# taz.de -- Grundwasser-Vorkommen: Deutschland nicht mehr furztrocken
       
       > Erstmals seit 2018 füllen sich in weiten Teilen Deutschlands die
       > Grundwasserspeicher. Doch wie stark, ist unklar. Annäherung mit drei
       > Datensätzen.
       
 (IMG) Bild: Keine Behörde erfasst bundesweit die Grundwasserstände
       
       Nach mehreren Wochen ohne Niederschlag müssen über hundert Gemeinden mit
       Trinkwasser aus Tankwagen versorgt werden, die normale Wasserversorgung in
       den Ortschaften ist zusammengebrochen. Das war die [1][Realität in
       Frankreich im Sommer 2022]. In Deutschland war die Situation in den
       vergangenen Jahren trotz mehrerer Dürresommer weniger dramatisch. Doch die
       Klimakrise verschärft sich weiter. Könnte es auch hier zu akutem
       Grundwassermangel kommen? Anhand von drei Indikatoren versucht dieser
       Artikel, sich einer Antwort auf diese Frage zu nähern.
       
       ## Lückenhafte Daten zum Grundwasserpegel
       
       Am einfachsten wäre es, sich die Entwicklung der aktuellen
       Grundwasserstände in Deutschland anzuschauen. Sinken sie langfristig?
       Erholen sie sich? Doch dabei gibt es in Deutschland ein grundsätzliches
       Problem: Keine Behörde erfasst bundesweit die Grundwasserstände. In den
       meisten Bundesländern stellen die Landesumweltämter die Daten der
       Messstationen zur Verfügung, allerdings oft lückenhaft und nicht immer mit
       historischen Daten. Die Qualität der Grundwasserdaten ist daher sehr
       unterschiedlich und eine flächendeckende Auswertung nur eingeschränkt
       möglich.
       
       Die EU kritisiert, dass es in Deutschland keine zentrale Erfassung von
       Grundwasserdaten gibt. Eine rechtliche Verpflichtung zur Erfassung und
       Veröffentlichung dieser Daten gibt es jedoch bisher auch auf EU-Ebene
       nicht.
       
       Das Rechercheportal Correctiv.lokal hat dennoch möglichst viele lokale
       Grundwasserdaten i[2][m sogenannten Grundwasseratlas zusammengetragen].
       Daraus geht hervor: Bei knapp einem Viertel der Messstationen sinkt der
       Grundwasserspiegel, bei etwas weniger als einem Sechstel steigt er an.
       Regional ist der Trend sehr unterschiedlich: In Nordrhein-Westfalen weisen
       36 Prozent aller ausgewerteten Messstationen einen Rückgang auf, in
       Niedersachsen sind es 33 Prozent. Im Gegensatz dazu verzeichnen
       beispielsweise in Hessen 34 Prozent der Messstationen steigende
       Grundwasserstände.
       
       ## Dürre in den oberen Bodenschichten
       
       Da die Grundwasserdaten keine flächendeckende Einschätzung ermöglichen,
       werden weitere Indikatoren benötigt. Einer davon ist der Dürremonitor des
       Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung. Er untersucht die Trockenheit in
       den oberen 1,8 Metern des Bodens. Auch wenn das Grundwasser selbst in
       tieferen Bodenschichten liegt, dienen die oberen Bodenschichten als Beleg
       für das Verhältnis von Niederschlag und Temperatur, das mittelfristig auch
       für die Neubildung von Grundwasser entscheidend ist. Denn: Das Wasser aus
       den oberen Bodenschichten steht den Pflanzen während der
       Vegetationsperiode zur Verfügung. Wird es jedoch nicht verbraucht oder
       verdunstet, sickert es tiefer in den Boden und kann sich dort wieder als
       Grundwasser sammeln. Ist der Oberboden dagegen bereits ausgetrocknet, kann
       kein Wasser mehr versickern.
       
       Sowohl im Juni 2021 als auch im Juni 2022 waren weite Teile Deutschlands
       von teils starker Dürre betroffen. Anfang Juni 2024 meldete das
       Helmholtz-Institut jedoch für 91 Prozent des Bundesgebietes keine Dürre
       mehr. So wenig Trockenheit gab es in Deutschland seit 2018 nicht mehr.
       
       Übrigens: Der Boden kann auch mit Wasser gesättigt sein, auch dann
       versickert kein weiteres Wasser. Bei besonders starken Niederschlägen, wie
       Anfang Juni in Süddeutschland, kann ein bereits gesättigter Boden die
       Hochwasserlage noch verschärfen.
       
       ## Verteilung des Niederschlags
       
       Wichtig für die Entwicklung des Grundwassers ist nicht nur die Menge des
       Niederschlags, sondern auch dessen Verteilung im Verlauf eines Jahres.
       Normalerweise steht die Vegetation in den Sommermonaten in voller Pracht.
       Die Wurzeln saugen den größten Teil des Niederschlags aus den oberen
       Bodenschichten auf, sodass nur sehr wenig Wasser versickert und die
       Grundwasserspeicher auffüllt. Das sogenannte Abflussjahr beginnt erst im
       November. Die Vegetation ist dann zu großen Teilen inaktiv, das meiste
       Regenwasser versickert und steht später als Grundwasser zur Verfügung.
       
