# taz.de -- Wahl-Debüt von BSW: Vielleicht tut Sahra der Politik gut
       
       > Meinung oder Maulkorb? Ist doch klar, ich bin ja kein Kampfhund. Endlich
       > bietet eine Partei mal leichte Entscheidungen an.
       
 (IMG) Bild: Sahra Wagenknecht von der Partei Bündnis Sahra Wagenknecht beim Wahlkampfabschluss in Berlin
       
       Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber mein Leben ist sehr anstrengend.
       Jeden Tag muss ich viele Entscheidungen treffen, und Deutschland lässt mich
       dabei im Stich. Es beginnt schon nach dem Aufstehen: Den Kaffee schwarz
       oder mit Milch? Die Milch von der Kuh oder vom Hafer? Selbst am Wochenende
       kann ich mich nicht entspannen: Nutella mit oder ohne Butter?
       
       Wie gut, dass es jetzt eine Partei gibt, die mir Fragen stellt, die ich
       leicht beantworten kann: Meinung oder Maulkorb? Ist doch klar, ich bin ja
       kein Kampfhund. Krieg oder Frieden? Ich möchte auch nicht, dass Menschen
       sterben.
       
       Das Bündnis Sahra Wagenknecht hat an diesem Wochenende seine erste Wahl vor
       sich, und wenn die Umfragen annähernd stimmen, werden viele Menschen,
       nachdem sie schon am Frühstückstisch von der Weltlage überfordert waren, im
       Wahllokal endlich mal eine einfache Entscheidung treffen. Das BSW liegt bei
       6 bis 7 Prozent, so viel wie FDP und Linke zusammen.
       
       Das Gespenstische an grundlegenden Veränderungen ist ja, dass man sie erst
       nicht bemerkt. Und ich glaube, das Bündnis Sahra Wagenknecht könnte für die
       deutsche Politik so eine Veränderung sein. Wenn das stimmt, wäre dieses
       Wochenende der Moment, an dem sie bemerkbar wird. Die deutsche
       Parteienlandschaft könnte sich innerhalb weniger Wochen verändern, mit
       einem großen Knall in zwölf Wochen bei den Landtagswahlen.
       
       ## Vielleicht tut Wagenknecht der Politik gut
       
       Mit dem Bündnis Sahra Wagenknecht vollzieht sich in Deutschland, was in
       anderen Ländern längst etabliert ist: eine linkskonservative, populistische
       Partei, ausgerichtet auf eine charismatische Anführerin. Jedes Land bekommt
       irgendwann die Parteien, die es verdient. Und auch wenn die Warnungen vor
       dem BSW mit seinen Scheinlösungen für den Ukrainekrieg berechtigt sind –
       vielleicht tut das Bündnis der Politik gut. Es sind ja nicht nur
       PopulistInnen mit der Bundesregierung unzufrieden. Und dass die Linke nicht
       als Alternative zur Ampel wahrgenommen wird, ist auch nicht allein die
       Schuld von Sahra Wagenknecht.
       
       Selbst wenn man die Ukrainepolitik der Bundesregierung unterstützt, kann
       man fragen, ob es klug ist, wenn die SPD ihren Olaf Scholz als
       Friedenskanzler verkauft, um in der Woche vor der Wahl der Ukraine zu
       erlauben, deutsche Waffen für Ziele in Russland zu verwenden. Wenn die neue
       politische Konkurrenz also dazu führen würde, dass der Kanzler seine
       Ukrainepolitik ehrlicher erklären würde, und sich auch die Grünen wieder
       mehr Profil zutrauten, wäre schon etwas gewonnen. Und dann ist da noch die
       leise Hoffnung, dass das BSW eine Alternative zur AfD sein könnte,
       konservativ, aber auf dem Boden des Grundgesetzes. Ob das zutrifft, wissen
       wir wohl erst im Herbst.
       
       Die Europawahlen werden aber aller Voraussicht nach auch den schleichenden
       Tod der Linken offenbaren. Parteien sterben langsam und die Linke wird bis
       zur nächsten Bundestagswahl überleben. Aber falls das Bündnis Sahra
       Wagenknecht sowohl bei der Europawahl als auch bei den Landtagswahlen vor
       der Partei landen sollte, aus der sie hervorging, ist kaum vorstellbar,
       dass sich die Linke davon erholt.
       
       Und das wäre, bei allen Fehlern, für die die Partei selbst verantwortlich
       ist, doch traurig. Ein einmaliges Projekt ginge zu Ende, die
       Wiedervereinigung der deutschen Linken. Ohne die Partei, die zu ihren
       besten Zeiten bei der Bundestagswahl 2009 knapp 12 Prozent bekam, hätten
       sich SPD und Union vielleicht nie zu einem Mindestlohn durchgerungen. Wir
       werden die Linke noch vermissen: Wenn die nächste Asylrechtsverschärfung
       beschlossen wird und es keine Partei mehr gibt, die laut dagegen ist.
       
       Ich wünsche Ihnen trotzdem ein schönes Sonntagsfrühstück! Und die Antwort
       lautet natürlich: Nutella ohne Butter.
       
       7 Jun 2024
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Kersten Augustin
       
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