# taz.de -- Pilgerfahrt und Klimawandel: Offenbar 800 Tote in Mekka
       
       > In Saudi-Arabien haben hohe Temperaturen zu einer Tragödie bei der Hadsch
       > geführt. Grund ist aber auch das Zweiklassen-System unter den Pilgern.
       
 (IMG) Bild: Bringt eher wenig Abkühlung bei 50 Grad: kaltes Wasser und Sonnenschirm bei der Hadsch nahe Mekka, 18. Juni
       
       TUNIS taz | Bei der islamischen Pilgerfahrt nach Mekka sind offenbar
       mindestens 800 Menschen ums Leben gekommen. Schon die Unklarheit über die
       Opferzahlen zeigt, wie schwer sich die saudischen Behörden mit der
       Organisation der jährlich stattfindenden Pilgerfahrt tun.
       
       Bei den Toten handelt es sich um Pilger aus verschiedenen Ländern. Ein
       ägyptischer Diplomat sprach am Dienstagnachmittag von mindestens 600 toten
       Ägyptern, während Jordanien zunächst den Tod von 41 Jordaniern bestätigte,
       die bei Temperaturen von über 50 Grad an Herzversagen oder Erschöpfung
       gestorben seien. Das tunesische Onlinemagazin Business News berichtete von
       35 Tunesiern. Auch andere Länder meldeten Tote.
       
       Die Kritik an der Durchführung der mehrtägigen Veranstaltung mit mehr als 2
       Millionen Besuchern wächst. Obwohl es [1][bereits 2015 bei einer
       Massenpanik während der Hadsch über 2.000 Opfer gegeben hatte], führt in
       diesem Jahr die Kombination von steigenden Temperaturen mit hohen
       Reisekosten zumindest auf sozialen Medien zu Forderungen nach der Reform
       der Wallfahrtbedingungen. Für jedes Land vergibt Saudi-Arabien jährlich
       neue Pilgerkontingente. Die von lokalen Reisebüros im Paket verkauften
       Übernachtungen, Flüge und Visa müssen vom saudischen Hadsch-Ministerium
       genehmigt werden.
       
       Viele der Hitzeopfer waren offenbar ältere Pilger, die ohne offizielle
       Papiere eingereist waren und aus Ländern kamen, die sich in einer
       Wirtschaftskrise befinden. Nur fünf der tunesischen Toten waren mit
       Hadschvisum angereist. Insgesamt sollen mehrere Hunderttausend Gläubige
       versucht haben, ohne lizensierte Reiseagenturen an der Hadsch teilzunehmen.
       
       Die Pilgerfahrt gehört zu den religiösen Pflichten im Islam. Von den
       Ritualen ist im Westen meist nur die Umrundung der Kaaba bekannt, des
       Gebäudes in der Großen Moschee in Mekka. Das ist jedoch nur eins von vielen
       Ritualen, die zum größten Teil unter freiem Himmel stattfinden. „Die
       gemeinsamen Gebete mit Gläubigen aus der ganzen Welt auf dem Arafat, dem 60
       Meter hohen Berg der Barmherzigkeit, nutzen viele für eine Art Rückschau
       auf ihr bisheriges Leben“, sagt Mohammed Toumi aus der libyschen Hauptstadt
       Tripolis. „Dieses Gefühl, neu geboren zu werden, ist es, was gläubige
       Muslime motiviert, jahrelang für die Pilgerreise zu sparen.“
       
       ## Temperaturen über 50 Grad
       
       Die Pfade hinauf auf den Arafat wurden in diesem Jahr wie andere Orte
       ununterbrochen von Nebelspendern gekühlt. Doch am Montag herrschten rund um
       die Große Moschee dennoch 51,4 Grad. Das für die Hadsch zuständige Komitee
       des indonesischen Parlaments beklagte, dass in zahlreichen Unterkünften für
       die 240.000 Pilger aus dem bevölkerungsreichsten muslimischen Land der Welt
       die Klimaanlagen nicht funktionierten.
       
       Eigentlich sind nur diejenigen Muslime angehalten, nach Mekka zu pilgern,
       die sich die Wallfahrt leisten können. Doch schon das Bevölkerungswachstum
       in der muslimischen Welt sorgt dafür, dass die Zahl der Anträge jedes Jahr
       größer wird. Dabei ist die Reise für viele unerschwinglich geworden, sogar
       für Familien aus der immer kleiner werdenden Mittelschicht in der
       arabischen Welt.
       
       ## Kosten bis zu 15.000 Euro
       
       Tunesier zahlen für die Hadsch mittlerweile bis zu umgerechnet 15.000
       Euro. Der Wertverlust vieler regionaler Währungen hat die angesparte
       Reisekasse für die Hadsch oftmals schmelzen lassen. Obwohl es religiös und
       gesellschaftlich verpönt ist, illegal auf Pilgerfahrt zu gehen, sieht eine
       wachsende Zahl älterer Gläubiger dies daher als einzige Chance, jemals nach
       Mekka zu gelangen. Wer ohne Hadschvisum anreist, wohnt meist in überfüllten
       Sammelunterkünften.
       
       Saudische Behörden versuchen, dieser Entwicklung mit Strafgeldern etwas
       entgegenzusetzen. 300.000 Menschen wurde letzte Woche untersagt, Mekka zu
       betreten. Davon sollen 154.000 als einfache Touristen eingereist sein. An
       den Landesgrenzen wurden zudem 97.660 Fahrzeuge abgewiesen.
       
       19 Jun 2024
       
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