# taz.de -- Berliner Bibliotheken: Zweites Wohnzimmer gesucht
       
       > Berlin braucht einen neuen Ort für seine Zentral- und Landesbibliothek.
       > Kultursenator Joe Chialo (CDU) macht einen schönen Vorschlag. Endlich!
       
 (IMG) Bild: Schmökern statt shoppen, das wär's
       
       Berlins neuer Kultursenator Joe Chialo (CDU) hatte Anfang der Woche eine
       becircende Idee. Genug diskutiert über einen Neubau für Berlins Zentral-
       und Landesbibliothek, wird er sich gedacht haben. Warum nicht Schwung in
       die eingefahrene Chose bringen und einen Ort wie die Galeries Lafayette,
       die vielleicht ohnehin bald ausziehen wird, für die Umnutzung klarmachen?
       
       [1][Die Zeit der großen Kaufhäuser ist vorbei], das pfeifen inzwischen
       nicht nur die Spatzen von Berlins Dächern. Und ganz nebenbei hätte man auch
       noch das Problem mit dieser so [2][trostlosen wie bemitleidenswerten
       Friedrichstraße] gelöst, die zuletzt nur noch als Kampfzone der großen
       Politik in Sachen Verkehrswende taugte.
       
       Es ist schade, dass [3][der Vorschlag Chialos] schon Ende der Woche nur
       noch als sympathisches, aber nicht zu realisierendes Luftschloss dasteht.
       590 Millionen Euro würde der Kauf kosten, wird spekuliert, dann kämen noch
       die Kosten für den Umbau drauf. Damit würde das Projekt vermutlich doch
       teurer als der anvisierte Neubau für die ZLB an der
       Amerika-Gedenkbibliothek, die aus allen Nähten platzt – vorausgesetzt
       natürlich, die Baukosten entwickeln sich bis zur mutmaßlichen
       Fertigstellung 2035 nicht so weiter wie im Moment.
       
       Aus Kostengründen war dieser Neubau jedenfalls nicht einmal mehr im
       Koalitionsvertrag der neuen Regierung aufgetaucht. Selbst Parteikollegen
       Chialos wie Finanzsenator Stefan Evers geben deshalb in puncto ZLB in den
       Galeries Lafayette zu Protokoll, für so etwas sei kein Geld vorgesehen. Und
       schließlich die Meldung, die dem Ganzen endgültig den Stecker zu ziehen
       scheint: Ist es überhaupt sicher, dass die Galeries Lafayette sich aus
       Berlin zurückziehen und damit das Quartier 207 an der Friedrichstraße
       räumen will?
       
       ## Die grundsätzlichen Fragen werden nicht gestellt
       
       Kann ja sein, dass der Vorschlag Chialos noch besser durchdacht,
       vorbereitet und parlamentarisch abgestimmt hätte sein können. Laut Chialos
       Pressestelle ist aber der Eigentümer des Quartiers 207, das amerikanische
       Unternehmen Tishman Speyer, auf die Kulturverwaltung zugekommen und nicht
       umgekehrt. Es hat Gespräche zur Flächenberechnung und Statik des Gebäudes
       gegeben, in die auch die ZLB eingebunden war.
       
       Das bestätigt auch Tishman Speyer. Warum also dreht in dieser Stadt niemand
       den Spieß um und stellt endlich mal die grundsätzlichen Fragen, die so auf
       der Hand liegen? Inzwischen gibt es in vielen Städten Europas
       Vorzeigebibliotheken, die nicht billig waren, aber von der
       Stadtgesellschaft sofort als zweite Wohnzimmer und Labore des
       gesellschaftlichen Zusammenhalts angenommen wurden.
       
       ## Alles kostenlos
       
       [4][In Bibliotheken dieses Zuschnitts machen Kinder ihre Hausaufgaben],
       Teenager lernen, wie man Fakten von Fake unterscheidet, junge Erwachsene
       planen ihre nächsten Demos, Migrant*innen lernen ihre Deutschvokabeln,
       unterschiedlichste Gesellschaftsschichten bleiben miteinander im Gespräch.
       Und das alles kostenlos.
       
       Was könnte besser sein in einer Stadt, wo die Mieten immer teurer werden
       und sich die Leute immer weniger zuhause verabreden können? Das
       Bildungsniveau der Berliner Schüler*innen, auch das war jetzt wieder Thema,
       sinkt weiter. Es gibt kaum zündende Ideen, wie dem Lehrer*innenmangel
       begegnet werden könnte. Überall fehlen Fachkräfte, laut IHK könnten dem
       Berliner Arbeitsmarkt 2035 weit über 400.000 weniger zur Verfügung stehen
       als heute. Berlin braucht eine große, zentral gelegene Bibliothek.
       
       Die Zentral- und Landesbibliothek ist nicht nur die bestbesuchte
       Kultureinrichtung Berlins, sondern auch eine der wichtigsten
       Bildungsinstitutionen. Und das muss auch die Wirtschaft interessieren.
       Warum kann die Politik nicht ein einziges Mal an einem Strang ziehen und
       wirklich ressortübergreifend etwas tun für diese Stadt?
       
       2 Sep 2023
       
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