# taz.de -- Europa nach der Wahl: Raus aus der Schockstarre!
       
       > Die EU-Wahl sollte ein Weckruf an alle Europäer:innen sein: Jetzt
       > gilt es, progressive Kräfte zu einen. Denn das Projekt Europa ist nicht
       > gescheitert.
       
 (IMG) Bild: Quo Vadis Europa? Die Mehrheiten wurden kräftig durchmischt, Europa steht vor einer Schicksalsfrage
       
       Wo ist der Fehler? Das ist die Frage, die sich politische
       Entscheider:innen und Aktivist:innen gegen rechts nach der
       Europawahl stellen. In den Wochen vor dem Urnengang gab es zahlreiche
       Warnungen, Demos und Aktionen, um auf den dräuenden Rechtsruck innerhalb
       der EU aufmerksam zu machen. Das Wahlergebnis in Zahlen überrascht leider
       nicht, ist aber dennoch niederschmetternd. Fakt ist: Die politischen
       Mehrheiten im Europäischen Parlament werden sich neu mischen.
       
       Ursula von der Leyen, die eine zweite Amtszeit als
       EU-Kommissionspräsidentin anstrebt, wirbt mit einer „Bastion“ gegen die
       Rechtsextremisten. Ihre zarte, aber offene Annäherung an Kooperationen mit
       [1][Italiens stärkster Kraft], den postfaschistischen Fratelli d’Italia,
       lässt jedoch an ihrer Glaubwürdigkeit zweifeln.
       
       Hinzu kommt eine Vielfalt an Krisen, die eine Lähmung des Parlaments zum
       jetzigen Zeitpunkt nicht erlauben. Es herrscht Krieg in Europa, der
       Konflikt im Nahen Osten spaltet die EU-Staaten. Inflation, Klimakrise,
       gemeinsame Strategien gegen Pandemien beschäftigen die 27 Mitgliedstaaten.
       Der Rückzug auf nationales politisches Kalkül, auf den Machterhalt im
       eigenen Land, hat die Idee der gemeinsamen Anstrengung in der europäischen
       Familie in den Hintergrund rücken lassen.
       
       Jetzt heißt es: Raus aus der Schockstarre! Dass das nicht einfach wird –
       geschenkt. Womöglich nutzen die faschistischen Kräfte der
       Le-Pen-Anhänger:innen in Frankreich und der Unterstützer:innen Melonis
       in Italien ihre nun gewonnene Chance, [2][um ihre Macht gemeinsam
       auszubauen]. In Deutschland wird die AfD das Machtvakuum füllen wollen. Die
       Gelegenheit ist schließlich da. Haben doch demokratische Parteien wie
       Sozialdemokraten, Liberale und Grüne mit ihrem oft anbiedernden Kurs an
       eine konservative Klima- und Migrationspolitik die besten Voraussetzungen
       dafür geschaffen.
       
       Aber das Projekt Europa – es ist nicht gescheitert. Ganz im Gegenteil. Denn
       es gibt sie noch, die gemäßigte Mitte, die Linke, die Aktivist:innen, die
       ihre Anliegen jetzt im politischen Apparat Brüssel einbringen und umsetzen
       wollen. Auch dafür steht das Europäische Parlament: nämlich schlicht für
       die Vielfalt in den europäischen Staaten. Was sie eint, ist ein Bekenntnis
       zum europäischen Projekt – und nicht dessen Zersetzung oder Zerstörung.
       Auch die historisch hohe Wahlbeteiligung ist ein Indiz dafür, dass die
       EU-Bürger:innen an die Kraft Europas glauben.
       
       Und dass sie nicht vergessen haben, welche Erfolgsgeschichte die
       Europäische Union ist. Aus einst verfeindeten Staaten ist ein Bündnis
       geworden. Eines, das spätestens seit der russischen Invasion über sich
       hinausgewachsen ist. Und eines, [3][das im Kern erkannt hat], dass globale
       Probleme nicht im nationalen Alleingang zu lösen sind.
       
       10 Jun 2024
       
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 (DIR) Tanja Tricarico
       
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