# taz.de -- Asylstreit zwischen Dublin und London: Zurück ins sichere Britannien
       
       > Seit dem britischen Ruanda-Plan suchen immer mehr Asylbewerber Zuflucht
       > in Irland. Die irische Regierung will das ändern – und legt sich mit
       > London an.
       
 (IMG) Bild: Wegen Großbritanniens Ruanda-Plan: Immer mehr Menschen beantragen Asyl in Irland
       
       Der Plan, [1][Asylbewerber nach Ruanda zu schicken], trage Früchte,
       frohlockte der britische Premierminister Rishi Sunak. Tausende haben das
       Land bereits verlassen – und zwar nach Irland via Nordirland über die
       inner-irische Landgrenze.
       
       Die Regierung in Dublin will dem nun einen Riegel vorschieben. Sie hat am
       Dienstag ein Notstandsgesetz verabschiedet, wonach das Vereinigte
       Königreich als „sicheres Land“ eingestuft wird, damit die Asylbewerber
       zurückgeschickt werden können. Sunak hat wiederum erklärt, er werde sie
       nicht aufnehmen.
       
       Er sei „nicht an einem Abkommen mit Dublin interessiert“, sagte er in einem
       Interview mit ITV: „Wir werden keine Rückführungen aus der Europäischen
       Union über Irland akzeptieren, [2][wenn die EU keine Rückführungen nach
       Frankreich akzeptiert], woher die [3][illegalen Migranten] kommen.
       Natürlich werden wir das nicht tun.“
       
       Der britische Innenminister James Cleverly hatte ein Treffen mit Irlands
       Justizministerin Helen McEntee abgesagt, sie hat im Gegenzug ihre geplante
       Reise zu Gesprächen nach London storniert.
       
       Nordirland-Minister Chris Heaton-Harris und der irische stellvertretende
       Premier Micheál Martin versuchten, den Streit bei einem Treffen in London
       am Montag herunterzuspielen. „Wir werden all dies natürlich sehr genau
       verfolgen und weiterhin mit der irischen Regierung in diesen
       Angelegenheiten zusammenarbeiten“, sagte Heaton-Harris und fügte hinzu,
       dass „wir auf keinen Fall unsere Beziehungen zu Irland stören wollen“.
       
       ## Irland bemerkt Veränderungen im Migrationsmuster
       
       Der Oberste Gerichtshof in Dublin hatte im März die Rückführung von
       Asylbewerbern aus dem Vereinigten Königreich blockiert. Grund waren
       Bedenken gegen den Plan der britischen Regierung, Asylbewerber nach Ruanda
       zu schicken. Mit dem Notstandsgesetz ist das Urteil des Gerichts hinfällig.
       
       Justizministerin McEntee hat vorige Woche erklärt, mehr als 80 Prozent der
       Menschen, die in Irland Asyl beantragen, kämen aus dem Vereinigten
       Königreich über Nordirland. Martin schränkte das am Dienstag etwas ein. „Es
       handelt sich nicht um eine Statistik, eine Datenbank oder eine
       Evidenzbasis“, sagte er. „Es hat aber eine Veränderung im Migrationsmuster
       gegeben.“
       
       Die Zahlen belegen das. In den ersten drei Monaten dieses Jahres haben
       4.715 Menschen direkt beim International Protection Office in Dublin Asyl
       beantragt, verglichen mit 420 Personen, die an Flughäfen oder Seehäfen
       einen Antrag gestellt haben. Vor fünf Jahren lag das Verhältnis noch bei
       1:1, voriges Jahr bei 4:1 und nun bei 10:1. Da es keine Grenzkontrollen
       zwischen Nordirland und Irland gibt, weil eine offene Grenze Priorität bei
       den Brexit-Verhandlungen hatte, sind die Zahlen jedoch Schätzungen.
       
       ## Streit zwischen Dublin und London verschärft sich
       
       Die Dubliner Regierung sagt, dass der erhebliche Rückgang der Zahl der
       Antragsteller an den Flughäfen auf den Erfolg von Maßnahmen wie der
       strengeren Durchsetzung der Haftungsverpflichtungen der Fluggesellschaften
       sowie der beschleunigten Bearbeitung von Anträgen aus sicheren Ländern
       zurückzuführen sei. So ist die Zahl der Antragsteller aus Georgien
       beispielsweise deutlich zurückgegangen.
       
       Der diplomatische Streit zwischen [4][Dublin] und London wird durch das
       Notstandsgesetz verschärft. Sowohl Sunak, als auch Cleverly sind der
       Meinung, dass die Angelegenheit Irlands Problem sei. Schließlich habe die
       Dubliner Regierung bei den Brexit-Verhandlungen auf einer offenen Grenze
       bestanden. Großbritannien sei deshalb nicht verpflichtet, Asylbewerber
       zurückzunehmen.
       
       [5][Irlands Regierungschef Simon Harris] sagte hingegen, dass die
       Notstandsgesetzgebung lediglich einer Vereinbarung Rechtskraft verleihe,
       die ohnehin mit dem Vereinigten Königreich seit 2020 bestehe: „Wir schaffen
       lediglich rechtliche Klarheit in Bezug auf diese Vereinbarung, was uns
       erlaubt, das Vereinigte Königreich als sicheres Land einzustufen.“
       
       30 Apr 2024
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ralf Sotscheck
       
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