# taz.de -- Abschlussbericht zum Finanzskandal: Wirecard spaltet Große Koalition
       
       > Im Bundestagsgremium zum Bilanzskandal setzt sich die CDU von der SPD ab
       > – und erhebt schwere Vorwürfe gegen Finanzminister Scholz.
       
 (IMG) Bild: Befragung eines Zeugen im Untersuchungsausschuss zum Bilanzskandal Wirecard im April
       
       BERLIN taz | Wer trägt die politische Schuld am größten Bilanzbetrug in der
       deutschen Wirtschaftsgeschichte – und was können wir aus dem
       Wirecard-Skandal lernen?
       
       Antworten auf diese Fragen wurden am Dienstag bei der Übergabe des 4.500
       Seiten dicken Abschlussberichts des parlamentarischen
       Untersuchungsausschusses an Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) vom
       aufziehenden Wahlkampf vernebelt. Am Ende gab es mindestens vier
       verschiedene Meinungen: Die der Union, die der SPD, die der Opposition aus
       FDP, Grüne und Linken – und die der AfD.
       
       Die CDU nutzte die Gelegenheit, um sich von SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz
       abzusetzen. Die Wirecard-Affäre sei ein „multiples Aufsichtsversagen unter
       den Augen des Finanzministeriums“, der zuständige Minister trage dafür die
       Schuld, sagte der Obmann der Unionsfraktion im Ausschuss, Matthias Hauer
       (CDU). Den Rücktritt von Scholz forderte er – anders als die AfD-Fraktion –
       aber nicht. Scholz hätte den für die Finanzaufsichtsbehörde Bafin
       zuständigen Staatssekretär im Ministerium, Jörg Kukies, „freistellen
       sollen“, sagte Hauer. „Diese Kraft bringt Scholz nicht auf.“
       
       ## EY-Wirtschaftsprüfer in der Kritik
       
       Auch in der Kritik: [1][Die Wirtschaftsprüfer von EY], die die Bilanzen des
       Finanzdienstleisters jahrelang unbeanstandet durchgewunken hatten, obwohl
       ein Teil des angeblichen Geschäfts faktisch nicht existierte. Alles sei
       „ein Zeugnis des Versagens von Abschlussprüfern“, so Hauer. EY habe den
       Berufsstand „in Verruf gebracht“, fügte Fritz Güntzler (CDU) hinzu. Die SPD
       schob die Schuld fast ausschließlich den Prüfern zu: Für ihn eine der
       wichtigsten Erkenntnisse aus neun Monaten Untersuchungsausschuss, sagte
       SPD-Obmann Jens Zimmermann.
       
       Vor fast genau einem Jahr hatte der gerade in den DAX aufgestiegene Konzern
       aus Aschheim bei München zugeben müssen, dass 1,9 Milliarden Euro in den
       Bilanzen fehlen, wenig später rutschte Wirecard in die Pleite. Die Münchner
       Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Bilanzfälschung, Betrug,
       Marktmanipulation und Geldwäsche gegen Manager des Konzerns, der einstige
       Finanzvorstand Jan Marsalek ist flüchtig. Tausende Anleger erlitten
       Verluste, weil die Aktie abstürzte.
       
       ## Nicht fit für das digitale Zeitalter
       
       „Man hätte es viel früher erkennen können“, sagte FDP-Finanzpolitiker
       Florian Toncar. Durch den Skandal sei ein wirtschaftlicher Schaden von fast
       30 Milliarden Euro entstanden. Es gebe eine politische Verantwortung des
       Finanzministeriums, das für die Finanzaufsicht Bafin und die
       Anti-Geldschwäsche-Einheit FIU zuständig ist. Beide Stellen hätten sich
       nicht rechtzeitig um Aufklärung bemüht. Es sei bedauerlich, dass
       Top-Politiker der Bundesregierung sich „nicht einmal zu einer lauen Form
       der Selbstkritik“ hätten bewegen lassen, sagte Toncar.
       
       Der Obmann der Linken im Ausschuss, Fabio De Masi, erklärte, die deutschen
       Aufsichtsbehörden seien nicht fit für das digitale Zeitalter. „Aber diese
       Milliardenlüge, diese Illusionsfabrik Wirecard, war auch nur denkbar, weil
       sie sich ein politisches Netzwerk organisiert haben.“ Über die Bafin sagte
       De Masi, diese habe die Aufsicht über Wirecard nicht nur schleifen lassen,
       sondern das Unternehmen auch noch aktiv schützen wollen.
       
       Die Wirtschaftsprüfer von EY hätten jahrelang „die kritische Grundhaltung“
       vermissen lassen, betonte Lisa Paus, Grünen-Obfrau im
       Untersuchungsausschuss. Als die Bafin schließlich eingegriffen habe, sei
       dies mit einer „Wagenburg-Mentalität“ geschehen. Die Bafin hatte
       [2][Journalisten der Financial Times ] angezeigt, die auf Probleme bei
       Wirecard hingewiesen hatten.
       
       22 Jun 2021
       
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