# taz.de -- TU-Präsidentin Geraldine Rauch: Gut, dass sie bleibt
       
       > Dass Geraldine Rauch TU-Präsidentin bleibt, ist richtig. Sie wird sich
       > nun daran messen lassen müssen, wie sie gegen Antisemitismus vorgeht.
       
 (IMG) Bild: Rauchs Rückhalt unter den Studierenden dürfte noch deutlich sein als in der Professor*innenschaft
       
       Es ist gut, dass Geraldine Rauch Präsidentin der Technischen Universität
       Berlin (TU) bleibt. Sie hat am Donnerstagabend erklärt, dass [1][sie ihr
       Amt weiter ausführen werde]. Dabei war der Druck auf sie groß: Im
       Akademischen Senat hatte sich am Mittwoch eine knappe Mehrheit für ihren
       Rücktritt ausgesprochen. Auch außerhalb der Uni hatten Amtsträger*innen
       und Politiker*innen bis hoch zur Bundesebene ihren Rücktritt
       gefordert.
       
       Die Uni ist offensichtlich gespalten in der Frage, ob Rauch weiterhin als
       Präsidentin tragbar ist. Doch deutlich geworden ist auch, dass Rauch in der
       TU einigen Rückhalt hat. So fiel das Stimmungsbild gegen sie denkbar knapp
       aus. Der Akademische Senat hatte dafür ein [2][Meinungsbild unter seinen
       Mitgliedern eingeholt]. Dabei sprachen sich 13 von 25 Mitgliedern für ihren
       Rücktritt aus, 12 dagegen. Das Gremium hätte auch einen Antrag auf Abwahl
       stellen können – doch die Mitglieder entschieden sich offensichtlich in
       nicht-öffentlicher Sitzung gegen diesen Schritt.
       
       Damit solch ein Antrag überhaupt in den weiteren Gremien bearbeitet wird,
       hätten sich [3][zwei Drittel der Mitglieder im Akademischen Senat für ihre
       Abwahl] aussprechen müssen. Diese Mehrheit gibt es also aktuell nicht. Dass
       der Akademische Senat ihr dann 24 Stunden Bedenkzeit gab und [4][die
       Entscheidung ihr überließ], ist ebenfalls ein Zeichen des Vertrauens. Auch
       Mitarbeiter*innen und Student*innen hatten mit einem Brief und
       einer Demo ihre Unterstützung für Rauch ausgedrückt, sie selbst sagte, dass
       viele sie aufgefordert hätten, zu bleiben.
       
       Der Fall ist damit auch noch nicht vom Tisch: Am Montag wird das
       [5][Kuratorium der Uni zu einer Sondersitzung] zusammenkommen, um über
       Rauchs Likes auf X zu beraten. Auch dieses Gremium könnte noch mal die –
       mehrstufige – Abwahl beantragen, die dann allerdings wieder im Akademischen
       Senat landen würde. Geraldine Rauch selbst hat ein Disziplinarverfahren
       gegen sich beantragt, um die Sache juristisch zu klären.
       
       ## Nur eins ihrer Likes eindeutig zu verurteilen
       
       Unbestritten ist auch, dass das Like für den Post mit antisemitischer
       Abbildung [6][ein schwerer Fehler ist, der einer Uni-Präsidentin nicht
       hätte passieren dürfen]. Das Bild selbst allerdings ist ziemlich
       verschwommen. Es zeigt [7][Netanjahu als Plakat bei einer Kundgebung] in
       einem mit Blut und Hakenkreuzen beschmierten Hemd. Die antisemitische
       Bildsprache, die Rauch sofort hätte ins Auge springen müssen, ist erst bei
       genauerem Blick augenfällig. Allerdings ist es das einzige der nun
       angeprangerten Likes, das eindeutig und unbestritten zu verurteilen ist.
       Die anderen Posts, die in der Kritik stehen, sind Beiträge zu einer
       Diskussion und Auseinandersetzung, die in der Öffentlichkeit und auch
       gerade an den Unis unbedingt geführt werden muss.
       
