# taz.de -- Hamburger Ringvorlesung Antisemitismus: Draußen Protest, drinnen Anspannung
       
       > Handgreiflich wurde es bei der letzten Ausgabe der Vortragsreihe an der
       > Hamburger Uni nicht, aber die Atmosphäre ist auch diesmal bedrückend.
       
 (IMG) Bild: Nur unter Polizeischutz möglich: Antisemitismus-Vorlesung an der Hamburger Uni
       
       HAMBURG taz | Drei Streifenwagen stehen am späten Mittwochnachmittag vor
       der Universität Hamburg, hinter ihnen schwingt eine Palästina-Fahne durch
       die Luft. Es ist der letzte Termin der Ringvorlesung gegen Antisemitismus,
       von der in den vergangenen Wochen regelmäßig berichtet wurde: Es gab
       Störaktionen, Gegenproteste und sogar eine [1][körperliche Attacke gegen
       eine Teilnehmerin]. Auch heute ist die Stimmung angespannt.
       
       Etwa 150 Menschen aus dem pro-palästinensischen Spektrum sind gekommen, um
       unter dem Motto „Wissenschaft muss sachlich bleiben“ vor dem Hauptgebäude
       zu protestieren. Aufgerufen haben die [2][Gruppen Thawra und Students for
       Palestine]. In ihrem Aufruf über Instagram bezeichnet Thawra die
       Ringvorlesung als „propagandistisch-rassistische Hetzkampagne“ und
       unterstellt ihr „beabsichtigten Geschichtsrevisionismus“.
       
       Es ist schwer, jemanden zu finden, der darüber sprechen möchte. Eine junge
       Frau, die zum Organisationsteam zu gehören scheint, lässt sich auf ein
       kurzes Gespräch ein und betont, dass es vor allem die Ungleichbehandlung
       von pro-palästinensischen und israel-solidarischen Veranstaltungen sei, die
       sie wütend mache: Während die Ringvorlesung gegen Antisemitismus mit dem
       Schutz der Uni stattfinde, sei Thawra in der vergangenen Woche der Raum für
       eine Veranstaltung entzogen worden.
       
       Rechts um die Ecke, wenige Meter weiter, findet eine zweite Kundgebung
       statt. Vor dem Eingang des Asien-Afrika-Instituts stehen etwa 60 Menschen
       aus dem Umfeld der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, die die Vorlesung
       solidarisch begleitet. Die Teilnehmenden bilden eine geschlossene Reihe und
       halten neben einem Banner Israel-Fahnen und Schilder in die Höhe, ein
       junger Mann verliest eine Rede. Zehn Minuten vor Beginn der Vorlesung ist
       der Saal schon beinahe voll besetzt. Alle, die reinwollen, müssen durch
       eine Taschenkontrolle. Einige Besucher werden abgewiesen, weil es keine
       freien Plätze mehr gibt.
       
       ## Ein Handy schrillt, wird immer lauter
       
       Zwei Gäste sind heute Abend auf dem Bühne: Die in Baku geborene
       [3][jüdische Schriftstellerin Olga Grjasnowa] spricht unter dem Titel
       „Angst“ über Antisemitismus seit dem 7. Oktober. Die [4][Präsidentin der
       Jüdischen Studierendenunion, Hanna Veiler], über junges jüdisches Leben in
       Deutschland und Antisemitismus an Unis.
       
       Gerade als Olga Grjasnowa über das Leid der Menschen in Gaza spricht,
       klingelt das Handy einer Person mit Kufiya, den meisten wahrscheinlich eher
       unter dem Begriff „Palästinensertuch“ bekannt. Der schrille Ton wird immer
       lauter, sie schaltet ihn nicht aus und verlässt schließlich mit einer
       Begleitperson den Saal. „Ich werde jetzt davon ausgehen, dass einfach nur
       jemand angerufen wurde, und weitermachen“, sagt Grjasnowa dazu.
       
       Auf der Straße vor dem Gebäude ertönt ein minutenlanges, lautes Hupen.
       Wahrscheinlich ein Zufall, doch die Stimmung im Raum ist merklich
       angespannt. Die letzten Wochen haben ihre Spuren hinterlassen. Die
       Veranstaltung geht aber ohne Störungen zu Ende, die sonst übliche
       Diskussionsrunde mit dem Publikum bleibt allerdings aus.
       
       Hanna Veiler ist Störungen bei Veranstaltungen dieser Art gewöhnt. „Ich
       wurde von Security-Personal von meinem Hotel abgeholt und werde gleich
       auch von Security zurückgebracht“, sagt sie. „Das ist für mich belastend.
       Ich bin 26 Jahre alt, rede einfach nur über die Perspektive jüdischer
       Studierender – und das geht an dieser Universität nicht ohne
       Sicherheitsschutz. Trotz allem werden wir nicht aufgeben und weitermachen.“
       
       Beim Verlassen des Gebäudes ist sofort die pro-palästinensische
       Gegenkundgebung zu hören, offenbar haben sie die ganze Zeit über ein
       paralleles Programm veranstaltet. Sie skandieren laut einen Spruch, der
       sich mutmaßlich an die Besucher der Vorlesung richtet: „Shame on you.“
       
       Anmerkung der Redaktion: Wir haben das Zitat von Hanna Veiler um einen Satz
       ergänzt.
       
       11 Jul 2024
       
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