# taz.de -- Pro und Contra: Müssen wir die Bundeswehr feiern?
       
       > Der rot-grüne Senat in Hamburg plant zum 69. Geburtstag der Bundeswehr
       > eine Feier – zusätzlich zum Veteranentag im Juni 2025. Ist das gut so?
       
 (IMG) Bild: Es ist nicht so, dass die Streitkräfte nicht präsent wären in der Öffentlichkeit: Tag der Bundeswehr in Hamburg am 8. Juni 2024
       
       ## Ja
       
       Allerdings kann von müssen nicht die Rede sein. Zwang und Jubel wären fehl
       am Platz. Sie widersprächen der Absicht der rot-grünen Koalition in Hamburg
       und wären dem Gegenstand auch nicht angemessen. Denn worum es geht, sind
       Respekt und Wertschätzung. Es geht darum sicherzustellen, dass die
       Bundeswehr kein Fremdkörper in der Gesellschaft ist.
       
       Mit dem [1][Veteranentag] hat der Bundestag die von Bundeskanzler Olaf
       Scholz (SPD) nach dem [2][Überfall Russlands auf die Ukraine festgestellte
       Zeitenwende] auf symbolischer Ebene nachvollzogen. Er hat deutlich gemacht,
       was eigentlich schon lange im Bewusstsein der Gesellschaft angekommen sein
       müsste: dass sich auf eine schlagkräftige Bundeswehr doch nicht verzichten
       lässt und dass der Soldatenberuf einen besonderen Charakter hat.
       
       Wer „Veteranen“ hört, denkt an grausame Gefechte, an [3][verstümmelte
       Leiber, gezeichnete Menschen]. Das ist gruselig. Die ganz Alten denken an
       Bombennächte und nie heimgekehrte Väter, die Mittelalten an die
       apokalyptische Stimmung zur Zeit der Friedensbewegung. Das alles kommt nun
       mit Wucht zurück. Dem muss sich die Gesellschaft stellen und ihr Verhältnis
       zur Armee neu justieren.
       
       Der Soldat hält den Kopf hin, auch wenn er damit rechnen muss, dass es ihn
       selbigen kosten könnte. Bundeswehrsoldaten – und Soldatinnen – müssen
       bereit sein, ihr Leben aufs Spiel zu setzen, um unsere
       freiheitlich-demokratische Gesellschaft zu verteidigen. Das gilt es zu
       würdigen. Wer sagt, das lohne sich nicht, der frage sich, wozu wir so
       aufgeregt über Rassismus, Sexismus, Antidiskriminierung, Gewalt gegen
       Frauen und Kinder und Gleichstellung diskutieren. Wenn das alles nichts
       wert ist, können wir uns auch die Bundeswehr schenken.
       
       Klar: Auch ziviler Widerstand ist denkbar. Aber die Voraussetzungen hierfür
       sind noch weniger entwickelt als die Bundeswehr Stand heute.
       
       Wenn wir also wollen, dass sich jemand bereit findet, in den Streitkräften
       zu dienen, dann muss dieser jemand zwar nicht gleich bejubelt, aber eben
       auch nicht entgeistert angeguckt werden.
       
       Um etwas mehr Nähe zwischen der Bevölkerung und ihren Streitkräften zu
       stiften, ist es sicher eine gute Sache, den Geburtstag der Bundeswehr in
       Hamburg zu feiern. Etwas seltsam ist es zwar, mit dem 69. Gründungstag
       anzufangen. Aber die neue Bedrohung durch Russland mag auch hier eine
       besondere Dringlichkeit schaffen.
       
       Mit der Geburtstagsfeier will Rot-Grün ausdrücklich einer breiten
       Definition des Veteranenbegriffs Vorschub leisten: Alle, die in den
       Streitkräften dienen oder gedient haben, sollen sich angesprochen fühlen.
       Denn beim Feiern des Bundeswehrgeburtstages geht es darum, die Streitkräfte
       aus der Schmuddelecke zu holen, und auch darum, die
       [4][Verteidigungsbereitschaft zu stärken]. Das ist eine gute Idee. Gernot
       Knödler
       
       ## Nein
       
       Der Antrag von SPD und Grünen für die nächste Bürgerschaftssitzung in
       Hamburg ist unheimlich. Schade genug, dass der Bundestag Ende April auch
       mit den Stimmen der einst pazifistischen Grünen einen „Veteranentag“
       beschlossen hat, der ab dem 15. Juni 2025 jährlich alle Menschen ehren
       soll, die einmal gedient haben. In Hamburg will Rot-Grün zusätzlich ein
       „Zeichen setzen“ und schon in diesem Jahr am 12. November eine große Feier
       anlässlich des 69. Gründungstags der Bundeswehr ausrichten.
       
