# taz.de -- „Reporter ohne Grenzen“: Irritierender Aufstieg Deutschlands
       
       > Auf der Rangliste der Pressefreiheit 2024 landet Norwegen zum achten Mal
       > in Folge auf Platz 1. Deutschland wird besser – nicht nur aus eigener
       > Kraft.
       
 (IMG) Bild: Berlin 2020: Die Ausrüstung eines Kamerateams nach einem Übergriff. Fünf der sieben Medienschaffenden wurden verletzt
       
       BERLIN taz/epd/dpa | Die Situation der [1][Pressefreiheit] hat sich
       weltweit verschlechtert. Zu diesem Schluss kommt die Organisation „Reporter
       ohne Grenzen“ (ROG) [2][in ihrem jährlichen Ranking]. 36 Länder fallen laut
       der am Freitag veröffentlichten Rangliste der Pressefreheit in diesem Jahr
       in die schlechteste Kategorie – so viele wie seit zehn Jahren nicht.
       Deutschland verbesserte sich in dem Ranking von Platz 21 auf Platz 10. Aber
       nicht nur aus eigener Kraft.
       
       Für die Rangliste vergleicht ROG rund 180 Länder und bewertet dabei den
       politischen Kontext für Medienschaffende, ihre Sicherheit, den rechtlichen
       Rahmen und das wirschaftliche und soziokulturelle Umfeld – seit 20 Jahren.
       Die Rangliste 2024 ergibt sich aus Daten von 2023.
       
       Insbesondere verzeichnete „Reporter ohne Grenzen“ mehr Übergriffe im Umfeld
       von Wahlen. Dabei komme es zu Beschimpfungen und Gewalt gegen
       Medienschaffende sowie zu Festnahmen. Die Geschäftsführerin der
       Organisation, Anja Osterhaus, sprach von einer „erschreckenden
       Entwicklung“. „Autokraten, Interessengruppen und Feindinnen der Demokratie
       wollen mit allen Mitteln unabhängige Berichterstattung verhindern.“ Und das
       ausgerechnet im Superwahljahr 2024; mehr als die Hälfte der Bevölkerung
       werde dieses Jahr an die Urnen gebeten, etwa in Indien, den USA sowie
       Thüringen, Sachsen und Brandenburg. ROG stellt fest: „Besonders vor und
       nach Abstimmungen sind Journalistinnen und Journalisten gefährdet.“
       
       Neues Schlusslicht der Rangliste, die zum Internationalen Tag der
       Pressefreiheit (3. Mai) veröffentlicht wurde, ist Eritrea auf Platz 180
       (Vorjahr: 174). Das Land sei eine „Informationswüste“, sämtliche
       existierenden Medien stünden unter direkter Kontrolle des
       Informationsministeriums. Die Diktatur von Präsident Isayas Afewerki
       unterbinde den freien Fluss von Nachrichten mit großer Härte. Manche
       Journalisten säßen schon seit über 20 Jahren ohne Anklage in Haft.
       
       Den vorletzten Platz belegt Syrien (Vorjahr 175), wo sich die ohnehin
       katastrophale Lage weiter verschlechtert habe. ROG spricht von Entführungen
       durch Dschihadisten und von Assads Foltergefängnissen. Manche
       Medienschaffende würden teils seit Jahren als „verschwunden“ gelten.
       
       Um 26 Plätze auf Rang 178 fiel Afghanistan. Die ROG zählt dort drei
       getötete Journalisten. Mindestens 25 Medienschaffende hätten
       zwischenzeitlich im Gefängnis gesessen. Die Organisation betont die Gefahr
       für Reporter*innen, von Sicherheitskräften inhaftiert zu werden. Erst
       Ende April wurden drei Radiojournalisten gefangengenommen, weil sie
       Zuhörerinnen in ihre Sendungen schalteten, ein Affront für die Taliban.
       
       ## So hat sich Deutschland verbessert
       
       Für Deutschland geht es 2024 steil nach oben auf der Rangliste. Dieses Jahr
       kommt das Land auf Platz 10 – im letzten war es noch auf Platz 21. Ein
       Grund für Euphorie ist das dennoch nicht. Laut ROG hat sich Deutschland
       „nur geringfügig verbessert“. Zudem habe sich Deutschland in Bereichen wie
       den rechtlichen Bedingungen, unter denen Journalist*innen arbeiten,
       nicht verbessert, sondern lediglich in der Kategorie Sicherheit.
       