       In Deutschland deute sich eine Verschiebung der Niederschläge in die
       Wintermonate an, sagt Fred Hattermann. Er forscht am Potsdam-Institut für
       Klimafolgenforschung zu den Auswirkungen der Klimakrise auf den
       Wasserhaushalt. Zwar müsse sich dieser Trend in den kommenden Jahren noch
       verstärken, um langfristige Auswirkungen zu haben. Die Folgen seien aber
       bereits 2023 sichtbar, so Hattermann: Der November war der
       zweitniederschlagsreichste seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. Dadurch
       konnten sich die Grundwasserspeicher besser erholen als in den Vorjahren.
       
       Die von Hattermann beschriebene Verschiebung der Niederschlagsmengen in die
       Wintermonate lässt sich mit den Daten des Deutschen Wetterdienstes zwar
       noch nicht bundesweit eindeutig belegen. Aber viele Regionen entsprechen
       dem Trend.
       
       So zeigt die Messstation in Bad Bayersoien, einem Moorkurort im bayerischen
       Landkreis Garmisch-Partenkirchen, eine deutliche Zunahme des Niederschlags
       im November und Dezember 2023 sowie im Januar 2024. In diesen drei Monaten
       regnete es 267 Liter pro Quadratmeter mehr als im langjährigen Mittel. Ein
       ähnliches Muster zeigt sich in Hohenbostel in Niedersachsen. Dort lag der
       Niederschlag zwischen November 2023 und Januar 2024 um 132 Liter pro
       Quadratmeter über dem Wert der Referenzperiode. An beiden Orten ist
       gleichzeitig eine deutliche Abnahme der Niederschläge in den Sommermonaten
       zu beobachten.
       
       ## Ist also alles wieder gut?
       
       Zunächst: Neben dem Klimawandel haben auch andere Faktoren Einfluss auf die
       Entwicklung des Grundwassers. Vor allem im Rheinland und in der Lausitz
       sorgt der Braunkohleabbau für massive Probleme. Damit die Tagebaue, die oft
       unterhalb des natürlichen Grundwasserspiegels liegen, nicht volllaufen,
       wird Grundwasser abgepumpt und zum Beispiel in Flüsse geleitet. Auch große
       Chemiefabriken und die bewässerungsintensive Landwirtschaft haben einen
       hohen Wasserbedarf. In den betroffenen Gebieten sinkt dadurch der
       Grundwasserspiegel.
       
       Fred Hattermann beurteilt die Lage trotz aller Einschränkungen „verhalten
       optimistisch“. Durch die Niederschläge im vergangenen Herbst und Winter
       habe sich das Grundwasser in Deutschland nach einigen Jahren der
       Trockenheit wieder etwas erholt. „Es kommt jetzt sehr auf die
       Niederschlagsentwicklung in den nächsten Jahren an“, wenn dieser Trend
       sich fortsetzen soll. Zudem müsse über Maßnahmen nachgedacht werden, die
       die Neubildung des Grundwassers unterstützen. Das kann beispielsweise der
       Umbau von Städten zu [3][Schwammstädten] sein. Diese können bei starken
       Regenfällen Wasser in unterirdischen Behältern zwischenspeichern und nach
       und nach an den Boden abgeben.
       
       Eine wichtige Rolle rechnet Hattermann auch den deutschen Wäldern zu. Die
       Bäume seien nicht nur auf einen ausreichenden Grundwasservorrat angewiesen,
       sondern [4][trügen auch zur Neubildung bei]. „Nadelbäume sind ganzjährig
       grün. Deswegen bleibt gerade im Winter, wo sich Grundwasser neubilden
       sollte, viel Wasser an den Nadeln hängen und verdunstet“, so Hattermann.
       Der Umbau des Waldes von Nadelbaum-Monokulturen zu nachhaltigen
       Mischwäldern würde sich also auch positiv auf den Grundwasserspiegel in
       Deutschland auswirken.
       
       Um jedoch aus dem Schätzen und Prognostizieren herauszukommen und die
       Situation sicher beurteilen zu können, ist ein besserer Überblick über die
       Grundwassersituation unabdingbar. Dies ist mit der derzeitigen Datenlage
       weder mittelfristig noch gar tagesaktuell möglich.
       
       3 Jul 2024
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Duerre-in-Frankreich/!5872690
 (DIR) [2] https://correctiv.org/aktuelles/kampf-um-wasser/2022/10/25/klimawandel-grundwasser-in-deutschland-sinkt/?bbox=2.765438012172268%2C47.04558898849936%2C18.534561987828%2C54.76110636388901&zoom=5.584692788004574
 (DIR) [3] /Klimaanpassung/!6005309
 (DIR) [4] /Hochwasserschutz-in-Deutschland/!6017264
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Yannik Achternbosch
       
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