# taz.de -- Apple schmeißt Epic aus Appstore: Kampf um Netzmacht
       
       > Der Konflikt mit dem „Fortnite“-Entwickler eskaliert, weil der sich nicht
       > Apple unterwerfen will. In dem Streit geht es aber nicht nur ums
       > Geschäft.
       
 (IMG) Bild: Epic gegen Apple: ein Angestellter des Spieleherstellers auf dem Fortnite-Festival in New York
       
       Tim Sweeney ist ein Mann mit Prinzipien. Vor allem, [1][wenn es um das
       offene Netz und gegen die Monopole der großen Digitalplattformen geht], was
       ihn innerhalb weniger Tage zu einer Art Robin Hood gegen die Konzernmacht
       von Apple werden ließ. Denn Anfang der Woche ist ein bereits schwelender
       Konflikt zwischen den Parteien derart eskaliert, dass Sweeneys Firma Epic
       Games [2][der Zugang zum Appstore des iPhones komplett versperrt] werden
       soll.
       
       Anders als die bisweilen recht schillernden Chefs der großen
       Digitalkonzerne lebt Sweeney weitestgehend zurückgezogen. Wie es das
       Klischee der Silicon-Valley-Gründer so will, gründete er seine Spielefirma
       Epic Games Anfang der 1990er in der elterlichen Garage. Sein erstes selbst
       verdientes Geld gab er nach eigenen Angaben für Sportwagen aus.
       [3][Inzwischen kauft er lieber Forstland, um es Naturschutzstiftungen zu
       spenden].
       
       Die Entwicklung der Unreal-Engine, die von Programmierer*innen zur
       Konstruktion von Spielewelten genutzt werden kann, machte Sweeney zu einem
       großen Namen in der Spieleszene. Welterfolge wie „Deus Ex“, „Bioshock“ und
       „Mass Effect“ wurden auf Unreal programmiert, vor allem aber „Fortnite“,
       eine Eigenentwicklung von Epic. Mehrere hundert Millionen Menschen spielen
       „Fortnite“, das auch als kostenlose App verfügbar ist.
       
       Einnahmen werden vor allem durch das Angebot von Ausrüstungszukäufen im
       Spiel generiert. So wurde der bis dahin bereits gut situierte
       Spieleentwickler Sweeney in den vergangenen zwei Jahren zum Milliardär. Die
       gewaltigen mit „Fortnite“ eingefahrenen Gewinne legt Epic derweil auf
       andere Spieleentwickler um. Die Unreal-Engine kann seit einiger Zeit
       kostenlos genutzt werden. Gewinnbeteiligungen werden erst fällig, wenn die
       darauf programmierte Software selber Millionenumsätze macht.
       
       ## Ein knappes Drittel für Apple
       
       Den Profit aus „Fortnite“ muss Epic jedoch teilen. Die Plattformen, auf
       denen Spiele genutzt werden, verlangen von den Anbietern einen Anteil aus
       den Verkäufen, im Appstore des iPhones drastische 30 Prozent. Garantiert
       wird dieser goldene Schnitt dadurch, dass die gesamte Zahlungsabwicklung
       beim Plattformanbieter liegt, in diesem Falle Apple. Epic und Sweeney
       hatten davon offensichtlich genug, als sie in der vergangenen Woche in der
       iPhone-App von „Fortnite“ einen Bezahlmodus unter Umgehung des Appstores
       integrierten und diesen der Kundschaft mit einem 20-Prozent-Rabatt auf alle
       Einkäufe schmackhaft machten. Die Begeisterung der Spieler*innen über
       dieses Angebot wurde von Apple, wenig überraschend, nicht geteilt.
       
       Erst Ende Juli [4][fand sich Apple-Chef Tim Cook zusammen mit den CEOs von
       Facebook, Google und Amazon in einer Videoanhörung des US-Kongresses]
       wieder. Dort strengt ein Ausschuss ein Verfahren wegen
       Wettbewerbsverzerrung und unlauterer Monopolbildung an. Über mehrere
       Stunden hinweg versuchten vier der mächtigsten Unternehmer der Welt, die
       Abgeordneten davon zu überzeugen, dass sie in ihren jeweiligen
       Geschäftsfeldern keine marktbeherrschende Stellung hätten und kein Stein im
       Weg von Wettbewerb und Innovation seien. Cook zum Beispiel wies jeden
       Vorwurf unlauteren Geschäftsgebarens im Appstore weit von sich.
       