       Man wolle mit der Würdigung „nicht bis 2025 warten“, sagt SPD-Fraktionschef
       Dirk Kienscherf. Russlands [5][Angriffskrieg auf die Ukraine] habe
       „schmerzlich gezeigt“, dass wir eine gut aufgestellte Bundeswehr brauchen,
       ergänzt die Grüne Sina Imhof. [6][In ihrem Antrag] lobt Rot-Grün die Hilfe
       der Bundeswehr bei Katastrophen wie der Hamburger Sturmflut 1962, die tief
       im kollektiven Gedächtnis verankert sei.
       
       Die Stadt wird nun aufgefordert, das Landeskommando Hamburg der Armee bei
       seiner Feier zu unterstützen und sich daran zu beteiligen. Das
       Landeskommando begeht den Tag sonst mit einer Andacht im Michel. Die Feier
       werde in diesem Jahr „etwas größer“, so ein Sprecher.
       
       Schon der Veteranentag ist überflüssig. Warum sollen wir den
       Bundeswehrsoldaten plötzlich sagen, dass wir das, was sie tun, toll finden?
       Zivildienstleistende haben sich nicht weniger verdient gemacht. Doch dieser
       Doppelwumms beim Feiern macht hellhörig. Soll Stimmung gemacht werden für
       Wehrpflicht und Kriegsbereitschaft?
       
       Aber wir brauchen keine [7][militärischen Volksfeste], sondern kühle Köpfe,
       die darüber nachdenken, wie dieser Krieg in der Ukraine beendet werden
       kann. Wir brauchen einen offenen Diskurs, in dem auch Vorschläge wie die
       des SPD-Politikers [8][Rolf Mützenich zum Einfrieren des Krieges] gehört
       werden und in dem [9][nicht nur eine Sarah Wagenknecht] das Wort
       Verhandlungen in den Mund nimmt.
       
       Gerade bei den Grünen ist es unverständlich, wie umfassend sie sich von
       ihrer einst militarismuskritischen Haltung verabschiedet haben. Und mit dem
       Hinweis auf die Sturmflut von 1962 führt man die Menschen ein wenig in die
       Irre. Richtig, die Bundeswehr hilft bei Hochwasser. Aber um mit dem
       Schlauchboot Menschen aus Häusern zu retten, muss man nicht erst lernen,
       wie ein Gewehr funktioniert. Und an die Flut von 1962 wurde schon x-mal
       erinnert.
       
       Im kollektiven Gedächtnis der Stadt sind auch die furchtbaren
       [10][Bombenangriffe] während des [11][Hamburger Feuersturms 1943]
       verankert, denen die Bevölkerung schutzlos ausgeliefert war. Die
       Generation, die dies miterlebte und aus eigener Erfahrung „Nie wieder
       Krieg“ forderte und vor der Gefahr eines Atomkrieges warnte, stirbt aus.
       Die Notwendigkeit einer aktiven Friedenspolitik aber bleibt. Wir sollten
       nicht feiern. Wir sollten nüchtern diskutieren. Kaija Kutter
       
       13 Jun 2024
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Ganz-grosse-Koalition-fuer-Veteranentag/!6006609
 (DIR) [2] /Plaene-zu-neuer-Wehrpflicht/!6016921
 (DIR) [3] /Koalition-plant-einen-Veteranentag/!5969381
 (DIR) [4] https://www.bundeswehr.de/de/ueber-die-bundeswehr/geschichte-bundeswehr/reformen-bundeswehr
 (DIR) [5] /Szenarien-nach-dem-Ukrainekrieg/!5996013
 (DIR) [6] https://www.buergerschaft-hh.de/parldok/dokument/87647/bundeswehr_wertschaetzen_beteiligung_am_gruendungstag_2024_und_veteranentag_2025.pdf
 (DIR) [7] /Oeffentliche-Geloebnisse-der-Bundeswehr/!5641683
 (DIR) [8] /Muetzenichs-Ukraine-Aeusserungen/!5996290
 (DIR) [9] /Ukraine-Kurs-nach-SPD-Niederlage/!6013302
 (DIR) [10] /Bombenangriff-auf-Hamburg-vor-80-Jahren/!5941946
 (DIR) [11] /80-Jahre-Operation-Gomorrha/!5946144
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Gernot Knödler
 (DIR) Kaija Kutter
       
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