# taz.de -- Fliegenfischer-Treffen in Hamburg: Männer, die Fake-Insekten basteln
       
       > In Hamburg kommt die Fliegenfischerszene in einem Strandbad zusammen –
       > initiert von der CDU. Ein Tag voll Glitzer, Currywurst und Oppossumfell.
       
 (IMG) Bild: Elegantes Werfen beim Fliegenfischen-Event im Strandbad Farmsen
       
       Es braucht nicht viel, um ein Fake-Insekt herzustellen. Einen Seidenfaden
       als Basis, ein bisschen Tierfell, zum Beispiel vom Opossum, zwei getupfte
       Federn von einem indischen Hahn für die Augen der Fliege („Die Fliege muss
       den Fisch sehen“, so geht ein Fliegenfischerscherz) und ein paar
       Glitzerfäden. Dem Fisch ist der Glitzer zwar nicht so richtig wichtig, aber
       die Fliegenfischer mögen das.
       
       Am Ende der Schnur befestigt ins Gewässer geworfen, muss die Fake Fliege am
       Haken vor allem möglichst organisch durchs Wasser gleiten, damit die
       Fische, oft Lachse oder Meerforrellen, drauf reinfallen und anbeißen.
       
       Ein routinierter Fliegenbinder braucht mit seinem Apparat, der wie eine
       Miniaturnähmaschine aussieht, etwa zehn Minuten für eine Standardfliege.
       
       Am vergangenen Sonntag traf sich die für Außenstehende doch etwas nerdig
       anmutende Fliegenfischerszene im Strandbad Farmsen, brachte Ruten,
       Fliegenbindeapparate, rot gefärbte Oposumfellchen und Outdoorkochtöpfe mit,
       schüttelte sich erfreut die Hände („Mensch, wir haben uns ja seit zehn
       Jahren nicht gesehen!“ Dieser Satz fiel so oder so ähnlich sehr oft, man
       kennt sich) und führte die Fliegenfischwurftechniken vor.
       
       ## Männer ab 50
       
       Um 10 Uhr startet „Hamburgs erstes Fly-Fishing-Event“, wie die
       Organisatoren es anpreisen. Während auf dem Strandbad-Gelände die ersten
       Fake Insekten geknüpft werden (manche sind so filigran und hübsch, dass sie
       in Bilderrahmen ausgestellt werden) parken draußen die Besucher, fast alles
       Männer ab 50, ihre Autos auf der durchweichten Wiese.
       
       Ein Zettel weist allen, die sich vorher angemeldet haben, links um einen
       Busch herum den Weg zum VIP-Eingang. Na ja, es gibt nur einen Eingang ins
       Strandbad, aber mit Anmeldung darf man eben links um den Busch herum an der
       Warteschlange vorbei. So die Theorie, in der Praxis muss man eh nicht
       warten. Die rund 300 zahlenden Besucher, fünf Euro kostet der Tag mit den
       Fliegenfischern, stehen nicht alle gleich morgens auf der Matte und wollen
       rein, sondern tröpfeln nach und nach aufs Gelände, kaufen sich eine
       Currywurst und schlendern umher.
       
       Die Initiatoren sind selber Angler und Mitglieder des CDU-Ortsverbands
       Farmsen-Berne, einem ländlich geprägten Stadtteil in Hamburgs Nord-Osten.
       Früher wurde hier Lehm und Ton ausgebuddelt, um daraus Ziegel herzustellen.
       Einige der längst aufgegebenen Tongruben sind heute Seen. Einer davon ist
       das Strandbad Farmsen.
       
       ## Elegante Wurftechnik am Strand
       
       Fische fangen die Männer an diesem Sonntag keine, es geht nur ums Vorführen
       ihres Hobbys. Zwischen den Fliegenfischern, viele mit Käppi und Hoodie,
       sind immer etwa 15 Meter Platz, das muss sein, will man nicht die Schnur
       des Nachbarn abbekommen. Sie stehen da und werfen in fließenden Bewegung
       die Schnur aus, um sie gleich wieder einzuholen. Einer streckt beim Wurf
       ein Bein elegant nach hinten aus und verharrt einige Sekunden in dieser
       Haltung. „Das gibt gute Haltungsnoten wie beim Skispringen, wenn man eine
       [1][Telemark-Landung] schafft“, sagt er und lacht laut dazu.
       
       Einer der Initiatoren des Fliegenfischtages ist extra in die CDU
       eingetreten, um sich in der Ortsgruppe Farmsen-Berne für sein Hobby und
       gegen einen [2][Nationalpark Ostsee] einzusetzen. Im Strandbad steht er an
       diesem Sonntag unter einem Plastikpavillon, vor sich ein Rednerpult, an dem
       ein handgeschriebenes Schild und ein gezeichneter Fisch, der sein riesiges
       Maul aufreißt, verkündet: „Vorträge Dänische Auen 11 und 15 Uhr“. Er zeigt
       auf einem Monitor Grafiken von Gülleeinträgen in die Ostsee und Fotos von
       hübsch meandernden dänischen Flüssen im Sonnenuntergang, an denen es sich
       gut Fliegenfischen lässt.
       
       „Als würde jemand Gullideckel reinwerfen“, beschreibt er einen der Flüsse,
       so viel Wirbel machen dort die Meerforellen in der Dämmerung an der
       Wasseroberfläche. Anerkennendes Nicken und Murmeln der paar Zuhörer,
       allesamt Männer, die die Hände in ihren Hosentaschen vergraben und ihre
       Köpfe unter den Pavillon stecken. Sie wissen eben, dass [3][die
       Meerforelle] eigentlich ein sehr scheuer Fisch ist.
       
       29 Apr 2024
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://de.wikipedia.org/wiki/Telemarklandung
 (DIR) [2] /Nationalpark-Ostsee-vor-dem-Aus/!5960363
 (DIR) [3] /Die-Wahrheit/!6000685
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ilka Kreutzträger
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Kolumne Großraumdisco
 (DIR) Hamburg
 (DIR) Angeln
 (DIR) Hobby
 (DIR) Schwerpunkt Stadtland
 (DIR) CDU Schleswig-Holstein
 (DIR) Bayern
 (DIR) 43. Tage der deutschsprachigen Literatur
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Suzi Quatro im Konzert: Miss Suzi Q
       
       Sie ist ein Star der Boomer, die auch noch mit Rollator zu ihr ins Konzert
       kommen. Suzi Quatro sprüht vor Energie.
       
 (DIR) Nationalpark Ostsee vor dem Aus: Widerstand in den eigenen Reihen
       
       Der Nationalpark Ostsee ist das Herzensprojekt von Schleswig-Holsteins
       grünem Umweltminister. Doch die CDU will nicht mehr mitziehen.
       
 (DIR) Der Hausbesuch: Sie ist fischverrückt
       
       Schule war nicht ihr Ding, arbeiten schon eher. Und gutes Essen. Am
       Tegernsee wurde Flora Engel zur Fischwirtin, nun wohnt sie wieder in
       Hamburg.
       
 (DIR) Bachmannpreis – Tag 3: An der Angel
       
       Endlich lernen wir etwas über das Fliegenfischen beim Bachmann-Wettbewerb
       in Klagenfurt! Eine Takis-Würger-Reloaded-Debatte gibt es auch.