# taz.de -- Bewegungstermine in Berlin: Wie man sich von der Angst befreit
       
       > Im Angesicht der Gesamtscheiße lässt sich leicht die Hoffnung verlieren.
       > Damit das nicht passiert, ist es wichtig, aktiv zu bleiben. Einige
       > Termine.
       
 (IMG) Bild: Trotz der rechten Landgewinne: Antifa bleibt notwendig
       
       Manchmal fällt es schwer, nicht die Hoffnung zu verlieren. Ein Fünftel der
       deutschen Bevölkerung ist kaum eine Lebensspanne nach der Befreiung von
       Ausschwitz wieder bereit, eine zu breiten Teilen faschistische Partei zu
       wählen. Der Kampf der Klimabewegung scheint in einer Sackgasse, seit sich
       die bürgerliche Politik auf eine Taktik der Repression eingeschossen hat.
       Und gegen die Kriege, die überall auszubrechen scheinen, sind Linke erst
       Recht machtlos.
       
       Dieses Gefühl der Machtlosigkeit, des Überrannt-Worden-Seins, kann eine:n
       fertig machen. Dann nehmen wir die über uns hereinprasselnden Nachrichten
       nur noch passiv entgegen, sind von der Angst so eingenommen, dass wir
       erstarren. Laut [1][Wikipedia] stellt sich eine Angststarre in einer
       Gefahrensituation ein, wenn der Körper vor der Entscheidung „Kampf oder
       Flucht“ steht – doch nichts von beidem möglich scheint. Erstarrt warten wir
       dann, dass die Gefahr einfach vorüber zieht.
       
       Womöglich ist dieses Gefühl ein Grund für die derzeit erlebte
       Mobilisierungsflaute, mit der linke Initiativen zu kämpfen haben. Dass am
       Tag der Deutschen Einheit Tausende auf einer rechtsradikalen Demo [2][ohne
       großen Widerstand von links] laufen konnten, steht paradigmatisch dafür.
       
       ## Das Steinzeithirn ist ein Defätist
       
       Doch es lohnt, sich in Erinnerung zu rufen, dass [3][unser Steinzeithirn]
       uns nicht immer angemessen auf Situationen reagieren lässt. Erstarren und
       Hoffen, dass die Gefahr vorüberzieht, macht die faschistische Bedrohung nur
       zu einer selbsterfüllenden Prophezeihung. Passivität im Angesicht der
       Gesamtscheiße ist ein Symptom von Verdrängung; es ist der verzweifelte
       Versuch, die übermächtig erscheinenden Gefahren zu ignorieren.
       
       Die eigenen Ängste zu konfrontieren bedeutet dagegen, aktiv zu werden –
       gemeinsam mit anderen Menschen. Solidarität, sich zusammen der Bedrohung
       der gesellschaftlichen Verrohung zu stellen, wird so zu einer
       transformativen Praxis. Sie besitzt die magisch anmutende Eigenschaft, neue
       Gelegenheitsfenster der Veränderung und des Widerstands zu öffnen. Was also
       tun in konterrevolutionären Zeiten? Vor allem eines: Nicht in Passivität
       verfallen.
       
       Ein guter Ratschlag kann es sein, zunächst zu versuchen, die Misere zu
       verstehen, in der man sich befindet. Viele Gelegenheiten dafür gibt es bei
       den kommenden zwei kritischen Einführungswochen an den Berliner Unis (Hier
       geht's zum Programm [4][an der FU], [5][an der HU], [6][an der TU] und der
       [7][Alice-Salomon-Hochschule]). Am Donnerstag (12. 10., Café Galile@,
       Otto-von-Simson-Straße 26, 12 Uhr) spricht etwa der [8][Berlin Busters
       Social Club] über [9][die politische Strategie des Adbustings]. Am Freitag
       (13. 11., [10][Hedwig-Dohm-Haus], 16 Uhr) informiert die Initiative
       [11][Ihr Seid Keine Sicherheit] über das Thema [12][Abolitionismus und
       Polizeikritik].
       
       ## Patriarchale Gewalt bekämpfen
       
       Was ebenfalls hilft, der eigenen Ohnmacht zu begegnen: Das Bewusstsein,
       dass diesen Kampf viele Menschen weltweit teilen. Über 500 Jahre nach der
       „Entdeckung“ der Amerikas durch Kolumbus am 12. Oktober 1492 sagen uns die
       Zapatistas: “Wir werden nicht aufgeben. Unsere Körper und unsere
       Territorien sind weder gestern noch heute Gebiete der Eroberung.“ Während
       in vielen Ländern der 12. Oktober weiterhin gefeiert wird, hat der
       [13][Nationale Indigene Kongresses von Mexiko (CNI)] den Tag zu einem
       Aktionstag gegen Neokolonialismus erklärt. [14][Unter dem Motto „Es gibt
       nichts zu feiern!“] soll es dezentrale Aktionen und eine Demo geben
       (Donnerstag, 12. 10., Auswärtiges Amt, 16 Uhr).
       
       Solidarität, das ist auch eine Praxis, die in der eigenen Nachbarschaft
       beginnt. Das Bündnis „Zwangsräumung verhindern“ ruft zum Widerstand gegen
       die Räumung eines 69-jährigen Mannes auf, der im Aufruf Reinhard genannt
       wird. Er lebe seit 1979 in seiner Wohnung, die nun in Eigentum umgewandelt
       und dann verscherbelt werden soll, heißt es da. Zum Glück haben Berliner
       Mieter:innen einiges an Erfahrung, wie mit Zwangsräumungen umzugehen
       ist. Ab 9 Uhr – eine Stunde vor der angesetzten Räumung – findet am Freitag
       (13. 10.) [15][in der Manteuffelstr. 63 eine Kundgebung statt].
       