       In der Berichterstattung werden diese beiden von Rauch gelikten Beiträge
       nun oft verkürzt [8][als „antisemitischen Posts“ bezeichnet. Es lohnt sich,
       sie noch mal genauer anzusehen]. Der eine Accountinhaber sprach in seinem
       Post von einem „Völkermord in Gaza“, der andere stellte in Bezug auf
       Äußerungen von Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) die
       folgenden Fragen: „Wir sind Wertepartner mit Kriegsverbrecher? Wer ist wir?
       Und mit welchem Israel sind wir Wertepartner? Netanjahu? Gallant? Smotrich?
       Ben-Gvir? Der Zivilgesellschaft? Die Demonstranten auf der Straße in
       Tel-Aviv?“
       
       Und auch, wenn Likes auf einer Plattform nicht der beste Ort dafür sind:
       Über die Aussage dieser beiden Tweets selbst lässt sich diskutieren und
       streiten. Vielleicht passiert es auch, dass zwei
       Gesprächspartner*innen nach langer Diskussion darüber getrennter
       Meinung nach Hause gehen, vielleicht auch verärgert von den Ansichten der
       anderen Person, und vielleicht sogar verletzt, weil sie finden, dass die
       Gesprächspartnerin Betroffenheiten, Angst oder Sorge nicht genug mitbedacht
       hat. Vielleicht lässt es sich auch auseinandergehen mit dem bitteren
       Vorwurf, die Unterstützung einer dort geäußerten Ansicht sei antisemitisch.
       
       ## Fehlerkultur und Maßnahmen gegen Antisemitismus
       
       Es ist bezeichnend, dass der Druck ausgerechnet gegen [9][eine mit 41
       Jahren vergleichsweise junge Frau in dieser Position] so hoch ist.
       Uni-Leitungen sind weiterhin zu zwei Dritteln von Männern dominiert. Und
       guckt man kurz rüber in die Politik, aus der nun an die eigentlich ja
       autonom agierende Universität so klare Forderungen kommen, dann ist klar:
       So mancher [10][Freie Wähler-Politiker in Bayern] und so [11][mancher
       Verkehrsminister auf Bundesebene] haben weit verheerendere Fehler einfach
       ausgesessen.
       
       Geraldine Rauch stellt sich der Aufarbeitung. Sie hat den Fehler
       eingestanden, sie hat eine juristische Aufarbeitung in Gang gesetzt, sie
       bittet um Entschuldigung, sie sucht den Dialog mit Betroffenen und benennt
       [12][fünf konkrete Punkte, wie sie in Zukunft gegen Antisemitismus an der
       Uni vorgehen wil]. Sie wird sich daran messen lassen müssen, wie gut sie
       die angekündigten Maßnahmen gegen Antisemitismus an der TU nun umsetzt.
       Expertise hat sie mit dem [13][Zentrum für Antisemitismusforschung (ZfA)]
       im Haus. Sie hat mehrfach gezeigt, dass sie die TU auch in
       gesellschaftliche Debatten einbinden will. Ihr Wille, den Schaden, den sie
       verursacht hat, zu reparieren, ist glaubhaft.
       
       Eine Präsidentin einer Uni, die sich darum bemüht, Diskursräume offen zu
       halten, auch wenn es unbequem und gefährlich ist; die um Positionen ringt;
       der dabei auch Fehler unterlaufen; die aber wiederum im Umgang mit ihren
       Fehlern zeigt, dass sie bereit ist, zuzuhören und dazuzulernen; die fragt,
       was jüdische, israelische und palästinensische Student*innen an ihrer
       Uni brauchen, um sich dort sicher zu fühlen; die daraus auch Handlungen
       ableitet und umsetzt: So eine Präsidentin könnte eine gute TU-Präsidentin
       sein.
       
       7 Jun 2024
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /TU-Praesidentin-Geraldine-Rauch-bleibt/!6015676
 (DIR) [2] https://www.tu.berlin/nachrichtendetails/knappe-mehrheit-im-as-fuer-ruecktritt-der-tu-praesidentin-geraldine-rauch-in-ihrer-reaktion-ich-trete-nicht-zurueck
 (DIR) [3] /Debatte-um-TU-Praesidentin/!6011817
 (DIR) [4] /Debatte-um-TU-Praesidentin/!6015451
 (DIR) [5] https://www.tu.berlin/k3/gremien/kuratorium
 (DIR) [6] /Affaere-Geraldine-Rauch/!6011590
 (DIR) [7] https://www.juedische-allgemeine.de/politik/tu-praesidentin-liked-antisemitische-tweets/
 (DIR) [8] https://www.juedische-allgemeine.de/politik/tu-praesidentin-liked-antisemitische-tweets/
 (DIR) [9] /Kritik-an-TU-Praesidentin-Geraldine-Rauch/!6011705
 (DIR) [10] /Aiwangers-Entschuldigung/!5957454
 (DIR) [11] /Maut-Debakel-der-Union/!5942093
 (DIR) [12] /Debatte-um-TU-Praesidentin/!6015451
 (DIR) [13] https://www.tu.berlin/asf
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Uta Schleiermacher
       
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 (DIR) Affäre Geraldine Rauch: Als TU-Präsidentin ungeeignet
       
       Ob sie den Post zu oberflächlich gelesen hat oder die Meinung dort teilt,
       ist letztlich egal. Das eine wie das andere disqualifiziert TU-Chefin
       Rauch.