# taz.de -- AfD-Gutachten des Verfassungsschutzes: Völkisch, verächtlich, revisionistisch
       
       > Die AfD will gegen ihre Beobachtung klagen. Das vertrauliche
       > Verfassungsschutzgutachten belastet die gesamte Führungsriege schwer.
       
 (IMG) Bild: Die AfD-Führung reagierte verschnupft auf das Gutachten des Verfassungsschutzes
       
       BERLIN taz | Die Ankündigung kam prompt: Kaum hatte
       Bundesverfassungsschutzchef Thomas Haldenwang vergangene Woche die AfD zum
       [1][„Prüffall“] erklärt, kündigte die Partei an, dagegen zu klagen. Eine
       Klage könnte für die AfD indes auch zum Bumerang werden: Denn der
       Verfassungsschutz hat akribisch gearbeitet, wie sein 436-seitiges,
       vertrauliches Prüfgutachten zeigt, das der taz vorliegt. Und es belastet
       die AfD schwer – bis hoch in die Parteispitze.
       
       Das Gutachten sei plausibel, bekräftigte Bundesinnenminister Horst Seehofer
       (CSU) am Montag bei einem Besuch bei Haldenwang in Köln. Der
       Verfassungsschutz handele hier „sehr, sehr klar nach dem Gesetz“.
       
       Haldenwang hatte bekannt gegeben, der Verfassungsschutz werde die AfD nun
       „systematisch“ auf Rechtsextremismus prüfen. Den Jugendverband [2][„Junge
       Alternative“] und den weit rechten „Flügel“ stufte sein Amt bereits als
       „Verdachtsfall“ ein. Bei der Gesamtpartei müsse indes noch geprüft werden,
       ob die Ausfälle einzelner Funktionäre repräsentativ für die Gesamtpartei
       seien.
       
       Liest man das Gutachten, gibt es daran wenig Zweifel. Seitenlang werden
       darin extremistische Aussagen vor allem der Parteioberen zitiert. Diese
       betreffen vor allem den Islam. „Der Islam bedeutet Steinzeit“, erklärte
       etwa AfD-Fraktionschefin Alice Weidel. „Mit dem Islam darf es keine
       Kompromisse geben.“
       
       ## Gegen den Islam „bis zum letzten Atemzug“
       
       Dennis Augustin, Parteichef in Mecklenburg-Vorpommern, nannte den Islam ein
       „Krebsgeschwür“: Muslimische Männer würden hierzulande „wie Halbaffen“ über
       Frauen herfallen. Und Ralf Özkara, bis Ende November AfD-Chef in
       Baden-Württemberg, sprach von einem „verwesenden Kadaver in unserem Land“
       und kündigte an „bis zu meinem letzten Atemzug gegen den Islam in
       Deutschland“, zu kämpfen.
       
       Wie sich die AfD das vorstellt? Der Thüringer AfD-Chef Björn Höcke will
       eine „De-Islamisierung Deutschlands“ vorbereiten: Sobald die AfD regiere,
       sei „mit Mohammed, Muezzin und Minarett Schluss“. Özkara fordert schon
       jetzt eine „lückenlose“ Überwachung aller Moscheen in Deutschland. Dies, so
       der Verfassungsschutz, gehe über zulässige Islamkritik hinaus. Die
       AfD-Führung ergehe sich in einer „pauschalisierten Herabwürdigung von
       Muslimen“.
       
       Das betrifft auch Geflüchtete. Von „Barbaren“ ist die Rede, von
       „Messereinwanderung“. AfD-Chef Alexander Gauland meinte: „Wer abertausende,
       zum Teil hoch aggressive Analphabeten in sein Land holt und ihren
       Lebensunterhalt finanziert, ist nicht weltoffen, sondern dämlich.“ Der
       Parteistratege Marc Jongen sah eine „Wirtsgesellschaft“ des aufnehmenden
       Volkes. Jongen setze Geflüchtete „konkludent mit Parasiten gleich“, urteilt
       der Verfassungsschutz.
       
