# taz.de -- Improvsound von Oren Ambarchi und Co: Kleine Gesten, maximale Wirkung
       
       > Das australisch-schwedische Jazztrio Oren Ambarchi, Johan Berthling und
       > Andreas Werliin rührt auf dem Album „Ghosted II“ Mikrosounds zum
       > Maelstrom.
       
 (IMG) Bild: Dreiköpfiges Soundmonster namens Ambarchi, Berthling und Werliin
       
       Oren Ambarchi, Johan Berthling und Andreas Werliin bilden ein Powertrio,
       das Erfahrungen aus Minimal Music, Jazz und Avantgarde-Pop zusammenführt.
       Am Freitag wird „Ghosted II“ beim US-Label Drag City veröffentlicht, eine
       Session, die die drei im Stockholmer Rymden Studio aufgenommen haben.
       
       Ihre Musik erzeugt ohne große Gesten maximale Wirkung, sie klingt geradezu
       physiologisch-hypnotisierend. Stilistisch bewegen sich die drei Musiker
       zwischen psychedelischem Jam, Jazz und Ambient.
       
       Der Schwede Berthling am Bass und sein Kollege Werliin am Schlagzeug
       zerteilen als Rhythmussektion die Beats in kleine und kleinste Einheiten.
       [1][Dabei entsteht eine Polyrhythmik, die einen trancehaften Sog erzeugt].
       Ambarchi verkoppelt dazu seine Gitarre in elektronischen Loops und
       Feedbacks, die den Kompositionen eine flimmernde Weite und experimentelle
       Note verleihen.
       
       ## Dichter werdende Wiederholungscluster
       
       Hin und wieder schälen sich sogar simple Melodien aus dem Mahlstrom. Wie
       leichte Gedanken schweben sie über den minimalistischen Melodielinien des
       Bassisten dahin. In immer dichter werdenden Wiederholungsclustern kreieren
       die drei Instrumentalisten eine Spannungsdynamik, deren Nicht-Auflösung
       gerade so reizvoll ist.
       
       Der in Berlin lebende australische Gitarrist und Multiinstrumentalist Oren
       Ambarchi ist seit drei Jahrzehnten einer der umtriebigsten
       Experimentalisten in den Randbereichen zwischen Improvisierter Musik,
       Freejazz und Noise. Bekannt für seine immense Produktivität, lebt der
       55-Jährige seinen konstanten Output auch [2][im Labelprogramm seiner
       eigenen Plattenfirma Black Truffle] aus. Ebenso beeindruckend ist die Liste
       der Kolleg:Innen, mit denen er bereits zusammengearbeitet hat.
       
       Ambarchis Ansatz und seine Kompositionen sind stark geprägt von der Minimal
       Music und elektronischen Avantgarde des 20. Jahrhunderts: Es sind
       überlegte, minimale Arrangements, sie bestechen durch scheinbare
       Einfachheit und nutzen die Komponente der Zeit als eigene kompositorische
       Kategorie.
       
       ## Physikalität und Sättigung von Noise und Rock
       
       Seine klanglichen Synthesen selbst transportieren die Physikalität und
       Sättigung von Noise und Rock. So verwundert es nicht, dass Ambarchi mit der
       E-Musik-Komponistin Annea Lockwood auftrat, aber auch den Noisemusikern
       Keiji Haino, [3][John Zorn] und [4][dem US-Duo Sunn O)))].
       
       Der schwedische Schlagzeuger Andreas Werliin wurde bekannt durch das mit
       seiner Frau gegründete Popduo Wildbirds & Peacedrums. Er spielt auch in der
       Bigband Fire! Orchestra, die er mit dem Jazzbassisten und Pianisten Johan
       Berthling gründete. Außerdem ist er Teil des schwedischen Erfolgsprojekts
       Tonbruket, dem Kollaborationsprojekt des Kontrabassisten Dan Berglund.
       Johan Berthling ist als Jazz- und Improvisationsmusiker in einer ganzen
       Reihe von Ensembles aktiv, darunter mit Mats Gustafsson, Jonas Kullhammar
       und Christer Bothén.
       
       Berthling und Werliin – beide also bestens vernetzt und super aktiv in der
       schwedischen Jazzszene – hinterlassen durchaus Spuren einer europäisch
       geprägten Spielart auf „Ghosted II“. Die Produktion ist räumlich. Der
       Anschlag ihrer Instrumente ist organisch, fließend und rau, wodurch es sich
       zuweilen anhört, als würden die Instrumente atmen und wie aus sich selbst
       heraus klingen. Der „sprechende“ oder „plappernde“ Ansatz von US-Jazzstilen
       steht ganz im Gegensatz dazu.
       
       In der Repetition – sowohl in der Avantgarde als auch in der populären
       Jamsession – geht es um die kleinste Verschiebung, die Ränder des
       Geräuschs. Die Spannung in der Musik ergibt sich aus den geringsten,
       zugleich hochauflösenden Variationen zwischen Wiederholungen: Keine
       Wiederholung ist je dieselbe, sondern sie weist immer minimale Schwankungen
       auf.
       
       Diese mikroskopischen Veränderungen und fast unmerklich langsamen
       Steigerungen erzeugen fortwährende und durchaus angenehme Reibung. Man hört
       daraus eine perfekte Sinfonie von Naturgeräuschen, die in der natürlichen
       Welt utopisch ist.
       
       23 Apr 2024
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /CTM-Festival-in-Berlin/!5987252
 (DIR) [2] https://blacktruffle.bandcamp.com/
 (DIR) [3] /Juedischer-US-Jazz/!5984017
 (DIR) [4] /Neues-Album-von-Sunn-o/!5830762
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Luise Wolf
       
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