# taz.de -- Argentiniens Kongress billigt Reformen: Mehr Vollmachten für Javier Milei
       
       > Das umstrittene Mega-Gesetzespaket wurde vom Abgeordnetenhaus bestätigt.
       > Unternehmen sollen privatisiert, die Natur stärker ausgebeutet werden.
       
 (IMG) Bild: Protest in Buenos Aires gegen die finale Abstimmung über das umstrittene Mega-Reformpaket, 27. Juni
       
       BUENOS AIRES taz | Argentiniens libertärer Präsident Javier Milei kann
       zukünftig mit Sondervollmachten regieren. Am frühen Freitagmorgen stimmte
       das Abgeordnetenhaus dem Mega-Gesetzespaket mit 147 Stimmen zu. 107
       Abgeordneten votierten mit Nein, zwei enthielten sich. Die erneute
       Abstimmung [1][über das Gesetzespaket] durch die Abgeordneten war notwendig
       geworden, nachdem der Senat zwar dafür gestimmt, aber gleichzeitig 37
       Änderungen vorgenommen hatte.
       
       Nach sechs Monaten im Amt hat Milei damit sein erstes Gesetzesvorhaben
       durch den Kongress gebracht. Zu Beginn seiner Amtszeit hatte dem
       politischen Outsider kaum jemand zugetraut, dass ihm das auch nur mit einem
       Gesetzentwurf gelingen würde. Zumal seine Partei La Libertad Avanza nur
       über 10 Prozent der Sitze in der Abgeordnetenkammer und 15 Prozent im Senat
       verfügt.
       
       Milei musste jedoch viele Zugeständnisse machen, [2][um schließlich die
       Zustimmung des Kongresses zu erhalten]. Von den ursprünglich mehr als 600
       Artikeln wurden 234 gebilligt. Sein Vorhaben, Sondervollmachten in elf
       Bereichen und für zwei Jahre zu erhalten, mit der Möglichkeit einer
       Verlängerung um weitere zwei Jahre, wurde kräftig zusammengestrichen.
       Letztlich erhielt er für ein Jahr Sondervollmachten in den Bereichen
       Verwaltung, Wirtschaft, Finanzen und Energie.
       
       ## Privatisierungen und Extraktivismus
       
       Von den ursprünglich 41 staatlichen und mehrheitlich staatlichen
       Unternehmen, die privatisiert werden sollten, sind sechs übrig geblieben.
       Dazu gehören die Wasserwerke AySA, der Energieversorger ENARSA und die
       Eisenbahngesellschaften Trenes Argentinas und Belgrano Cargas. Von der
       Liste der zu privatisierenden Unternehmen gestrichen wurden hingegen die
       Fluggesellschaft Aerolíneas Argentinas, der Postdienst Correo Argentina
       sowie Radio und Televisión Argentina, wie Abgeordnete bestätigten.
       
       Auch das umstrittene RIGI-System zur Förderung von Großinvestitionen wurde
       gebilligt. Projekte mit einem Volumen von mindestens 200 Millionen Dollar
       profitieren künftig von einer Vielzahl von Steuer-, Zoll- und
       Wechselkursvorteilen, insbesondere Investitionen in den Bergbau, die
       Ausbeutung von Schieferöl- und Gasvorkommen sowie die Forst- und
       Energiewirtschaft, womit wird das Modell des Extraktivismus, also die
       Entnahme von Ressourcen aus der herrenlosen Natur zur Vermarktung, weiter
       vertieft wird.
       
       Ein Zugeständnis ist, dass Materialien und Dienstleistungen zu mindestens
       20 Prozent von der Investitionssumme von lokalen Anbietern kommen müssen.
       
       Der verhandlungsbereite Teil der Opposition, ohne dessen Zustimmung nichts
       ratifiziert worden wäre, zeigte sich daher zufrieden. Sie habe dem Wunsch
       der Mehrheit der Bevölkerung nach Reformen und Veränderungen entsprochen
       und gleichzeitig verhindert, dass Milei über das Ziel hinausschieße, so der
       Tenor.
       
       ## Opposition warnt vor schlimmen Folgen
       
       Die nicht konsensbereite Opposition hingegen warnte vor den schlimmen
       Folgen, sobald die einzelnen Gesetze und Reformen umgesetzt werden.
       Symbolisch für Mileis Sondervollmachten hatten einige Protestierende einen
       schwarzen Sarg mit der Aufschrift „Demokratie“ vor dem Kongressgebäude
       abgelegt.
       
       Die Proteste vor dem Kongressgebäude waren dieses Mal kleiner und
       friedlich. Im Gegensatz [3][zu den gewalttätigen Zusammenstößen am 12.
       Juni], als der Senat das Gesetzespaket beschloss. Fünf der damals
       verhafteten 35 Personen befinden sich noch immer in Haft. Alle anderen
       wurden von einer Richterin freigelassen, die zugleich die Verhaftungen
       wegen offensichtlich mangelnder Beweise kritisierte. So waren
       Straßenverkäufer, Obdachlose und Menschen, die sich zufällig in der Nähe
       aufhielten, von der Polizei festgenommen worden.
       
       Dagegen ist noch immer niemand für das Feuerlegen an einem Pkw festgenommen
       worden, obwohl die Gesichter fast aller Beteiligten auf Video- und
       Bildmaterial zu erkennen sind und das den staatlichen Ordnungskräften einen
       wesentlicher Grund für die gewaltsame Räumung des Platzes vor dem
       Kongressgebäude geliefert hatte.
       
       28 Jun 2024
       
       ## LINKS
       
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 (DIR) Jürgen Vogt
       
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