# taz.de -- Politik und Fußball-EM: Rassisten am Arsch
       
       > Die Fußball-EM macht mir Spaß. Solange Deutschland gewinnt, wird
       > insgesamt weniger genörgelt. Und die AfD-Äußerungen sind überraschend
       > amüsant.
       
 (IMG) Bild: „Woke Erziehungsveranstaltung“: AfD-Chef Tino Chrupalla (links) neben Grünen-Chef Omid Nouripour am 25. Juni im Olympiastadion
       
       Fußball mag ich, auch wenn ich mich nicht besonders dafür interessiere.
       Aber auf Welt- oder Europameisterschaften freue ich mich immer wie ein Kind
       – jedenfalls solange sie nicht an Länder verkauft werden, in denen weder
       Meinungsfreiheit noch Gleichberechtigung herrschen, in denen Menschenrechte
       ignoriert und Homosexuelle verfolgt werden.
       
       Ich empfinde sportliche Großereignisse grundsätzlich als verbindend.
       Überall kommt man viel schneller mit Menschen ins Gespräch und ich muss
       während dieser Zeit keine Angst vor großflächiger Deutschland-Beflaggung an
       Haus und Auto haben.
       
       Zu Hause läuft die Glotze, egal wer spielt, und mein Bruder liegt auf
       unserem Sofa. Sogar mein Mann schaut die Deutschland-Spiele mit uns an und
       meine Tochter macht schwarz-rot-gelbe Käseigel. Nur Willi interessiert sich
       lediglich für Gouda-Würfel und die Knabberbox. Aber ab dem dritten Spiel
       hört er auf, sich über die monothematische Programmauswahl zu beschweren,
       quetscht sich zum Kuscheln mit zu uns auf die Couch oder murmelt nebenbei
       am Tisch.
       
       Wenn sich in Gesprächen und Medienberichten alles nur noch um die EM dreht,
       stört mich das nicht, solange nicht ständig das Wort „[1][Sommermärchen]“
       fällt. Ist doch eine angenehme Abwechslung zum Regierungsbashing. Insgesamt
       habe ich das Gefühl, dass gerade ein bisschen weniger genörgelt wird –
       solange Deutschland gewinnt. Fliegen wir aus dem Turnier, sind
       wahrscheinlich die Grünen schuld (die „Schwulen“ können es dieses Mal nicht
       gewesen sein, die Mannschaft wurde ja nicht durch [2][One-Love-Armbinden
       verunsichert wie bei der WM 2022]).
       
       Am Tag des Eröffnungsspiels fand im Bundestag eine Debatte zum
       CDU/CSU-Antrag „Fußball-EM 2024 – Volle Unterstützung für ein neues
       Sommermärchen“ statt. Die Union fand, dass die Ampel-Koalition bei der
       Schaffung der Rahmenbedingungen für eine erfolgreiche Europameisterschaft
       nicht genügend tue.
       
       Mich deprimieren politische Diskussionen, bei denen man das Gefühl hat, es
       sei ein Kasperletheater, in dem alle wissen, wer was sagen wird und sogar
       das Publikum seine Phrasen an den dafür vorgesehenen Stellen reinruft.
       
       Den Beitrag von der AfD zur [3][Europameisterschaft] fand ich aber
       überraschend amüsant. Der Abgeordnete Jörn König beanstandete, dass Sport
       immer stärker politisch instrumentalisiert werde. Was die Funktionäre
       wirklich interessiere, sei „Diversität, Vielfalt, Antidiskriminierung,
       Antirassismus, Nachhaltigkeit, Inklusion oder Klimaneutralität“. Wirklich
       empörend! Ich habe mich gewundert, dass nicht noch „Frieden“ und „Liebe“
       auf der Liste der Indoktrinationen stand, vor denen er so große Angst hat.
       
       Wie schön könnte unsere Welt sein, wären das tatsächlich die Interessen der
       Uefa-Funktionäre. Doch während mir die EM oft wie eine gigantische Werbe-
       und Profitschlacht vorkommt, bezeichnet die [4][AfD] sie als „woke
       Erziehungsveranstaltung“.
       
       Ich fragte mich, wie Rassisten zu unserer Nationalelf stehen und ob sie
       auch jeden vierten „remigrieren“ möchten. Dann wären wir ganz schön am
       Arsch. Tatsächlich schmollen Maximilian Krah und Björn Höcke und wollen
       [5][die EM angeblich ignorieren, weil ihnen unser Team nicht weiß genug und
       zu queer ist.]
       
       Aber wenn die armen AfD-Wähler sich nun nicht mal mehr darüber freuen
       können, wenn Deutschland im Fußball gewinnt, werden sie bestimmt nur noch
       frustrierter sein und die Gesellschaft wird noch tiefer gespalten.
       
       Fußball ohne Homophobie und ganz ohne Nazis, das wäre wirklich schön.
       Vielleicht hilft es, wenn wir Europameister werden und unser ganzes Schland
       gemeinsam feiert. Dann bitte nicht vergessen: Die Grünen sind schuld – oder
       wenigstens die Schwulen.
       
       2 Jul 2024
       
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