       Immer wieder bediene die AfD dabei auch ein „gängiges rechtsextremistisches
       Narrativ: Zuwanderung als „Zersetzung“ Deutschlands. Gauland etwa sprach
       vom „Versuch, das deutsche Volk allmählich zu ersetzen“. Der sächsische
       Parteichef Jörg Urban ätzte: „Die verschiedensten Vertreter der
       Asylindustrie und des Gutmenschentums treiben unsere Mädchen zur
       Schlachtbank der Willkommenskultur.“
       
       Die Migrationspolitik werde in der AfD zur „Schicksalsfrage
       hochstilisiert“, notieren die Verfassungschützer. Höcke und andere
       forderten für Muslime kein Asyl und „Massenabschiebungen“ – die Forderung
       nach willkürlichem Entzug von Staatsbürgerschaften werde „nur pro forma
       notdürftig verhüllt“.
       
       Die Situation in den Heimatländern sei den Funktionären gleichgültig. Zitat
       Gauland: „Es gehört sich, dass diese Menschen dahin zurück geschafft
       werden, wo sie hergekommen sind, und das ist mir völlig egal, was dort für
       ein Regime herrscht.“ Der Parteichef trete also für eine Abschiebepolitik
       ein, die Migranten auch Folter aussetzen würde, so die Verfassungsschützer.
       Das stelle die Menschenwürde „eindeutig in Frage“.
       
       ## Funktionäre mit „ethnisch-biologischem Volksverständnis“
       
       Für den Verfassungsschutz offenbarten einige „herausgehobene“
       AfD-Funktionäre damit ein „ethnisch-biologisches Volksverständnis“, das
       gegen die ungeteilte Menschenwürde verstoße. Gauland spreche vom „großen
       Volksganzen“, Urban von einer gebildeteren, „weißen europäischen Kultur“,
       Höcke „statuiert eine Höherwertigkeit der eigenen Kultur“.
       
       Hinzu komme eine „Verächtlichmachung der politischen Verhältnisse“.
       Sämtliche Parteien würden als fremdbestimmt erklärt, mit dem Ziel einer
       „Vernichtung Deutschlands in seiner aktuellen Form“, so das Gutachten. Die
       „Blockparteien“ machten das Land „zum Schlachtfeld ideologischer
       Experimente“, erklärte etwa Brandenburgs AfD-Chef Andreas Kalbitz. Höcke
       sprach vom „Verwesungsgeruch einer absterbenden Demokratie“ im Lande und
       postulierte einen „pauschalen Widerstandsaufruf“. In letzter Konsequenz, so
       das Gutachten, stünde „ein völkischen Grundsätzen verpflichtetes
       Parteiensystem“.
       
       Die Verfassungsschützer sehen auch revisionistische Ansätze in der
       Parteiführung. Etwa mit Höckes Forderung nach einer „erinnerungspolitischen
       Wende um 180 Grad“ oder Gaulands Lob der „Leistungen deutscher Soldaten in
       zwei Weltkriegen“. Dies sind Äußerungen der Parteioberen – die man teils
       zuletzt noch bei der NPD vernahm.
       
       Und wer die Sammlung liest, fragt sich, was da eigentlich noch geprüft
       werden soll. Nicht zufällig zitieren auch die Verfassungsschützer
       wiederholt das Urteil zum NPD-Verbot, das 2017 nur an der
       Bedeutungslosigkeit der Partei scheiterte. Das Bundesverfassungsgericht
       bescheinigte der NPD aber klar eine Missachtung der Menschenwürde, sie
       wolle einen ethnisch definierten, autoritären Nationalstaat errichten – der
       die „elementare Rechtsgleichheit für alle“ verletze. Ein Vorwurf, der
       durchaus auf Äußerungen führender AfD-Funktionäre gegenüber Muslimen und
       Geflüchteten übertragbar ist.
       
       21 Jan 2019
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Gast-Kommentar-Verfassungsschutz/!5563407
 (DIR) [2] /Parteijugend-der-AfD/!5555027
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Konrad Litschko
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Junge Alternative (AfD)
 (DIR) Schwerpunkt Rassismus
 (DIR) Alternative für Deutschland (AfD)
 (DIR) Verfassungsschutz
 (DIR) Björn Höcke
 (DIR) Doris von Sayn-Wittgenstein
 (DIR) Alternative für Deutschland (AfD)
 (DIR) Alternative für Deutschland (AfD)
 (DIR) Verfassungswidrig
 (DIR) Junge Alternative (AfD)
 (DIR) Solidarität
 (DIR) Alternative für Deutschland (AfD)
 (DIR) Alternative für Deutschland (AfD)
 (DIR) Alternative für Deutschland (AfD)
 (DIR) Junge Alternative (AfD)
 (DIR) Alternative für Deutschland (AfD)
 (DIR) Frank Magnitz
 (DIR) Junge Alternative (AfD)
 (DIR) Alice Weidel
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) AfD wirft Co-Landessprecher raus: Zu viel NPD im Stammbuch
       
       Der AfD-Vorstand in Mecklenburg-Vorpommern entzieht Co-Landessprecher
       Dennis Augustin die Mitgliedschaft. Der Grund sind dessen NPD-Aktivitäten.
       