       Insofern hätte man vielleicht erwarten können, dass man bei Apple den
       Vorstoß von Epic zwar zähneknirschend zur Kenntnis nehmen, aber angesichts
       des Monopolverfahrens in einer gütlichen Einigung beizulegen versuchen
       würde. Die Reaktion am vergangenen Donnerstag war jedoch weitaus
       ungnädiger, „Fortnite“ wurde [5][umgehend aus dem Appstore entfernt].
       
       Nun scheint es Tim Sweeney aber auch gar nicht um einen günstigeren Deal
       mit Apple zu gehen, sondern um das Geschäftsprinzip des Konzerns. Denn nur
       wenige Stunden später [6][reichte Epic eine offensichtlich schon länger
       vorbereitete Klage gegen Apple ein]. Die Vorwürfe darin zielen genau auf
       die gerade öffentlich diskutierten Kartell- und Monopolbildungsfragen ab.
       Epic hatte Apple eine Falle gestellt – und der Weltkonzern war sehenden
       Auges hineingestolpert. Die Falle ist potenziell derart gefährlich für
       Digitalmonopolisten, dass Netzaktivist und Schriftsteller Cory Doctorow,
       einer der wichtigsten Evangelisten des freien Netzes und der Souveränität
       der Nutzer*innen, [7][den Konflikt bereits als „gerechten Krieg“
       apostrophiert].
       
       Und tatsächlich betont [8][Tim Sweeney in einer sorgsam choreografierten
       PR-Offensive], inklusive [9][Trailer-Video], dass es ihm lediglich darum
       gehe, dass Nutzer*innen frei entscheiden können, wie sie die von ihnen
       gekauften Geräte nutzen wollen. Von dem Milliardenprofit, der Epic mit
       einem Erfolg vor Gericht winken würde einmal abgesehen, stellt sich
       tatsächlich die dringliche Frage, ob es einen legalen Hebel gibt, die
       uneingeschränkte Macht der Digitalplattformen zu brechen. Deren Aufstieg
       ist schließlich geprägt durch ein überraschend ambivalentes Verhältnis zum
       Internet selbst. Dessen ursprüngliche anarchische Durchlässigkeit war
       einerseits zwingende Vorbedingung für die Verbreitung der Technologien, mit
       denen Facebook, Amazon, Google und Apple operieren.
       
       Über die Jahre jedoch tendierten die Konzerne dazu, das Netz zu
       fragmentieren, seine Durchlässigkeit in ihren jeweiligen Geschäftsfeldern
       zu beschränken. Von quasi monopolistischen Anbietern [10][wurden sie so zu
       Trägern des Marktes selber], die sowohl die Angebots- als auch die
       Nachfrageseite zu ihren Gunsten manipulieren können.
       
       ## Kollateralnutzen in Aussicht
       
       Für die Nutzer*innen kann das durchaus von Vorteil sein. Schließlich sind
       die angebotenen Dienste für uns alle kostenlos, wenn auch im Tausch gegen
       unsere Daten zur Verwertung für die Werbewirtschaft. Zu Verteidigung des
       besonders hart eingegrenzten Apple-Universums wird außerdem gerne
       vorgebracht, dass es besonders sicher und vertrauenswürdig sei. Und genau
       [11][diese Sicherheit und dieses Vertrauen werde als Vermittlungsleistung
       zwischen Entwickler*innen und Nutzer*innen im Appstore zum allseitigem
       Vorteil eingesetzt]. 30 Prozent seien nicht unbedingt zu viel dafür
       verlangt, dass auch völlig neue Programme ihren Weg zum Publikum finden
       können, ohne einen eigenen Vertriebskanal aufbauen zu müssen. Eine
       Argumentation, die natürlich nicht greift für einen Spielentwickler mit
       Milliardenumsatz und einem geschäftlichen Interesse an direktem Zugriff auf
       die Nutzer*innen und deren Daten.
       
