# taz.de -- Angriff auf Menschen in Hessen: Wieder Schüsse in Hanau
       
       > Ein junger Migrant wird in der hessischen Stadt niedergeschossen, die
       > Staatsanwaltschaft sieht kein rassistisches Motiv – der Vater schon.
       
 (IMG) Bild: Hanau: Hier soll wieder ein rassistischer Täter Menschen bedroht und verletzt haben
       
       BERLIN taz | Nach einem erneuten, womöglich rassistisch motivierten
       Schusswaffenangriff in Hanau gibt es Kritik an den Ermittlungen und
       [1][Hessens Innenminister Peter Beuth (CDU)]. Linken-Fraktionschefin
       Elisabeth Kula nannte es „schockierend“, dass Beuth den Vorfall nicht dem
       Parlament mitgeteilt hatte. Die Linke werde noch in den Sommerferien eine
       Sondersitzung des Innenausschuss beantragen. Auch die SPD kündigte einen
       dringlichen Berichtsantrag an.
       
       Der Fall ereignete sich bereits Ende Juni – die Polizei sprach damals noch
       von „unklaren Tathintergründen“. Am frühen Abend des 20. Juni hatte ein
       59-jähriger Österreicher einen 23-jährigen Deutschkolumbianer mit einer
       Pistole schwer verletzt. Laut Staatsanwaltschaft hatte das Opfer den
       Schützen zuvor zu dessen Aufeinandertreffen mit seiner Freundin und einer
       Bekannten zur Rede gestellt. Der 59-Jährige, ein früherer Kampfsportler,
       wurde nach der Tat festgenommen und sitzt bis heute in U-Haft.
       
       Die Frankfurter Rundschau legte nun offen, dass das Opfer der
       Ex-[2][Betreiber eines Kiosks im Hanauer Stadtteil Kesselstadt] war – in
       dem beim [3][rassistischen Attentat vom 19. Februar 2020] drei Menschen
       erschossen wurden. Das bestätigte nun auch die Staatsanwaltschaft der taz.
       
       Laut FR war der Schütze der Nachbar des Niedergeschossenen. Dieser habe im
       Vorgarten die Freundin des späteren Opfers und deren Bekannte angesprochen.
       Als der 23-Jährige meinte, er solle die Frauen in Ruhe lassen, habe der
       59-Jährige ihn mit der Pistole bedroht, ihm diese erst an den Kopf gehalten
       und dann in den Oberschenkel geschossen.
       
       ## Der Schütze soll schon früher auffällig gewesen sein
       
       Laut FR soll der Schütze schon in der Vergangenheit junge Menschen in Hanau
       bedroht haben. So sei er am 11. Februar 2020 – rund eine Woche vor dem
       damaligen Attentat – an dem späteren ersten Tatort, einer Bar am Hanauer
       Heumarkt, aufgetaucht und soll sich dort islamfeindlich geäußert haben.
       Später soll er zwei jungen Männern bei sich zu Hause eine Axt und Machete
       gezeigt und sie über Stunden regelrecht festgehalten haben. Bei einem
       erneuten Besuch in der Bar soll er dort mit einer Machete gedroht haben.
       Die Fälle sollen auch der Polizei gemeldet worden sein.
       
       Auch in Social-Media-Beiträgen, die der taz vorliegen, äußert sich der
       Festgenommene einschlägig. In einem Beitrag ätzt er über „Asylanten“, die
       „Stütze“ bekämen, „während unsere Omas Flaschen sammeln müssen“. Auf Fotos
       posiert er mit Schusswaffen.
       
       Der niedergeschossene 23-Jährige äußert sich zu dem Fall derzeit nicht.
       Er war beim Attentat von 2020 nicht in seinem Kiosk und hatte diesen wenige
       Monate danach aufgegeben. Die FR zitiert seinen Vater, der ein
       rassistisches Tatmotiv bei den Schüssen vom Juni vermutet. Sein Sohn und
       der spätere Schütze hätten sonst vorher nie miteinander zu tun gehabt.
       
       Ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Hanau sagte der taz, es werde in dem
       Fall „in alle Richtungen“ ermittelt. Bisher hätten sich aber keine Hinweise
       auf ein rassistisches Tatmotiv ergeben. Zu Details könne man „aus
       ermittlungstaktischen Gründen“ keine Auskunft geben. Ermittelt werde wegen
       versuchten Totschlags, gefährlicher Körperverletzung und Verstoß gegen das
       Waffengesetz.
       
       ## Deutliche Kritik von SPD und Linken
       
       Linken-Fraktionschefin Kula übt deutliche Kritik. Dass in Hanau erneut ein
       Mensch aus mutmaßlich rassistischen Motiv niedergeschossen wurde, sei
       „schockierend“. Ebenso, dass die Abgeordneten daraus aus der Zeitung
       erfahren mussten. „Innenminister Beuth ist erneut seine
       Mitteilungspflichten nicht nachgekommen.“ Ein „verantwortungsloser Umgang“
       mit rechtsextremer Gefahren sei „seit Jahren traurige Realität in Hessen“.
       Die Sondersitzung des Innenausschuss müsse nun etwa klären, warum die
       Staatsanwaltschaft kein rassistisches Motiv sehe.
       
       Auch die SPD-Innenexpertin Heike Hofmann erklärte, der Vorfall schockiere
       sie. Dass die früheren Auffälligkeiten des Tatverdächtigen zu keinen
       Konsequenzen führten, werfe Fragen auf. Es müsse dringend geklärt werden,
       seit wann den Sicherheitsbehörden der Täter bekannt sei. „Es kann nicht
       sein, dass sich die Landesregierung ob der Vorgänge in Schweigen hüllt.“
       
       Auch Newroz Duman von der Initiative 19. Februar, in der sich Betroffene
       und Unterstützer*innen des Anschlags engagieren, beklagte gegenüber
       der taz, „dass schon wieder rassistische Bedrohungen und Warnungen von
       Betroffenen von der Polizei nicht ernstgenommen wurden“. Dies kenne man
       bereits aus den Vorgängen rund um den Anschlag von 2020.
       
       24 Aug 2023
       
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