       Die Zahl gemeldeter physischer Übergriffe auf Medienschaffende ist 2023
       stark zurückgegangen im Vergleich zum Vorjahr und liegt jetzt bei 41. Im
       Vorjahr waren es noch 103 gewesen. ROG führt dies darauf zurück, dass auch
       die Zahl rechter Demonstrationen gesunken ist. Dort hatten einige der
       Angriffe aus dem Vorjahresranking stattgefunden. Von den 41 Angriffen, die
       nun gezählt wurden, erfolgten 18 bei Kundgebungen von
       Verschwörungsideolog*innen oder extremen Rechten. Auch wenn die Zahl
       im Vergleich zum Vorjahr stark gesunken ist, liegt sie noch immer über der
       Zahl von Vor-Corona-Jahr 2019 (13 Angriffe gezählt).
       
       ROG listet auch auf, welche Art von Angriffen es waren. 15 von ihnen
       erfolgten durch Schläge, 6 durch „brutales Zerren an Personen oder
       Ausrüstung“. Auch auf der Liste, mit einem einzigen Fall: „mit Fäkalien
       beschmiert“. Ein eindringlicher Fall, der sich nicht etwa in der rechten,
       sondern in der Ballett-Szene abgespielt hat, als [3][Tanz-Choreograf Marco
       Goecke] der FAZ-Kritikerin Wiebke Hüster Hundekot ins Gesicht schmierte.
       
       Doch die Gesamtpunktzahl Deutschlands ist nur ein wenig gestiegen. Die
       extreme Verbesserung auf der Liste ist laut ROG auch darauf zurückzuführen,
       dass andere Länder sich verschlechtert hätten.
       
       Insgesamt hätten pressefeindliche Tendenzen in Deutschland zugenommen,
       erklärt die Organisation. Besonders im Internet würden Journalisten immer
       wieder diffamiert. Seit Beginn des Krieges zwischen der Hamas und Israel
       seien zudem vermehrt Übergriffe auf Medienschaffende auf
       Pro-Palästina-Demonstrationen zu beobachten.
       
       Gerade vor den Wahlen in Brandenburg, Sachsen und Thüringen ist die Angst
       vor psychischer und physischer Gewalt gegen Journalist*innen bei
       einigen Organisationen hoch. [4][So bietet etwa die Deutsche
       Journalistinnen- und Journalistenunion (dju) spezielle Sicherheitstrainings
       in diesen Bundesländern an]. Dabei soll nicht nur die Sicherheit auf
       Demonstrationen thematisiert werden, sondern auch digitale
       Selbstverteidigung. Die dju richtet sich dabei explizit auch an freie
       Journalist*innen.
       
       ## Und die anderen so?
       
       Wie Deutschland hat auch Belgien sich im Vergleich stark verbessert und
       springt von Platz 31 auf Platz 16. Stark verloren hat dafür die Slowakei,
       die – ebenso wie Namibia und Australien – ganze 12 Plätze abgerutscht ist.
       In Argentinien sieht es noch schlechter aus, und auch die USA haben
       eingebüßt (Platz 55, vorher 45).
       
       Inmitten des Krieges verbesserte sich die Ukraine um 18 Positionen und ist
       jetzt auf Platz 61 – mehr als 100 Positionen vor Angreifer Russland, das
       auf Platz 162 kommt. Und selbst das ist für Russland eine Verbesserung um
       zwei Positionen.
       
       Zum achten Mal in Folge liegt Norwegen auf Platz 1. Das liegt unter anderem
       an der großen Unabhängigkeit der Medien von der Politik und am gesetzlichen
       Schutz der Informationsfreiheit. Ähnlich gut seien die Voraussetzungen für
       journalistische Berichterstattung in den Nachbarländern Dänemark (2) und
       Schweden (3).
       
       3 May 2024
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Schwerpunkt-Pressefreiheit/!t5007487
 (DIR) [2] https://www.reporter-ohne-grenzen.de/fileadmin/Redaktion/Downloads/Ranglisten/Rangliste_2024/RSF_Rangliste_der_Pressefreiheit_2024.pdf
 (DIR) [3] /Nach-Hundekot-Angriff-an-der-Staatsoper/!5912544
 (DIR) [4] https://dju.verdi.de/ueber-uns/nachrichten/++co++70b46420-d62b-11ee-826d-533b652b2508
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Johannes Drosdowski
       
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