# taz.de -- Bedrohte Pressefreiheit in Italien: „Domani“ ist auch noch da
       
       > Nicht nur der aus dem Staatsfernsehen ausgeladene Schriftsteller Antonio
       > Scurati besorgt die Italiener. Auch die Tageszeitung „Domani“ ist
       > bedroht.
       
 (IMG) Bild: Antonio Scurati spricht auf einer Demonstration zum Tag der Befreiung in Mailand, am 25. April 2024
       
       Ist in Italien die Pressefreiheit bedroht? Zwei Fälle sorgen gegenwärtig
       für Unruhe unter den Journalist*innen des Landes.
       
       Am letzten Samstag fand sich der bekannte Autor [1][Antonio Scurati] – aus
       seiner Feder stammt die zum internationalen Erfolg gewordene [2][Trilogie M
       über Benito Mussolini] – plötzlich aus einem Polit-Talk des
       Staatsfernsehens Rai ausgeladen, in dem er einen kurzen Monolog zum 25.
       April, in Italien der Tag der Befreiung von Nazis und Faschisten, halten
       sollte.
       
       Zugleich laufen Ermittlungen gegen drei Journalisten der [3][Tageszeitung
       Domani,] weil sie sich auf unlautere Art Informationen über [4][Guido
       Crosetto], Verteidigungsminister in der Rechtsregierung unter Giorgia
       Meloni, beschafft haben sollen.
       
       Scurati hatte schon einen Vertrag für seinen Auftritt. Doch dann hieß es
       aus dem Sender, sein Beitrag sei „aus verlegerischen Gründen“ gecancelt.
       Zugleich aber behauptete der für Informationsprogramme Verantwortliche der
       Rai, es habe bloß Unstimmigkeiten übers Honorar gegeben.
       
       ## Kontrolle immer erdrückender
       
       Das mag keiner so recht glauben. Scurati jedenfalls veröffentlichte den
       Text, den er hatte lesen wollen – und in dessen Zentrum stand die für die
       postfaschistische Regierungschefin Meloni hochnotpeinliche Frage, wie sie
       es denn mit dem Antifaschismus hält.
       
       Vorneweg die Gewerkschaft der Rai-Journalist*innen, Usigrai, wollte die Mär
       vom Zwist ums Honorar nicht schlucken. Sie veröffentlichte einen
       Brandbrief, in dem es heißt: „Die Kontrolle der Rai-Spitze über die
       Information im öffentlichen Sender wird immer erdrückender“. So erdrückend
       jedenfalls, dass die Usigrai für den 6. Mai zu einem eintägigen Streik in
       allen Nachrichtensendungen des Staats-TV aufruft.
       
       Mindestens genauso große Sorgen machen sich viele Medienschaffende Italiens
       auch über die Ermittlungen gegen die Tageszeitung Domani. Die hatte Details
       über die Geschäfte des Verteidigungsministers Crosetto veröffentlicht.
       Bevor er im Oktober 2022 in die Regierung Meloni eintrat, hatte er acht
       Jahre lang als Präsident des Verbands der Luftfahrt- und Rüstungsindustrie
       gewirkt und bekam zugleich einen hochdotierten Beratervertrag von Leonardo,
       Italiens größtem Rüstungsunternehmen.
       
       Crosetto war seinerseits hocherzürnt, als er Details über seine Honorierung
       in Domani lesen musste, und erstattete Anzeige. Vor wenigen Wochen kamen
       die Ermittler*innen dem Mann auf die Spur, der die heiklen
       Informationen an Domani weitergereicht hatte: ein Offizier der
       Finanzpolizei, der in der nationalen Antimafia-Staatsanwaltschaft das Büro
       zur Aufklärung dubioser Geldflüsse leitete.
       
       ## Neun Jahre Haft – theoretisch
       
       Aus der Tatsache, dass die Domani-Journalisten sich dieser Quelle bedient
       hatten, soll ihnen nun ein Strick gedreht werden. Ihnen wirft jetzt die
       Staatsanwaltschaft Perugia vor, sie seien gleichsam als Mittäter des
       Beamten der Finanzpolizei beim illegalen Zugriff auf staatliche Datenbanken
       und beim Geheimnisverrat tätig gewesen. Theoretisch könnten ihnen, wenn die
       Anklage Bestand haben sollte, bis zu neun Jahre Haft drohen.
       
       „All dies ist eines Landes nicht würdig, das auf die Gewaltenteilung und
       vor allem auf die Pressefreiheit hält“, entgegnet der Domani-Chefredakteur
       Emiliano Fittipaldi: „Wir glauben, einfach unsere Arbeit getan zu haben. Es
       gehört zum ABC des Journalismus, Nachrichten zu suchen“.
       
       Noch ist es ein weiter Weg bis zu einer Anklage, doch schon die Tatsache,
       dass die Ermittlungen laufen, „erschüttert die Glaubwürdigkeit der
       Journalisten“, wie Stefano Vergine erklärte, einer der drei Beschuldigten,
       denn „man versucht, unsere ganze bisherige Arbeit zu delegitimieren“.
       
       Noch allerdings sind auch in Italien die Pressefreiheit und der
       Quellenschutz hohe Rechtsgüter. Das ist auch einigen Abgeordneten aus dem
       Regierungslager aufgefallen. Sie wollen nachbessern, mit einem
       Gesetzesvorschlag, der Journalist*innen bis zu acht Jahre Haft androht,
       wenn sie Informationen publizieren, die „auf kriminellem Weg erlangt“
       wurden.
       
       26 Apr 2024
       
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