# taz.de -- Performance über Klimakatastrophe: Nichts mit Sand am Meer
       
       > In der Schwankhalle in Bremen bringt das Kollektiv Markus & Markus eine
       > Fortsetzung zum Kino-Blockbuster „Titanic“ auf die Bühne.
       
 (IMG) Bild: Erhitzte Debatte zwischen zwei Möwen, und das auch noch gereimt
       
       Man kann gar nicht so viel Popcorn essen, wie man kotzen möchte: Da werden
       diese Warnungen von Expert*innen einfach ignoriert, weil es gerade so
       gut läuft; weil man nicht wahrhaben möchte, dass man geradewegs auf die
       Kollision zusteuert. Volle Kraft voraus! Dann macht es Rumms und ehe man
       sich versieht, ist man in irgendetwas hineingeraten, wie 1912 die „Titanic“
       in einen Eisberg. Und über 100 Jahre später gondeln wir wieder zielstrebig
       auf eine Katastrophe zu. Oder, wenn man dem vierköpfigen niedersächsischen
       [1][Theaterkollektiv Markus & Markus] glaubt: Das Schiff sinkt längst.
       
       Am Wochenende sie ihr Stück [2][„Titanic II“ in der Bremer Schwankhalle] –
       als Fortsetzung des Kino-Blockbusters mit Mitteln des Theaters. Eisberge
       sind zwar keine in Sicht, dafür eine Menge maritime Dekoration auf der
       Bühne: eine Prise Seemannsflair, die zuletzt auch in München gut
       funktionierte: am Fuß der alpenländischen Gebirge. Wie wir aber ins
       Gedächtnis gerufen bekommen: Auch die höchsten Berge waren mal Meeresboden,
       bis sie sich unter hohem tektonischen Druck zu ihrer heutigen Form
       aufgetürmt haben.
       
       So weit, so gut, alles schon mal im Erdkunde-Unterricht gehört. Vielleicht
       noch bekannter ist James Camerons Kinohit von 1997 über die Romanze
       zwischen einer Dame aus der Upperclass und einem verarmten Künstler an Deck
       eines Ozeandampfers. Bei einer der letzten Aufführungen des Stücks in
       München haben fast alle die Hände gehoben, als sie vom einen Markus gefragt
       wurden, ob sie „Titanic“ schon mal gesehen haben.
       
       ## Im Sand erstickt
       
       Im Stück begibt sich das Kollektiv auf die [3][Suche nach Sand]. Denn die
       Stückentwicklung „Titanic II“ sollte laut Ankündigungstext „dort anfangen,
       wo der Film aufgehört hat: auf dem Meeresgrund“. Und der besteht nun mal
       aus Sand.
       
       Dreh- und Angelpunkt ist ein Betonwerk, wo das Zeug als Rohstoff in
       unvorstellbaren Massen verbraucht wird. Nur trifft das der Ausdruck „wie
       Sand am Meer“ zwar auf einiges zu, nur eben auf den Sand selbst nicht. Der
       wurde über Jahrmillionen aus den Bergen ins Meer gespült, wo er zwar
       containerweise abgebaut wird, aber eben nicht nachwächst. 90 Minuten dauert
       das Theater-Sequel von „Titanic“. Und 90 Minuten dauert es auch, Sand
       unwiederbringlich in Beton zu binden.
       
       Denn darum geht es bei dieser „Titanic“-Fahrt: Die Menschheit verbraucht
       laut Markus & Markus doppelt so viel Sand, wie die weltweiten Flüsse
       nachliefern können. Da kann man etwa ins Grübeln kommen, ob angesichts
       angespannter Wohnungsmärkte das Credo „Bauen! Bauen! Bauen!“ nun das Gebot
       der Stunde ist.
       
       Und beim Bauen hört es nicht auf. Denn wie uns der eine Markus erklärt,
       gibt es auf der Bühne zwar keine Dünen, aber doch ziemlich viel Sand: im
       Glas der Glühbirne, in den Badelatschen, in der Stonewashed-Jeans des
       anderen Markus und so weiter und so fort.
       
       Das Problem ist dabei gar nicht, dass uns der Sand ausgeht. Sondern dass
       die Umwelteinflüsse so enorm sind. Die indischen Landwirte, die in „Titanic
       II“ per Video zu Wort kommen, berichten, dass sich Sandstaubschichten so
       stark auf die anliegenden Agrarflächen rund um die Raubbauregion legen,
       dass Pflanzen mitsamt der darin lebenden Tiere zugrunde gehen. In anderen
       Teilen der Welt rutschen ganze Küstenabschnitte in die Tiefe, weil weiter
       draußen gebuddelt wurde. Und das ist nur die Spitze des bildlichen
       Eisberges.
       
       19 Apr 2024
       
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