5982041
 (DIR) [4] /Verkehrsminister-droht-mit-Fahrverboten/!6004125
 (DIR) [5] https://www.umweltbundesamt.de/publikationen/fluessiger-verkehr-fuer-klimaschutz-luftreinhaltung
 (DIR) [6] /Umweltorganisation-widerspricht-Minister/!6000178
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Susanne Schwarz
 (DIR) Svenja Bergt
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Weltklima
 (DIR) Volker Wissing
 (DIR) Tempolimit
 (DIR) Verkehrswende
 (DIR) Autoverkehr
 (DIR) Bundesverkehrsminister
 (DIR) Mobilität
 (DIR) Tempolimit
 (DIR) FDP
 (DIR) Schwerpunkt Klimawandel
 (DIR) Schwerpunkt Klimawandel
 (DIR) Verkehr
 (DIR) Schwerpunkt Klimawandel
 (DIR) Verkehr
 (DIR) Schwerpunkt Klimawandel
 (DIR) Schwerpunkt Klimawandel
 (DIR) Schwerpunkt Klimawandel
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Für Klima und sichere Straßen: Verbände fordern Tempolimit
       
       Verschiedene Organisationen setzen sich für ein Tempolimit und mehr
       Tempo-30-Strecken ein. Das sei gut fürs Klima und die Verkehrssicherheit.
       
 (DIR) 12-Punkte-Plan der FDP: Die Fassade der Ampel ist gefallen
       
       Die Liberalen schießen wieder gegen die eigene Regierung. Damit schafft die
       FDP Klarheit – über ihr Profil und die Verhärtung der politischen Fronten.
       
 (DIR) Vorbilder bei Fahrverboten: Sonntags Party auf der Straße
       
       Fahrverbote standen für Verkehrsminister Volker Wissing nie wirklich zur
       Debatte. Aber es gibt sie: Paris, Mexiko-Stadt und Athen zeigen, wie es
       geht.
       
 (DIR) Reform des Klimaschutzgesetzes: Die besten Jahre sind vorbei
       
       Die Ampelkoalition verwässert mit einer Reform das Klimaschutzgesetz.
       Aktivist*innen und die Energiewirtschaft zerreißen die Pläne.
       
 (DIR) Reform des Klimaschutzgesetzes: Ran ans Auto!
       
       Die Ampel schwächt das Klimaschutzgesetz ab – und Autofahrer:innen
       können sich freuen, dass es kein Fahrverbot gibt. Der Verkehr bleibt ein
       Problem.
       
 (DIR) Reform des Klimaschutzgesetzes: Verwässertes Klimagesetz kommt
       
       Die Spitzen der Ampelkoalition einigen sich auf eine umstrittene Reform.
       Die angedrohten Fahrverbote des Verkehrsministers sind damit vom Tisch.
       
 (DIR) Umkämpfter E-Automarkt: Tesla will 14.000 Stellen streichen
       
       Der Markt für Elektroautos läuft gerade nicht gut. Auch nicht für Pionier
       Tesla: Medienberichten zufolge sollen selbst in Grünheide Jobs wegfallen.
       
 (DIR) Verkehrsminister droht mit Fahrverboten: Go! Wissing! Go!
       
       Volker Wissing kündigt Wochenend-Fahrverbote an, wenn das Klimaschutzgesetz
       nicht vorankommt. Ist er jetzt Ehrenvorsitzender der Letzten Generation?
       Leider nein.
       
 (DIR) Umweltorganisation widerspricht Minister: Habeck beim Klima zu optimistisch
       
       Agora Energiewende kritisiert die CO2-Prognosen der Bundesregierung für
       2030. Die Annahmen zu Wetter, Wachstum und Windausbau seien zu positiv.
       
 (DIR) Urteil von Oberverwaltungsgericht: Das Wissing-Schutz-Gesetz
       
       Ein Oberverwaltungsgericht erinnert die Ampel an ihr Klimaschutzgesetz. Die
       will das aber sowieso aufweichen, um das Verkehrsministerium zu schützen.