# taz.de -- Regisseur des Videospiels „Fallout“: „Wir haben Zeit“
       
       > Todd Howard hat die Videospielwelt mit der „Fallout“-Reihe geprägt. An
       > der Serienumsetzung für Amazon Prime war er nun als Produzent beteiligt.
       
 (IMG) Bild: Wüst geht es zu in der „Fallout“-Welt
       
       taz: Herr Howard, wie haben Sie die [1][„Fallout“]-Welt zum Leben gebracht 
       
       Todd Howard: Wir wollten die Welt der „Fallout“-Spiele weiterentwickeln.
       Für mich ging es erst einmal darum, Kreativpartner für die Serie zu finden.
       Wir müssen den Stoff ja für die große Leinwand umsetzen und eine Geschichte
       erzählen, die wir zuvor in einem Spiel hatten. In „Fallout“ geht es in
       erster Linie um die Welt und wir mussten einen interessanten Schauplatz
       finden, von dem aus wir eine neue Story mit tollen Charakteren erzählen
       können.
       
       Abgesehen davon, dass [2][Regisseur Jonathan Nolan] die „Fallout“-Spiele
       kennt und gespielt hat – was beeindruckt Sie an ihm? 
       
       Zum einen seine Arbeit am Drehbuch von „The Dark Knight“, wo er eine
       populäre, bereits langlaufende Marke nimmt und noch immer interessante
       Szenarien aus ihr herauszieht und sie zum Leben erweckt. Denn in „Fallout“
       ist die Welt zwar zentral, aber es geht nicht nur um die Postapokalypse, es
       geht auch um die Welt davor. Und dort muss man eine längere Geschichte
       erzählen, die aber trotzdem frisch ist.
       
       Für die Fans ist einer der interessantesten Aspekte die religiöse Stählerne
       Bruderschaft. Wofür steht sie? 
       
       In der [3][Stählernen Bruderschaft] gibt es verschiedene Fraktionen. Die
       Serie zeigt eine Version der Bruderschaft, die näher an dem ersten
       „Fallout“-Spiel ist. Sie sind eine quasi religiöse Vereinigung, die
       Technologie anbetet. Aber ihr Verlangen, eben diese Technologie zu
       kontrollieren, spaltet sich in der Bruderschaft selbst. Sie treten als
       Ritter des Wastelands auf, versuchen aber gleichzeitig die Überbleibsel der
       Technik zu finden, damit sie sie für sich einsetzen können. Ihre silbernen
       Powerrüstungen sehen stark aus und eigentlich möchte jeder einmal in dieser
       Rüstung herumlaufen und sagen „Ich kontrolliere jetzt das Wasteland.“ Du
       siehst diese Rüstung und willst mit ihr Iron-Man in der Apokalypse spielen.
       
       Spiele erzählen Geschichten durch interaktives Storytelling. Filme und
       Serien präsentieren ihre Handlung aber passiv. Ist das problematisch? 
       
       In unserem Fall war es das nicht, weil wir uns dafür entschieden haben,
       nicht direkt die Geschichte der Spiele umzusetzen. Ich wollte etwas machen,
       das für eine Fernsehserie funktioniert. Das ist auch, warum wir einen
       Ensemble Cast haben. Wir sehen die Serie durch mehrere Augen. In den
       Spielen sorgt die Interaktivität dafür, dass du selbst zum Hauptcharakter
       wirst. Das fühlt sich natürlich vollkommen anders an als lineares
       Fernsehen. Im besten Fall, wenn wir gute Arbeit gemacht haben, fühlst du
       bei den Spielen etwas über dich selbst. Wenn jemand viele Spiele spielt und
       eines beendet, fühlt er für einen Moment einen gewissen Stolz. Das ist
       etwas, das Fernsehen und Filme dir nicht geben können. Dafür können sie dir
       aber andere Erlebnisse geben, wie zum Beispiel die Welt aus anderen
       Perspektiven betrachten.
       
       Videospiele werden oft als unpolitisches Medium gesehen. Was denken Sie? 
       
       Wie jede Form von Unterhaltung können auch Spiele vieles sein. Videospiele
       sind inzwischen an einem Punkt, wo die meisten Leute realisieren, dass sie
       tiefgründige Geschichten erzählen können, durch die man sich selbst
       hinterfragt. Oder aber sie sind eine beiläufige Ablenkung wie ein
       Spielautomat, zum Beispiel auf dem Handy. Mit Filmen und Serien ist es
       dasselbe. Dort gibt es das „Familien-Duell“, „Westworld“ und „Der Herr der
       Ringe“. Es gibt also eine große Bandbreite. Und bei Videospielen gibt es
       sie auch. Und so sollte es auch sein.
       