       Aber auch für die Nutzer*innen selber sollte das Konzept des „walled
       garden“, also des schön ordentlichen und gepflegten, aber strikt
       eingemauerten digitalen Gartens, Grund für Misstrauen sein. Geben sie doch
       bereits mit dem Erwerb von Geräten und Software die Kontrolle über diese
       gleich komplett wieder ab. Es ist ein bisschen so, als würde man einen
       Hammer kaufen, den qua Nutzungsbedingungen aber ausschließlich mit der
       rechten Hand benutzen und am besten nach Verwendung nicht weiter verkaufen
       dürfen.
       
       Egal ob Tim Sweeney nun die Rolle als prinzipientreuer Robin Hood wirklich
       ausfüllen kann: In der Situation unermesslicher Marktmacht einiger
       Superkonzerne kann seine Attacke tatsächlich einigen Kollateralnutzen
       haben. Zunächst würde eine erzwungene Öffnung der Plattformen die
       Interoperabilität erhöhen. Dass heißt, dass die Versuche, die Verwendung
       bestimmter Software auf jeweils eine Plattform zu beschränken, beendet
       werden müssten.
       
       Das wäre nicht nur für die Anbieter von Cloudanwendungen, deren dezentrale,
       plattformübergreifende Nutzung ja gerade ihr besonderes Plus sind, eine
       gute Nachricht, sondern auch für deren Nutzer*innen. Noch nicht etablierte
       Entwickler*innen von Apps müssten nicht von Anfang an 30 Prozent ihrer
       potenziellen Einnahmen abschreiben und könnten gegebenenfalls einen Teil
       der Ersparnis an die Kundschaft weitergeben. Epic machte das mit dem Rabatt
       in seiner „Fortnite“-Provokation exemplarisch und propagandistisch
       geschickt vor.
       
       Außerdem wären bei leichtem Zugang zu Alternativen arrivierte Konzerne wie
       Apple gezwungen, ihre eigenen Angebote kundenfreundlicher
       weiterzuentwickeln, um neue Anreize für deren Nutzung zu schaffen. Und
       nicht zuletzt hätten die User*innen tatsächlich ein Stückchen Souveränität
       im Umgang mit ihren eigenen Geräten gewonnen.
       
       Wie das Verfahren zwischen Apple und Epic ausgeht, ist völlig offen. Beide
       Seiten zeigen sich absolut unversöhnlich. Die komplette Sperrung des
       Appstore-Zugangs für Epic zum 28. August treibt den Preis der
       Auseinandersetzung noch einmal in die Höhe. Kartellverfahren und Prozeduren
       des US-Kongresse brauchen ihre Zeit. Immerhin gibt es jetzt aber einen
       klagefähigen Geschädigten. Und der erweckt gerade den Eindruck, das bis zum
       bitteren Ende durchfechten zu wollen. Hunderte Millionen Spieler*innen und
       Milliarden Nutzer*innen digitaler Plattformen dürfen auf den Ausgang
       gespannt sein.
       
       18 Aug 2020
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://venturebeat.com/2017/05/15/epic-games-tim-sweeney-fears-the-metaverse-will-be-a-proprietary-technology/
 (DIR) [2] https://twitter.com/EpicNewsroom/status/1295430127455596544?ref_src=twsrc%5Etfw%7Ctwcamp%5Etweetembed%7Ctwterm%5E1295430127455596544%7Ctwgr%5E&ref_url=https%3A%2F%2Ft3n.de%2Fnews%2Fmachtdemonstration-apple-holt-1312457%2F
 (DIR) [3] https://www.bizjournals.com/triad/news/2017/03/07/epic-games-ceo-buys-193-acres-in-triad-for.html
 (DIR) [4] /Tech-Unternehmen-im-US-Kongress/!5704893
 (DIR) [5] https://www.theverge.com/2020/8/13/21366438/apple-fortnite-ios-app-store-violations-epic-payments
 (DIR) [6] https://www.ign.com/articles/apple-removes-fortnite-from-ios-app-store
 (DIR) [7] https://slate.com/technology/2020/08/epic-fortnite-apple-app-store-lawsuit-dmca.html?via=section_features
 (DIR) [8] https://twitter.com/TimSweeneyEpic/status/1294704882121932800
 (DIR) [9] https://www.youtube.com/watch?v=euiSHuaw6Q4
 (DIR) [10] /Buch-ueber-digitalen-Kapitalismus/!5682942
 (DIR) [11] https://stratechery.com/2020/apple-epic-and-the-app-store/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Daniél Kretschmar
       
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