# taz.de -- Gewerkschafter über Streik im Digitalen: „Arbeitskampf ist immer emotional“
       
       > Im digitalen Kapitalismus müssen sich auch die Gewerkschaften
       > international aufstellen. Metaller Falko Blumenthal über hybride Streiks
       > und Vernetzung.
       
 (IMG) Bild: Streik braucht die Gemeinschaft. Hier streiken Beschäftigte der Meyer-Werft
       
       taz: Herr Blumenthal, wie können Arbeiter*innen im Digitalen streiken? 
       
       Falko Blumenthal: Beschäftigte können [1][ihre Arbeitskraft zurückhalten],
       indem sie etwa Mails nicht beantworten, an Teamsitzungen nicht teilnehmen
       oder in einer Zoomkonferenz ein Warnstreikfestival veranstalten.
       
       Welche Rolle spielen Gewerkschaften in aktuellen Arbeitskämpfen noch? 
       
       Der Begriff [2][Arbeitskampf umfasst vieles,] auch der Bummelstreik oder
       der Dienst nach Vorschrift kann Teil davon sein, ebenso der Kampf um
       bessere IT-Ausstattung. Seit mehreren Jahren sind wir in der
       Experimentierphase mit hybriden Aktionen, die Pandemie hat das
       beschleunigt. Zum Beispiel stehen Kollegen vor dem Werk auf der Straße,
       während diejenigen, die nicht teilnehmen können, weil sie sich etwa zu
       Hause um ihre Kinder kümmern müssen, über eine sechs Meter-Leinwand
       zugeschaltet sind.
       
       Die Gewerkschaft stellt die Leinwand, oder wozu braucht es sie? 
       
       [3][Im Arbeitskampf geht es immer auch] um eine emotionale Frage. Wenn ich
       meiner Führungskraft meine Arbeitskraft verweigere, mache ich das nicht
       alleine vom Küchentisch aus. Wir brauchen dafür die Gemeinschaft. Und
       gerade, weil der wird Streik der Zukunft hybrid sein wird, brauchen wir die
       Gewerkschaften.
       
       Wie müssen sich die Gewerkschaften aufstellen, um dem digitalen
       Kapitalismus etwas entgegenzusetzen? 
       
       Im ersten Schritt müssen wir nationale Grenzen überschreiten, so wie die
       Aktiengesellschaften es tun. Das erfordert organisatorische Veränderungen,
       weg von der örtlichen Geschäftsstelle hin zur digitalen betrieblichen
       Grundorganisation, wo man in mehreren Gewerkschaften gleichzeitig sein
       kann. Im nächsten Schritt bedeutet es die Qualifizierung der Aktiven im
       Betrieb. Die Gefahr ist, dass die Organisierung zu einer One
       Way-Bestrahlung wird und die Beschäftigten nur noch Kunden sind. Streik
       muss ein Zusammenkommen sein, kein Vortrag einer Gewerkschafter*in.
       
       Wie kann es den vereinzelten Arbeiter*innen, etwa der Lieferdienste,
       gelingen, eine Gegenmacht aufzubauen? 
       
       Gegenmacht wird oft im institutionellen Sinne verstanden, etwa dass man
       juristischen Beistand organisiert oder politischen Zugriff auf den
       Bundestag hat. Es können aber auch Orte sein, wo Menschen zusammen kommen.
       Auch digitale oder hybride Orte, wo man sich bei Stressbelastung
       stabilisieren kann. Ein Netzwerk über Firmengrenzen hinaus, wo man sich weg
       von der Beziehung des Arbeitnehmers zur Führungskraft, hin zur Gemeinschaft
       der Arbeiter gegen die Firmen, organisiert.
       
       Wo liegt die Stärke des Digitalen im aktuellen Arbeitskampf? 
       
       In einer Welt, wo deutsche Firmen Arbeiter*innen in Indonesien
       anstellen können, wo dienstags bis donnerstags Büroarbeit angesagt ist,
       aber montags und freitags Homeoffice, kann ein Zusammenkommen der
       Beschäftigten nur noch mit digitalen Wegen erfolgen. Solange wir darauf
       bestehen, an einem Ort Streik zu machen, und sich deutsche Arbeiter etwas
       herausnehmen, [4][was die Inder oder Indonesierinnen nicht kriegen], werden
       wir immer langfristig scheitern.
       
       17 Jul 2024
       
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