# taz.de -- ARD-Doku über Gerhard Schröder: Mit Schröder auf dem Golfplatz
       
       > Gerhard Schröder ist mal wieder die Lachnummer der Nation. Aber ist es
       > fair, alles, was in der Russlandpolitik misslungen ist, auf ihn zu
       > schieben?
       
 (IMG) Bild: Außer Dienst? Gerhard Schröder feiert am Sonntag seinen runden Geburtstag
       
       Es ist schwer, älter zu werden. Dafür, dass die Knie weh tun, muss man ja
       nicht erst 80 werden. Noch schwieriger ist es, in Würde zu altern. Also
       weder berufsjugendlich noch jetzt-ist-alles-egal.
       
       Gerhard Schröder feiert am Sonntag seinen runden Geburtstag. Und man kann
       den Mann beglückwünschen, so offensichtlich privat glücklich,
       selbstzufrieden und äußerlich gesund in dieses hohe Alter gekommen zu sein.
       
       Aus Anlass dieses Geburtstags ist eine [1][Dokumentation erschienen,] an
       der sich Deutschland gerade abarbeitet. Schröder sagt darin schrödermäßige
       Sätze, nennt [2][Kevin Kühnert] einen „Wicht“, weil der ihn aus der
       Ahnengalerie der SPD entfernt habe. Vermisst Professionalität in Annalena
       Baerbocks Außenamt. Wünscht sich mehr Realpolitik und weniger Moral.
       Spricht über angeblich freie [3][Wahlen in Russland.] So weit, so wenig
       überraschend.
       
       Es ist richtig, sich immer wieder mit den Verfehlungen der deutschen
       Russlandpolitik auseinanderzusetzen, mit Schröders Rolle als
       Kreml-Lobbyist. Aber braucht es dafür eine Homestory vom Golfplatz?
       
       Die Beschäftigung mit dem Ex-Kanzler, nicht nur in der TV-Doku, sondern
       auch in Dutzenden Artikeln über sie, hat einen Beigeschmack. Ganz so, als
       käme Schröder den Deutschen wie gerufen, als Buhmann für das eigene
       schlechte Gewissen.
       
       ## Immer die gleichen Fragen
       
       Es war ja nicht so, dass Schröder die Deutschen verführen musste, billiges
       russisches Gas zu kaufen. Es war der Wunsch der deutschen Industrie, und es
       war auch eine besonders deutsche Form der Vergangenheitsbewältigung. Mit
       dem, was die eigenen Väter an der Ostfront getan hatten, wollte man sich
       nicht auseinandersetzen, aber Versöhnung mit Russland, und dabei
       gleichzeitig gute Geschäfte machen, das war eine feine Sache.
       
       Gerade ist ein Buch über die deutsch-israelischen Beziehungen erschienen,
       „Absolution?“, von Daniel Marwecki. Er zeichnet nach, dass die Beziehungen
       zwischen den beiden Ländern nicht das „Wunder der Vergebung“ sind, als die
       sie deutsche Politiker in Gedenkstunden gern überhöhen, sondern beiderseits
       das Ergebnis harter Interessenpolitik: Israel benötigte nach der
       Staatsgründung Waffen und Geld, Deutschland brauchte Israel, um als
       postfaschistischer Staat anerkannt zu werden.
       
       Beim Lesen dachte ich, es würde sich lohnen, auch die deutsch-russischen
       Beziehungen mit nüchtern-analytischer Brille zu betrachten, statt einem der
       Selbstkritik unfähigen Ex-Kanzler die immer gleichen Fragen zu stellen.
       
       ## Auch Merkels Russlandpolitik war verfehlt
       
       Es ist jedenfalls einfach, sich über Schröder zu empören und Angela Merkels
       Beitrag zur verfehlten Russland- und Energiepolitik zu vergessen. Aber wie
       so vieles, gelingt Frauen auch das Altwerden in Würde besser. Gerade sitzt
       Merkel an ihren Memoiren, für einen zweistelligen Millionenvorschuss, wie
       kolportiert wird. Auch sie will ihren widersprüchlichen Nachlass
       verteidigen und hat bisher kaum Selbstkritik erkennen lassen. Sie stellt
       sich nur etwas geschickter an als ihr Amtsvorgänger.
       
       Die übermäßige Beschäftigung mit Gerhard Schröder sagt mehr aus über die
       Deutschen als über ihren Ex-Kanzler. Da wird in der Süddeutschen gejammert,
       es gebe keine Elder Statesmen mehr, und dann Wolfgang Schäuble
       herangezogen, nur weil der gern altersweise Interviews über die Demokratie
       an und für sich gab, nachdem er die Europäische Union an den Rand des
       Abgrunds geführt hatte.
       
       Schröder dagegen: Man erwischt sich dabei, ihn sympathisch zu finden, wie
       er feixend wie ein Schuljunge durchs Land läuft, sich selbst für keine
       Provokation zu schade. Neben dem Golfplatz gibt es auch noch Besuche bei
       chinesischen Unternehmen, die Schröder als Grüßaugust eingeflogen haben.
       Etwa eine Firma, bei der Schröder in einen essbaren Teller beißt. Wie gut,
       dass ein deutsches Fernsehteam mitflog, um diesen Moment festzuhalten.
       
       7 Apr 2024
       
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