       Doch wie soll der Kampf für eine bessere Welt gelingen, wenn Menschen – vor
       allem Flinta* – selbst die linken Rückzugsorten nicht vor sexueller und
       patriarchaler Gewalt sicher sind? Den Tätern in der linken Szene wollen
       Menschen vor allem aus dem Umfeld des [16][Ask_Gerda Kollektivs] eine
       solidarische Praxis entgegensetzen und veranstalten deshalb den zweitägigen
       [17][Antisexistischen Kongress für Supportarbeit bei patriarchaler Gewalt].
       Das Ziel: Sensibilisierung, wie Betroffene in linken Strukturen unterstützt
       werden können. (Samstag und Sonntag, 14. und 15. 10., ab 10 Uhr, Schule für
       Erwachsenenbildung, Gneisenauerstraße 2a)
       
       ## Solidarität ist auch ein kaltes Getränk
       
       Am Samstag (14. 10., 14 Uhr, S+U Bahnhof Pankow) ruft die
       Antifa-Jugendgruppe [18][La Rage – Berlin Ost] unter dem Motto [19][„Kein
       Kiez für Nazis! Rechte Gewalt stoppen! Weg mit dem Dritten Weg!“] zu einer
       Demo in Pankow auf, um sich den Neonazis des 3. Wegs dort in den Weg zu
       stellen. Aus dem Umfeld der Neonazis sei zuletzt der Christopher Street Day
       attackiert und mehrfach Jugendliche eingeschüchtert und angegriffen worden.
       Zudem würde der 3. Weg versuchen, sich in den Sportvereinen, Kneipen und
       Schulen des Bezirks zu verankern. Dem gilt es sich entgegenzustellen!
       
       Füreinander da zu sein, das bedeutet aber auch schlicht, sich aufzufangen,
       wenn eine:r in der Klemme steckt. Am Samstagabend (14. 10., 19 Uhr) darf
       sich im Zielona Góra (Grünberger Straße 73) mit Soli-Cocktails betrunken
       werden, [20][um einer Genossin aus der Patsche zu helfen, die sich leider
       beim Sprayern erwischen lies]. Es soll auch was für den Magen und eine
       Tombula mit Preisen für den alltäglichen antifaschistischen Gebrauch geben.
       In diesem Sinne gilt: „Solidarität ist eine Waffe oder auch mal ein kaltes
       Getränk! „
       
       10 Oct 2023
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://de.wikipedia.org/wiki/Angststarre
 (DIR) [2] /Kampf-gegen-Rechts/!5964892
 (DIR) [3] /Menschliches-Gehirn-in-der-Klimakrise/!5963220
 (DIR) [4] https://korfu-berlin.org/korfu-2023/
 (DIR) [5] https://kritowo.noblogs.org/programm/
 (DIR) [6] https://kriwo.astatu.berlin/events/
 (DIR) [7] https://asta-ash.eu/2022/09/18/die-kritische-orientierungswochen-wise22-23-sind-on/
 (DIR) [8] https://bbsc.blackblogs.org/
 (DIR) [9] https://korfu-berlin.org/timetable/event/mega-unerhoert-adbusting-mit-polizei-und-militaer/
 (DIR) [10] https://kritowo.noblogs.org/events/venues/hedwig-dohm-haus/
 (DIR) [11] https://www.ihrseidkeinesicherheit.org/
 (DIR) [12] https://korfu-berlin.org/timetable/event/abolitionismus-beyond-polizeikritik/
 (DIR) [13] /Protest-gegen-Grossprojekte-in-Mexiko/!5932404
 (DIR) [14] https://asanb.noblogs.org/?event=globaler-aktionstag-gegen-neokolonialismus
 (DIR) [15] https://zwangsraeumungverhindern.nostate.net/2023/09/30/fr-13-10-2023-zwangsraeumung-von-reinhard-verhindern/
 (DIR) [16] https://askgerda.home.blog/
 (DIR) [17] https://antiseko.wordpress.com/programm/
 (DIR) [18] https://www.instagram.com/larage_berlinost/
 (DIR) [19] https://www.instagram.com/p/CxtGdFps7Gz/
 (DIR) [20] https://asanb.noblogs.org/?event=soliparty-zahlen-nach-malen
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Timm Kühn
       
       ## TAGS
       
 (DIR) taz Plan
 (DIR) Kolumne Bewegung
 (DIR) Neokolonialismus
 (DIR) Antifaschismus
 (DIR) Zwangsräumung
 (DIR) Soziale Bewegungen
 (DIR) Adbusting
 (DIR) Graffiti
 (DIR) Wochenkommentar
 (DIR) taz Plan
 (DIR) Soziale Bewegungen
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Kampf gegen Rechts: Mehr Unteilbar wagen
       
       Rechte demonstrieren fast unwidersprochen in Berlin, der Bundespräsident
       haut rechte Talking-Points raus. Es ist an der Zeit für neue Bündnisse.
       
 (DIR) Bewegungstermine in Berlin: Den Widerstand hochleben lassen
       
       Trotz aller Zermürbungen durch Staat und Kapital halten einige Hausprojekte
       die Stellung. Das kann auch einfach mal gefeiert werden.
       
 (DIR) Soziale Bewegungen in Berlin: Lahmer Protest
       
       Anlässe für Demonstrationen hätte es zuletzt genug gegeben, aber auf den
       Straßen tut sich wenig bis nichts. Woran liegt das?