# taz.de -- Bremer Bandenchef abgeschoben: Bande verliert Kopf
       
       > Ein Banden-Chef aus Bremen ist in den Libanon abgeschoben worden – obwohl
       > er als staatenlos gilt. Offenbar gab es Verhandlungen mit Beirut.
       
 (IMG) Bild: Grüßt Zuschauer im Gerichtssaal: Ibrahim M.
       
       BREMEN taz | Einen „spektakulären Erfolg“ nannte Bundesinnenminister Horst
       Seehofer (CSU) die Abschiebung von Ibrahim M. in der vergangenen Woche. In
       einer gemeinsamen Aktion der Bremer und Berliner Innenbehörden sowie der
       Bundespolizei war der 46-Jährige in seiner Wohnung in Bremen festgenommen,
       per Hubschrauber nach Berlin-Schönefeld geflogen und in ein Charterflugzeug
       nach Beirut gesetzt worden.
       
       M. gilt als einer der führenden Köpfe einer kriminellen Bande, die mit
       mafia-ähnlichen Strukturen seit vielen Jahren polizeibekannt ist. Er war
       außerdem Chef des inzwischen verbotenen Rockerclubs Mongols MC. 2014 wurde
       M. wegen bandenmäßigen Drogenhandels zu sechs Jahren Haft verurteilt, aus
       der er Anfang des Jahres entlassen wurde.
       
       Im Alter von 13 Jahren kam M. aus dem Libanon nach Deutschland –
       libanesischer Staatsbürger ist er aber nicht. M. gilt als staatenlos. Er
       gehört zur arabischsprechenden Volksgruppe der Mhallamiye, von denen ein
       großer Teil in den 20er- und 40er-Jahren aus der Türkei in den Libanon
       emigriert ist.
       
       Während sich manche dort haben einbürgern lassen, ist, so wie bei M., die
       Staatsangehörigkeit der meisten nicht geklärt. Nach dem Ausbruch des
       Bürgerkrieges im Jahr 1976 flohen viele Mhallamiye aus dem Libanon – in
       Deutschland angesiedelt haben sie sich vor allem in Essen, Berlin und
       Bremen.
       
       ## Jahrzehntelange Duldung
       
       Jene mit ungeklärter Staatsangehörigkeit werden in Deutschland lediglich
       geduldet – und das teilweise schon seit Jahrzehnten. Das betrifft auch ihre
       in Deutschland geborenen Kinder. Sie müssen dort leben, wo die für sie
       zuständige Ausländerbehörde ihren Sitz hat.
       
       Sie dürfen nicht ins Ausland reisen und eine Ausbildung oder Beschäftigung
       nur im Einzelfall mit Genehmigung der Ausländerbehörde ausüben – und auch
       dann mit wenig Aussicht auf Erfolg, denn kaum ein Arbeitgeber stellt
       jemanden ein, in dessen Papieren „ausreisepflichtig“ steht. Ohne
       Staatsangehörigkeitsnachweis kann eine „Ausreise“ aber normalerweise nicht
       stattfinden.
       
       Eine gesicherte Aufenthaltsgenehmigung oder gar Einbürgerung ist für sie
       aber ebenfalls nicht in Sicht: Auch das ist nur möglich, wenn die
       Staatsangehörigkeit nachgewiesen werden kann. „Wenn da jemand kriminell
       wird, ist es kein Wunder“, sagte dazu schon vor sechs Jahren der Bremer
       [1][Rechtsanwalt Martin Stucke der taz].
       
       Auch, wenn dies sicherlich eine verkürzte Schlussfolgerung aus den
       Lebensverhältnissen der Mhallamiye ist, zu denen auch noch eine
       Stigmatisierung wegen ihrer wenigen, bundesweit bekannten Nachnamen kommt:
       dass viele von ihnen kriminell geworden sind, steht außer Frage.
       
       Immer wieder stehen sie im Fokus wegen Schutzgelderpressungen, Drogen- und
       illegalem Medikamentenhandel, Aktivitäten im Rotlichtmilieu und
       Waffenhandel. Nach Angaben der Polizei leben allein in Bremen rund 3.500
       Personen, die den Mhallamiye zugeordnet werden und von denen 1.800 bereits
       polizeilich in Erscheinung getreten sind.
       
       ## Abschiebung trotz ungeklärter Identität
       
       Bundesweit wird seit vergangenem Jahr der Druck auf kriminelle Banden
       erhöht: Im Sommer 2018 wurden im Zuge von Geldwäsche-Untersuchungen 77
       Immobilien in Berlin und Brandenburg beschlagnahmt, die einer
       Mhallamiye-Bande gehören sollen. Die Innenministerkonferenz hat sich im
       Juni auf eine Strategie zur Bekämpfung der „Clan-Kriminalität“ geeinigt.
       
       Dass Ibrahim M. trotz ungeklärter Identität abgeschoben werden konnte, ist
       wohl auf den Vorstoß von Berlins Innensenator Andreas Geisel (SPD)
       zurückzuführen: Er habe, sagte Geisel, im Mai mit den libanesischen
       Behörden in Beirut besprochen, „welche Möglichkeit besteht,
       Aufenthaltsbeendigungen umzusetzen“. Offenbar mit Erfolg.
       
       Die Bremer Innenbehörde hält sich mit Informationen zurück. „Zum konkreten
       Fall machen wir keine Angaben“, sagt Behördensprecherin Rose
       Gerdts-Schiffler. Auf die Frage, ob es weitere Pläne zur Abschiebung
       bekannter Banden-Mitglieder gebe, verweist sie auf das 2018 gegründete
       „Referat 24“ der Ausländerbehörde, das ausschließlich zur Aufgabe hat,
       straffällige Ausländer abzuschieben. Dabei gebe es allerdings, so
       Gerdts-Schiffler, „keinen spezifischen Fokus auf Bandenmitglieder“.
       
       17 Jul 2019
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Angriff-auf-Bauarbeiter/!5061049/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Simone Schnase
       
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