# taz.de -- Repression in der Türkei: Erdoğan schasst Bürgermeister
       
       > Ein Zwangsverwalter ersetzt Hakkaris prokurdischen Bürgermeister Mehmet
       > Sıddık Akış – wegen angeblicher Zusammenarbeit mit der PKK.
       
 (IMG) Bild: Ersetzt kurdischen Bürgermeister durch Zwangsverwalter: Der türkische Präsident Erdogan
       
       In der überwiegend kurdisch besiedelten Stadt Hakkari ist am Montag der
       prokurdische Bürgermeister Mehmet Sıddık Akış (DEM) festgenommen und seines
       Amtes enthoben worden. Das Innenministerium verfügte, dass der Gouverneur
       der Region, Ali Çelik, als Zwangsverwalter eingesetzt wird.
       
       Damit ist Akış [1][der erste der am 31. März gewählten Bürgermeister], der
       von der Regierung Erdoğan durch einen Zwangsverwalter ersetzt wird. Schon
       nach den letzten Kommunalwahlen im Jahr 2019 waren reihenweise gewählte
       BürgermeisterInnen der prokurdischen HDP – die heute unter dem Namen DEM
       agiert – abgesetzt und festgenommen worden.
       
       Dieser Prozess geht jetzt offenbar weiter. Als unmittelbar nach den
       vergangenen Wahlen dem ebenfalls prokurdischen Bürgermeister der Stadt Van
       die Amtseinführung verwehrt werden sollte, hatten noch heftige Proteste
       dazu geführt, dass die Regierung zurückruderte. Das ist jetzt offenbar
       nicht mehr der Fall.
       
       ## Mehrheit wählte prokurdische DEM
       
       Zwar beklagte die DEM die Absetzung ihres Mitglieds als rechtswidrig und
       undemokratisch, der große gesellschaftliche Aufschrei blieb jedoch aus. Wie
       immer in diesen Fällen wird auch Mehmet Sıddık Akış eine [2][Zusammenarbeit
       mit der verbotenen „Terrororganisation“ PKK vorgeworfen]. Belege dafür
       legte das Innenministerium nicht vor.
       
       Mehmet Sıddık Akış wurde mit über 60 Prozent der abgegebenen Stimmen in
       Hakkari gewählt. Die Stadt liegt im Südosten des Landes im Länderdreieck
       Türkei- Iran-Irak, ist seit Jahrzehnten eine Hochburg der kurdischen
       Nationalisten und wurde immer wieder durch Kämpfe der Armee gegen die PKK
       in Mitleidenschaft gezogen.
       
       Vor den Kommunalwahlen war innerhalb der DEM kurz darüber diskutiert
       worden, ob es überhaupt Sinn ergebe, sich an diesen zu beteiligen, weil
       schon befürchtet wurde, dass DEM-BürgermeisterInnen erneut durch
       Zwangsverwalter ersetzt werden könnten.
       
       ## Historische Niederlage für Erdoğans AKP
       
       Die Mehrheit innerhalb der DEM entschied sich dann aber doch für eine
       Teilnahme an den Wahlen und beschloss, ihre Kräfte vor allem auf die
       kurdisch bewohnten Gebiete zu konzentrieren. Tatsächlich konnte sie bei den
       Wahlen zeigen, dass sie in allen Städten und Gemeinden, in denen zuvor
       kurdische BürgermeisterInnen abgesetzt worden waren, immer noch die
       Mehrheit repräsentiert.
       
       [3][Erdoğans AKP greift nun dennoch wieder zu dem Mittel, mit dem sie
       bereits einmal gescheitert ist.] Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende
       der DEM, Gülüstan Kılıç Koçyiğit prangerte die Absetzung ihres
       Parteikollegen als „Angriff auf die Wahlfreiheit und Putsch gegen das
       Wahlrecht an“.
       
       Die AKP hatte bei den landesweiten Kommunalwahlen am 31. März eine
       historische Niederlage erlitten. In den kurdisch bewohnten Gebieten gewann
       überwiegend die DEM, im Rest des Landes gelang es der oppositionellen CHP,
       außer im erzkonservative Konya, alle Großstädte des Landes zu gewinnen.
       
       3 Jun 2024
       
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jürgen Gottschlich
       
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