 (DIR) Kommentar Prüffall AfD: Sieg für den Rechtsstaat
       
       Der Verfassungsschutz darf die AfD nicht als „Prüffall“ bezeichnen. An der
       inhaltlichen Auseinandersetzung mit Höcke und Co. ändert das nichts.
       
 (DIR) Verwaltungsgericht zur AfD: Bezeichnung „Prüffall“ ist nicht okay
       
       Das Kölner Verwaltungsgericht entscheidet: Der Verfassungsschutz darf die
       AfD nicht einen „Prüffall“ nennen. Das ist ein Erfolg für die Partei.
       
 (DIR) Debatte Rechtsruck unter Staatsdienern: Berufsverbote gegen AfD-Beamte?
       
       Seehofer mahnt AfD-Funktionäre zur Verfassungstreue. Das könnte den
       weiteren Weg nach rechts stoppen. Verbote helfen aber nicht.
       
 (DIR) Streit um „Prüffall“-Bezeichnung: AfD verklagt Verfassungsschutz
       
       Die Partei will untersagen lassen, dass die Behörde sie öffentlich
       „Prüffall“ nennen darf. Der Verfassungsschutz kommentiert das Vorgehen
       nicht.
       
 (DIR) Solidarität der Kulturbetriebe: Viele sind nicht alle
       
       Bremer Kunst- und Kulturinstitutionen verbünden sich: Angesichts eines
       übergriffigen Rechtsnationalismus sei Solidarität geboten
       
 (DIR) Partei verklagt den Verfassungsschutz: AfD versucht den Gegenangriff
       
       Die AfD verklagt den Verfassungsschutz, weil dieser die rechtspopulistische
       Partei zum „Prüffall“ erklärt. Dort gibt man sich gelassen.
       
 (DIR) AfD und Verfassungsschutz: Vom Erfolg verführt
       
       Die AfD-Spitze beteuert immer wieder, die Partei stehe fest auf dem Boden
       des Grundgesetzes. Wie ernst meint sie das?
       
 (DIR) Gedenkveranstaltungen in Buchenwald: AfD-Politiker*innen nicht willkommen
       
       In zwei ehemaligen Konzentrationslagern dürfen keine AfD-Abgeordneten zu
       Gedenkveranstaltungen. Sie sollen sich erst von rechtsextremen Positionen
       distanzieren.
       
 (DIR) Mitgliederschwund beim AfD-Nachwuchs: Exodus bei der Jungen Alternative
       
       Der Verfassungsschutz erklärte den Parteinachwuchs zum „Verdachtsfall“.
       Offenbar haben jetzt viele Mitglieder die Organisation verlassen.
       
 (DIR) Polizisten auf AfD-Liste in Thüringen: Gewerkschaft fordert Distanz
       
       Mehrere Polizeibeamte treten zur Thüringen-Wahl für die AfD an. Die
       Polizeigewerkschaften sind darüber vor allem wegen des Höcke-Flügels
       beunruhigt.
       
 (DIR) AfD Bremen konzentriert die Macht: Magnitz über alles
       
       Der Bremer AfD hat ihren Landeschef Frank Magnitz auf Platz 1 der Liste für
       die Bürgerschaftswahl gewählt.
       
 (DIR) Prüfung durch den Verfassungsschutz: In welche Richtung kippt die AfD?
       
       Für den Verfassungsschutz ist die AfD ein Prüffall. Die Partei weiß nicht,
       wie sie mit Rechtsradikalen umgehen soll.
       
 (DIR) Dubiose Parteispenden an die AfD: Aus einem Namen werden 14
       
       Womöglich illegale Spenden aus der Schweiz brachte AfD-Fraktionschefin
       Alice Weidel in Bedrängnis. Nun hat die Partei die Namen von 14 Spendern
       offengelegt.