# taz.de -- Dokumentarfilm über Gianluca Grimalda: Ein Klimaforscher unterwegs
       
       > Gianluca Grimalda verlor seinen Job, weil er umweltfreundlich reisen
       > wollte. Davon erzählt nun der Dokumentarfilm „Der Wissenschaftler“.
       
 (IMG) Bild: Kleiner Mann gegen großes Flugzeug: das Plakat zum Film „Der Wissenschaftler“
       
       Es ist schon verrückt, wie der Preis für Klimagase festgelegt wird: An der
       Börse wurden Emissionszertifikate für 1 Tonne CO2 Anfang Juni mit rund 75
       Euro gehandelt. Die Wohlfahrtsverluste, die der Ausstoß derselben Menge für
       die aktuelle und kommende Generationen bedeutet, beziffert das
       [1][Umweltbundesamt derzeit auf 809 Euro]. Noch verrückter wird es, wenn
       jemand versucht, die Rechnung umzudrehen.
       
       Der italienische Sozial- und Klimawissenschaftler Gianluca Grimalda sparte
       im vergangenen Jahr 5 Tonnen CO2 ein, weil er eine Forschungsreise nach
       Papua Neuguinea statt mit dem Flugzeug mit Bahnen, Bussen,
       Mitfahrgelegenheiten per Lkw, Schiffen und Taxis bewältigte. Aber statt
       dafür kompensiert zu werden, zahlte er drauf – und zwar mit viel Zeit, die
       Reise dauerte 35 Tage hin und doppelt so lange zurück, mit familiärem
       Stress, dem Verlust der Freundin.
       
       Das Institut für Weltwirtschaft in Kiel, für das er den Feldversuch in
       Ozeanien durchführte, zwang ihn nach dessen Ende, sich zu entscheiden –
       entweder er fliege zurück oder könne sich als gekündigt betrachten.
       Grimalda blieb seinen Prinzipien treu, das [2][Institut machte seine
       Drohung wahr, zuletzt bestätigte ein Gericht, dass die Kündigung
       rechtmäßig] sei.
       
       Die Geschichte ging um die Welt, während Grimalda noch unterwegs war, die
       New York Times berichtete, der Guardian, der Forscher gab teils elf, zwölf
       Interviews am Tag, [3][die taz veröffentlichte Protokolle der Rückreise],
       in den sozialen Medien überschlug man sich – nicht immer pro Grimalda.
       
       ## Viel Bildmaterial von Smartphone des Forschers
       
       Jetzt gibt es das Ganze in einem Dokumentarfilm, den es sich anzuschauen
       lohnt – auch wenn man meint, alle Artikel bereits gelesen zu haben.
       Regisseur Paolo Casalis spricht von einem „Road movie über Reisen,
       Abenteuer, individuelle moralische Prinzipien und universelle Fragen“ – und
       von einem „Element des Wahnsinns“, wobei weniger Grimalda verrückt sei als
       sein Arbeitgeber und die Gesellschaft.
       
       Weite Teile von „Der Wissenschaftler“ stammen aus dem Smartphone des
       Forschers selbst. Casalis mischte Bilder dazwischen von klimaaktivistischen
       Aktionen. Social-Posts, dass nicht jeder so viel Urlaub habe wie der
       Forscher, dass er CO2 sparen würde, da man ihn unterwegs sowieso einsperren
       werde. Ein paar Grafiken, Landkarten, um die Strecke nachvollziehen zu
       können.
       
       Im Kopf aber bleiben die Bilder von Papua Neuguinea, untergegangenen
       Häusern, trügerischer Ruhe, üppiger Natur und umständlichen Fahrten von
       einem Dorf zum anderen, hoch engagierten lokalen Mitarbeitenden. Noch mehr
       aber die Bilder von unterwegs: lange Fahrten mit Nacht- und anderen Zügen,
       oft voll und laut, die Schlafmaske immer dabei, Grenzübergänge mit und ohne
       Soldaten, schwere Waffen, leichtes Geplänkel, Lkw- und Taxifahrten, Fahrten
       mit Fähren und anderen Schiffen, die am frühen Morgen leere Akropolis in
       Athen, volle Straßen in Ankara, Märkte mit lebenden und sterbenden Tieren
       in Kalkutta. Die Windschutzscheiben der Fahrzeuge haben immer mehr Sprünge,
       je weiter es ostwärts geht.
       
       „Ich fühle mich nicht mehr wichtig, nicht mehr wie ein V.I.P.“, sagt
       Grimalda in die Selfiekamera. „Wie fühlt es sich an, dass die [4][Welt Ende
       des Jahrhunderts 2,4 Grad wärmer] sein wird“, fragt er ein mitfahrendes
       Paar. Die Klimaanlage laufe schon im März statt Ende April, sagt die Frau,
       das Wetter sei nicht mehr vorhersehbar, „ich habe keine Antwort“. Mit einem
       anderen Taxigast sinniert der Forscher, ob Vorwürfe auf Social Media
       korrekt seien, dass er eben zu Hause bleiben solle, wenn es ihm ums Klima
       gehe. „Am wenigsten Emissionen hätte ich, wenn ich mich umbringe“, meint
       Grimalda. Der Mitfahrer grinst: „Aber sofort. Und ohne Krematorium.“
       
       71 Minuten dauert der Film. Die Frage „War es den Preis wert?“ muss jede:r
       selbst beantworten. Zu Ende ist die Geschichte nicht. Grimalda ist gegen
       das Gerichtsurteil zu seiner Kündigung in Berufung gegangen.
       
       Der Film ist verfügbar ab dem 14. Juni unter
       [5][https://vimeo.com/ondemand/researcher]
       
       14 Jun 2024
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.umweltbundesamt.de/daten/umwelt-wirtschaft/gesellschaftliche-kosten-von-umweltbelastungen
 (DIR) [2] /Klimaforscher-Grimalda-verliert-Prozess/!5994177
 (DIR) [3] /Klimaforscher-Grimalda-reist-ohne-Flug/!5970815
 (DIR) [4] /Szenarien-zur-Klimakrise/!5804148
 (DIR) [5] https://vimeo.com/ondemand/researcher
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Beate Willms
       
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