       Wie haben Sie entschieden, welche Inhalte es aus den Spielen in die Serie
       schaffen? 
       
       Das kam durch die Gespräche mit dem Regisseur Jonathan Nolan und den
       Autoren Geneva Robertson-Dworet und Graham Wagner. Ich hatte auch meine
       Liste mit Inhalten, die ich in der Serie haben wollte. Eine Sache, die man
       mir aber erst einmal beibringen musste, war die Art der Erzählung im
       Fernsehen. Sie haben mir gesagt: „Wir haben Zeit. Wir können sie uns
       nehmen. Wir können den Charakteren auf den Grund gehen.“
       
       Was stand denn auf Ihrer Liste? Was wollten Sie aus den Spielen übernehmen? 
       
       Wenn man von „Fallout“ spricht, dann denken die meisten direkt an
       Vault-Tec. Sie denken an den Vault Boy am Arm und den ersten Moment, wenn
       man das Wasteland betritt. Dieser Moment, wenn man zum ersten Mal die Welt
       sieht und dann lernt, in ihr zu überleben. Das war der wichtigste Punkt auf
       meiner Liste. Natürlich stand auch die Stählerne Bruderschaft darauf. Auch
       die Welt vor dem Atomkrieg war mir sehr wichtig. Wir wollten die
       Gelegenheit nutzen und in der Serie so oft wie möglich zeigen, wie es in
       der alten Welt war. Das haben wir auch am Anfang des Spiels „Fallout 4“ ein
       wenig getan. Aber bei den Spielen haben wir nicht dieselben Möglichkeiten,
       die Vergangenheit zu inszenieren wie in der Serie.
       
       Wie bei den „Fallout“-Spielen haben auch an der Serie Hunderte, wenn nicht
       Tausende mitgearbeitet. Wie stellen Sie sicher, dass die Arbeitsbedingungen
       fair und transparent sind? 
       
       Bei den Spielen liegt das definitiv in meiner Verantwortung. Das ist jetzt
       mein dreißigstes Jahr im Studio und ich kenne viele der Leute seit Dekaden.
       Wir haben inzwischen jede Art von Entwicklung durchgemacht. Aber gerade,
       weil die Leute so lange bei uns sind, passen wir sehr genau auf sie auf.
       Wir müssen alles geben, damit ein Spiel bestmöglich erscheint. Aber das
       muss auch nachhaltig sein, weil dir eine Entwicklung sehr viel abverlangt.
       Wir sind da in einer guten Position, aber es ist auch immer etwas, wo man
       dazulernt. Die Welt verändert sich und wir haben zum Beispiel nicht mit dem
       Coronavirus gerechnet. Das ändert deine Arbeitsbedingungen natürlich
       vollkommen. Für Entwickler wie uns ist das noch einfacher als für die Leute
       am Filmset. Wir haben den Dreh am Ende des Virus begonnen, es musste noch
       getestet und einige Hindernisse mussten überwunden werden. Aber in meinen
       Augen war die Produktion sehr umsichtig und vorsichtig mit diesen Dingen.
       
       Momentan macht die Gaming-Industrie Schlagzeilen durch massive
       Entlassungswellen. Wie kommt es zu diesen Einschnitten? Und welche Rolle
       spielt die künstliche Intelligenz dabei? 
       
       Ich denke, das ist bei jedem Studio und Unternehmen unterschiedlich. Wir
       als Studio fühlen uns zum Beispiel momentan sehr wohl, wo wir sind. Ich
       würde es gar nicht auf die Gaming-Industrie eingrenzen, sondern sagen, dass
       es die gesamte Techindustrie betrifft. Wir haben zuletzt einen starken
       Zustrom in die Branche gesehen und ich denke, dass die Industrie gerade
       einen Zyklus durchmacht. Ich hoffe, dass dieser bald zu einem Ende kommt.
       Ich denke aber nicht, dass künstliche Intelligenz jetzt schon eine große
       Rolle spielt und alle ersetzt. Meine Sicht auf künstliche Intelligenz ist
       die, dass sie uns dabei helfen kann, noch produktiver zu werden.
       
       3 May 2024
       
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 (DIR) [2] https://de.wikipedia.org/wiki/Jonathan_Nolan
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