# taz.de -- Neukölln will mehr Touristen: Werben mit und gegen Klischees
       
       > Das Bezirksamt Neukölln lanciert eine Werbekampagne, um Touristen in den
       > Bezirk zu locken. Ein Motiv sorgt für Diskussionen. Viel Lärm um nichts.
       
 (IMG) Bild: Das Werbeplakat für den Bezirk Neukölln sorgt für Aufsehen; es zeigt Sterneköchin Sarah Hellmann (Ausschnitt)
       
       BERLIN taz | Am Münchner Hauptbahnhof sorgt ein Werbeplakat für
       Diskussionen, vor allem in Social-Media-Kanälen. Auf Reddit hat ein User
       ein Foto davon geteilt: Das Plakat zeigt [1][Sarah Hellmann], wie sie in
       einer Küche Orangen schneidet. Ihr Name steht auf dem Plakat und auch, dass
       sie ein Restaurant in Neukölln betreibt, mit dem sie sich einen
       Michelin-Stern erkocht hat. Wer hat das schon auf dem Schirm, wenn man an
       Neukölln denkt?
       
       Das Plakat trägt die Aufschrift „Neukölln – Urban edge. Artistic soul“, das
       meint auf Deutsch „Städtischer Rand. Künstlerische Seele“. Ein User warf
       dabei die Frage auf, wie das [2][Münchner Boulevardblatt tz] am Sonntag
       berichtete, wieso auf dem Werbeplakat die Besitzerin eines
       Sterne-Restaurants „anstelle einer Person mit Migrationshintergrund gezeigt
       werde, was auf viele Einwohner des Bezirks zutreffe“.
       
       Neukölln, mit seinem Migrationsanteil von rund 47 Prozent (Stand von 2021),
       hat mit vielen Klischees zu kämpfen. Immer wieder werden die angebliche
       Clankriminalität, tatsächliche Müllberge und andere Probleme wie
       Israel-Hass in den Vordergrund gerückt. So was lockt natürlich keine
       Touristen an (die Geld ausgeben). Doch mit einer weißen Frau für den bunten
       Bezirk zu werben, muss man sich erst mal trauen. Denn auf Plakaten ist kein
       Raum für viel Erklärung oder einen Diskurs. Was also sollen uns die Plakate
       sagen?
       
       Wie immer muss man sich selbst ein Bild machen. Eins der Motive zeigt einen
       Schwarzen Saxophonisten bei einem Auftritt bei „Schall&Rausch“, einem
       [3][„Festival für brandneue Musiktheater“], dass die Komische Oper im
       Februar auf dem Kindl-Areal in Neukölln veranstaltete.
       
       ## Dragqueen Bingus Bongus ist auch dabei
       
       Von einem anderen Motiv schaut uns Dragqueen Bingus Bongus an, bekannt aus
       der [4][Pepsi Boston Bar] – dem „Wohnzimmer des SchwuZ“, das unter der
       Woche und vor Clubnächten seine Türen für unterschiedliche Veranstaltungen
       öffnet. Die B.Z. zitiert die Dragqueen in der Dienstagsausgabe so: „Ich
       fühle mich in anderen Städten fremder als in Neukölln. Kunstformen wie
       Travestie florieren gerade an diesen Orten, die weniger privilegiert sind.“
       
       In Berlin hängen die Plakate auch, die für Neukölln bundesweit Werbung
       machen, damit mehr Touris in den Bezirk kommen. Das Land Berlin hat Mittel
       der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe locker gemacht,
       die aus der City Tax stammen, also der Übernachtungssteuer, die
       Berlin-Besucher zahlen müssen. Deshalb müssen die Gelder für touristische
       Belange ausgegeben werden.
       
       Das Bezirksamt Neukölln hat einen Antrag gestellt, wie Bezirksamtssprecher
       Christian Berg der taz sagt, und 60.000 Euro bekommen, die in die
       Plakat-Kampagne mit insgesamt sechs Motiven gesteckt wurden. Sie ist vor
       allem in Städten wie Hamburg, Köln, Frankfurt am Main und München zu sehen.
       Und eben Berlin – und das macht dann doch Sinn: Weil gerade Fußball-EM ist,
       tummeln sich hier wie in den Städten, in denen die Fußballspiele
       stattfinden, ohnehin viel mehr Touristen als sonst. An die will man ran,
       die sollen wiederkommen. Nach Neukölln.
       
       Die Plakat-Kampagne soll „die schönen Seiten Neuköllns“ zeigen, sagt
       Bezirksamtssprecher Christian Berg. „Wir wollen damit ein anderes Bild
       vermitteln. Denn Sonnenallee und Jugendgewalt machen den Bezirk nicht aus,
       er ist vielfältiger. Neukölln hat eine äußerst lebendige Kreativ- und
       Kulturszene mit Kreativen aus der ganzen Welt, die ständig Neues generieren
       – ob in Musik, Theater, bildender Kunst, Streetart, Gastronomie.“ Genau das
       geben die Plakate wider.
       
       Ein Motiv aus der Sonnenallee aber fehlt dann doch. Denn wo strömen die
       Touris aller Länder hin? In einen der vielen [5][syrischen Bäckereien], um
       sich mit Leckereien einzudecken. Nur mal so als Anregung für die nächste
       Werbekampagne und ein positiv besetztes Klischee.
       
       26 Jun 2024
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.hallmann-klee.de/%C3%BCber-uns
 (DIR) [2] https://www.tz.de/muenchen/stadt/muenchen-hauptbahnhof-plakat-berlin-neukoelln-reddit-kritik-katastrophentourismus-93142829.html
 (DIR) [3] https://www.komische-oper-berlin.de/spielplan/a-z/schall-und-rausch/
 (DIR) [4] https://www.schwuz.de/event/pepsi-boston-bar/
 (DIR) [5] https://damaskus-konditorei-emissa.com/de
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Andreas Hergeth
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Berlin-Neukölln
 (DIR) Neuköllner Oper
 (DIR) Heimathafen Neukölln
 (DIR) Werbung
 (DIR) schwuz
 (DIR) Garten
 (DIR) Berlin-Neukölln
 (DIR) Wohnungsmarkt
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Urban Gardener in Berlin: „Gerade sind die Zuckerschoten reif“
       
       Gegen Braun hilft grünes Gemüse. In den Prinzessinnengärten in
       Berlin-Neukölln, auf einem ehemaligen Friedhof, baut Robert Shaw mit
       anderen davon eine ganze Menge an.
       
 (DIR) Kindl-Areal in Neukölln: Das Gut ist noch nicht voll
       
       Die lichtlosen Kellergeschosse der ehemaligen Kindl-Brauerei in Neukölln
       gammeln seit Jahren vor sich hin. Die Vollgut-Genossenschaft will das
       ändern.
       
 (DIR) Milieuschutz in Berlin-Neukölln: Modernisierung ohne Genehmigung
       
       In einem Neuköllner Milieuschutzgebiet dämmt das Unternehmen Covivio ein
       Haus. Dabei hat der Bezirk das gar nicht genehmigt. Nun drohen
       Konsequenzen.